Bayerisches Urteil für Kopftuch

Augsburg (KNA) Das in Bayern praktizierte Kopftuchverbot für
Rechtsreferendarinnen ist nach einem Urteil des Verwaltungsgericht
Augsburg rechtswidrig. Bayerns Justizminister Winfried Bausback
kündigte am Donnerstag kurz nach dem Urteil Berufung an. Die
Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Stationen im
Streit um das Kopftuch.
1961: Die Bundesrepublik und die Türkei vereinbaren ein
Anwerbeankommen. In den folgenden Jahrzehnten kommen Millionen Türken
als Gastarbeiter nach Deutschland – die meisten bleiben. Damit kommt
auch das Kopftuch als Kleidungsstück muslimischer Frauen in die
Gesellschaft.
2002: In seiner Islam-Charta bekennt sich der Zentralrat der Muslime
in Deutschland zum Grundgesetz und fordert zugleich, in der
Bundesrepublik müsse eine würdige muslimische Lebensweise möglich
sein. Dazu zählt der Zentralrat das Kopftuch.
2003: Nach jahrelangem Rechtsstreit entscheidet das
Bundesverfassungsgericht im Fall Fereshta Ludin mit fünf zu drei
Stimmen, dass einer muslimischen Lehrerin nicht ohne ein konkretes
Gesetz verboten werden darf, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen.
Damit sind die Länderparlamente als Gesetzgeber am Zuge und erlassen
in den folgenden Jahren unterschiedliche Regelungen.
2003: Das Bundesverfassungsgericht bestätigt das Urteil des
Bundesarbeitsgerichts in Erfurt von 2002, nach dem das Tragen eines
Kopftuchs aus religiösen Gründen an einem nicht-staatlichen
Arbeitsplatz kein ausreichender Kündigungsgrund ist.
2004: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) befasst sich
erstmals mit dem Kopftuch und billigt das von türkischen
Ausbildungseinrichtungen verhängte Verbot. Die Klage wegen eines
Verstoßes gegen das Recht auf Religionsfreiheit und das Recht auf
freie Meinungsäußerung weisen die Straßburger Richter ab.
2011: Das Tragen einer Mütze in der Schule kann aus Sicht des
Bundesarbeitsgerichts in Erfurt als religiöse Bekundung gewertet und
damit verboten werden. Das Gericht stellt darauf ab, dass die
Kopfbedeckung «erkennbar als Ersatz für ein islamisches Kopftuch
getragen wird». Der Fall kommt nach Karlsruhe.
2015: Das Bundesverfassungsgericht kippt ein pauschales
Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen in öffentlichen Schulen.
Ein Verbot sei nur dann möglich, wenn das Tragen der muslimischen
Kopfbedeckung eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden bedeute.
2016: Das Verwaltungsgericht Augsburg entscheidet, dass das in Bayern
seit acht Jahren geltende Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen
rechtswidrig sei. Es handele sich um einen Eingriff in die Religions-
und Ausbildungsfreiheit ohne gesetzliche Grundlage.