Aus der Reihe "Aufgelesen und Abgeschrieben". Dieses Mal zusammengestellt von Ali Kocaman

Ausgabe 214

(iz). Dass sich die europäische Titanic der Währungsrettung auf stetig zuverlässigem Kurs in Richtung nächster Eisberg bewegt, ist offenkundig. „Nach der Zwangsabgabe auf zyprischer Bankeinlagen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Einlagen-Garantie für deutsche Sparer erneuert. ‘Es ist das Merkmal einer Garantie, dass sie gilt. Und den Worten der Bundeskanzlerin und des damaligen Finanzministers ist nichts hinzuzufügen’, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert (…). Zypern sei ein Sonderfall. Unruhe unter Einlegern und Sparern in anderen Euro-Ländern sei daher nicht gerechtfertigt“, kündigt die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Schwanengesang die nächste Krise an. Alles nur ein Sonderfall, und Ruhe ist ­erste Bürgerpflicht.

Und während die Europäer noch träumen, erinnert Ralf Streck auf heise.de, dass dunkle Wolken heraufziehen: „China macht sich bereit zum Währungskrieg. Das Land der Mitte droht kaum noch unverhüllt, denn inzwischen wird immer offensichtlicher, dass angesichts der sich erneut zuspitzenden Krise allseits auf die Abwertung der Währungen gesetzt wird, um sich Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt zu verschaffen.“ Lasst uns lieber noch ein bisschen über fleischfreie Tage und Homoehe diskutieren.

Auch der Komplex NSU nimmt langsam die Ausmaße einer unendlichen Saga à la J.R.R. Tolkiens Parallelwelt Mittelerde an. Wie beim Großmeister des Fantasy-Genres dürften das Publikum auch hier mehrheitlich längst jeden Überblick verloren haben. Nun hat SPIEGEL das nächste Fass aufgemacht: „Bei den in Bonn festgenommenen Salafisten ist nach SPIEGEL-Information eine Ceska-Pistole gefunden worden – auch NSU-Mitglieder verwendeten diesen Waffentyp. (…) In Ermittlerkreisen ist wegen des Waffenfunds die Frage aufgetaucht, ob das radikalislamische Quartett bewusst diesen Waffentyp aussuchte.“ Alles nur Zufall? Es kann ja gar nicht sein, dass es ein Bindeglied zwischen Nazi-Mördern und „Salafisten“ geben könnte.

Es sind übrigens die kleinen, unabhängigen Medien, die oft den Finger auf die Wunde legen. In einem aktuellen Beitrag der „Kontext Wochenzeitung“ interessiert sich Frank Brunner für die Wirklichkeit staatlich finanzierter Programme „gegen Linksextremismus und islamischen Extremismus“: „Während Initiativen gegen Rechtsextremismus nur gefördert werden, wenn sie einen Eigenanteil von 50 Prozent aufbringen, müssen Organisationen, die Jugendliche davor bewahren möchten, in autonome, kommunistische oder salafistische Gruppen zu geraten, gerade mal zehn Prozent selbst finanzieren. Wer jedoch wissen will, was mit dem Steuergeld passiert, trifft oft auf eine Mauer des Schweigens.“ Man sollte meinen, dass die Krieger für eine offene Gesellschaft ein Stück weit offener sind.

Kennen Sie Femen? Richtig, dass sind jene spärlich bekleideten Demonstrantinnen, bei denen man immer Angst haben muss, dass sie sich eine Lungenentzündung holen. Diesen Kämpferinnen für das Gute räumte das ansonsten hyperkritische Medienkollektiv der, hier handzahmen taz nun ausreichend Platz ein, auf dem sie die Eröffnung ihrer Deutschlandfilliale ankündigten. „Wir sind keine naiven nackten Frauen. Wir sind aggressiv und wollen angreifen.“ Vielen Dank liebe taz, dass ihr uns über die Gepflogenheiten des politischen Diskurses aufklärt.