Christliche Bürgermeister der Muslime

Foto: YouTube | Jeannette Michael

(iz). Nach einem harten und, wie man so schön sagt, schmutzigen Wahlkampf gelang dem Labour-Kandidaten Sadiq Khan der Wahlsieg, was ihn zum ersten muslimischen Bürgermeister Londons macht. Prompt nach Bekanntgabe seines Erfolgs, kam es zu Diskussionen über seinen Glauben und die Frage, warum dieser überhaupt so wichtig sei. Leser außerhalb Großbrittaniens waren offensichtlich nicht ganz involviert in die Vorgänge in und um London.
Tatsächlich war Khans Glauben von Anfang an Thema. Sein konservativer Gegner Zac Goldsmith schoss stetig in die Richtung seines Konkurrenten, unter anderem mit dem Vorwurf per Assoziation extremistisch zu sein. Auch nach Ende der unseriösen Angriffe, bleibt selbst nach seiner Wahl Khans Glaube kontrovers. Islamhasser sehen darin den Beginn der vermeintlichen Invasion und verkennen damit augenscheinlich Demokratie.
“In islamischen Städten würde nie ein Christ zum Bürgermeister gewählt werden”, heißt es immer wieder. Zugegeben, Phrasendrescher dieser Art glänzen selten durch Sachkenntnisse über angesprochene Themen, aber doch ist hier die Unwissenheit besonders interessant.
Quer durch die so genannte muslimische Welt geblickt, stößt man auf christliche Bürgermeister in mehrheitlich von Muslimen bewohnten Städten. So etwa im palästinensischen Ramallah, der Verwaltungshauptstadt, wo die Katholikin Janet Mikhail seit 2005 das Amt inne hat und bereits mehrere Male wiedergewählt wurde. Muslimische Palästinenser wählen eine christliche Frau? Passt nicht ganz ins Bild. Wie fast immer.
Kein Einzelbeispiel. Der Gouverneur Jakartas, der größten Stadt Indonesiens, einem Land mit 87% Einwohnern muslimischen Glaubens wurde der Christ Basuki Tjahaya Purnama. Bei seinen muslimischen Kollegen genießt er unter anderem für seine Gesundheitsreform großen Respekt. Einen vergleichsweise noch höheren Posten als Christ in einem mehrheitlich muslimischen Land besetzt z.B. auch Kamran Michael als Minister in Pakistan.
Ausnahmen? Nein. Senegal, ein Land mit über 93% Muslimen, wurde 20 Jahren vom katholischen Léopold Sédar Senghor regiert. Im Libanon muss, aktuell Michell Suleiman, der Präsident per Verfassung christlich sein, trotz der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung. Auch der Ministerpräsident Albaniens, Edi Rama ist Katholik. Und auch Sarajevo, die, wenn man so möchte, inoffizielle Hauptstadt des Islams in Europa hat mit Ivo Komšić einen christlichen Bürgermeister.
Ob nun die 2014 gewählte Bürgermeisterin der türkischen Stadt Mardin oder einer der dutzenden Bürgermeister und Gouverneure in anderen Ländern, in der pauschal angeprangerten muslimischen Welt ist es kein tabu. Seit jeher gehören Christen zu den Kabinetten der Regierungen Syriens, Palästinas, Jordaniens, des Iraks, Ägyptens und anderen Ländern. Bei der Recherche stößt man auf hunderte Beispiele und erwähnt wurden nur einige Namen.
Dabei ist ihr Glaube selten Thema. Nicht nur, weil Angriffe im Voraus meistens undenkbar sind und schlichtweg nicht stattgefunden haben, sondern weil die Realität diesbezüglich überhaupt nicht als kontrovers wahrgenommen wird.
In Zeiten in denen politische Debatten eher dialektisch als inhaltsbezogen wirken und dem ständigen, vielleicht auch berechtigtem Vorwurf, Politiker seien parteiübergreifend im negativen Sinne einheitlich, möchte man doch meinen, der Glaube eines Politikers sollte weniger Objekt der Debatte sein, als seine tatsächlichen Inhalte und Handlungen. So könnten auch diese faktisch falschen Phrasen vermieden werden. Auch wenn es immer wieder interessant ist, sie dermaßen zu demontieren.

4 Kommentare zu “Christliche Bürgermeister der Muslime

  1. Danke für diesen informativen Artikel. Außerdem zeugt der Kommentar, dass in islamischen Städten nie ein Christ zum Bürgermeister gewählt würde, von mangelnder Grundgesetzkennntnis. Selbst wenn dem so wäre, darf die Religionszugehörigkeit eines Politikers kein Ausschlusskriterium sein.

  2. Als der nun pensionierte deutsche Konvertit zum Islam Dr. Wilfried Murad Hofmann in Algerien als Botschafter der BRD tätig war, beschwerte sich eine christliche Ordensschwester darüber beim Auswärtigen Amt und meinte: Deutschland sei doch ein christliches Land, wie könne es da sein, dass es im Ausland durch einen Muslim vertreten wird? Daraufhin erhielt sie die Antwort: Die BRD ist kein christlicher, sondern ein säkularer Staat ohne Staatsreligion. Wenn ein Botschafter dieses Staates seiner Arbeit beanstandungslos nachkomme, dann sei nichts gegen ihn einzuwenden, gleich welcher Religion er angehört.
    Die britische Kriegsmarine musste es auch schon hinnehmen, unter dem auf ihren Schiffen dienenden Personal einen bekennenden Teufelsanbeter zu haben. Ihm stand das Recht zu, seine Riten auszuüben, solange dies nicht seinen Dienst behinderte oder er damit andere Personen störte oder gefährdete. Vielleicht wäre denjenigen, die sich daran stören, dass der neue Oberbürgermeister von London ein in GB aufgewachsener Muslim pakistanischer Herkunft ist, ein Teufelsanbeter anglosächsisch-keltischer Herkunft lieber.

  3. Hmm. Meinen Kommentar nicht veröffentlicht, aber den Artikel korrigiert. So weit, so gut.
    Aber den Leser nicht auf die Korrektur hinzuweisen, wie es redaktioneller Standard sein sollte, ist fragwürdig.
    Mit freundlichen Grüßen!

  4. Dem könnte man ja jetzt so Fakten gegenüberstellen wie, dass die genannten muslimischen Länder keineswegs Musterbeispiele der Toleranz sind, wenn man bedenkt, dass beispielsweise Pakistan Dank zunehmender Islamisierung inzwischen auf dem Weltverfolgungsindex (der bezeichnenderweise nur Verfolgung von Christen dokumentiert)den Platz 6 erklommen hat, mit massiver gesellschaftlicher Diskriminierung von und Gewalttaten gegen Christen.
    Interessant ist, dass es seit 2015 in den meisten der erwähnten Länder zunehmend enger wird für Christen. So ist auch in Indonesien eine zunehmende Islamisierung erkennbar. Auf dem Index ist es im Vergleich zum Vorjahr von Platz 47 auf Platz 43 geklettert.
    Irak darf sich rühmen den Platz 2 auf ebendiesem Index einzunehmen. Dort sind die Christen als Minderheit bereits im Verschwinden begriffen.
    Syrien nimmt Platz 5 ein, Ägypten Platz 22.
    (siehe: opendoors.de)
    Die Lage von Atheisten ist in den genannten Ländern sogar noch prekärer. (dazu darf ich gerne auf http://freethoughtreport.com/download-the-report/ verweisen)

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