"Die Angriffe auf Betül Ulusoy sind lächerlich"

Screenshot: YouTube

(IZ). Dass Islamismus-Vorwürfe ein haltloses Übel zu sein scheinen, zeigt die jüngste Angriffswelle auf die Juristin und Bloggerin Betül Ulusoy.
Von einem gewissen Mimoun A. tönt auf seiner „Fan-Seite” der Vorwurf, sie sei „Islamistin”.
An sich sowieso schon ein ziemlich disqualifizierender Begriff, weil er juristisch überhaupt keine Definition kennt. Das heißt, Daesh-Terroristen fallen in die gleiche Schnittmenge „Islamist”, wie ein Dönermann, der Mitglied in einer Milli Görüs Moschee ist. Fatal.
Axel-Springer Medien wie die „Bild” oder „B.Z”, aber auch der „Tagesspiegel” und die „Berliner Zeitung”, selbst die „taz” greifen den Vorstoß gegen die Berlinerin auf und veröffentlichen Artikel dazu. Als Stichwortgeber halten Mitglieder des von der Konrad-Adenauer-Stiftung initiierten „Muslimischen Form Deutschlands“ hin.
Ausgang des Angriffs ist ein Beitrag Betüls, in dem sie davon spricht, dass nach dem Putsch in der Türkei, „Dreck gesäubert” werden könne. Und das „mit Gottes Erlaubnis”. Ja, wir haben es in diesen Tagen, auch von türkischer Seite mit viel Populismus zu tun, keine Frage. Auch im Beitrag Betül Ulusoys ist er herauszulesen. Und eine Debatte über derartige Auswüchse ist durchaus angebracht. Aber der Vorwurf des Islamismus ist eine dreiste Denunziation. Zumal die Aussage „mit Gottes Erlaubnis” etwas mit dem islamischen Glauben an das Schicksal zu tun hat und auf türkischen Sprichwörtern basiert, die in allen Bevölkerungsschichten gängig sind und nur mit sehr viel sprachwissenschaftlicher Unkenntnis als derartig problematisch eingestuft werden würden.
Mit der gehörigen Polemik über eine Inszenierung des Putsches, dem Vergleich zum Reichstagsbrand und der Schablone, jeder der nur ansatzweise im Verdacht stünde, Erdogans Politik nicht absolut abzulehnen, sei ein Islamist, wird Betül Ulusoy in einen Topf Verbrecher geworfen, in den sie zweifelsohne nicht reingehört. Sie ist nun wirklich nicht das Sinnbild des systemkritischen Denkens, gelinde gesagt.
„Es hat schon eine gewisse unfreiwillige Komik, wenn ausgerechnet Personen wie Mimoun A. sich als Sprachpolizei aufspielen. Ein Mann, der über islamische Religionsgemeinschaften gesagt hat, sie seien ‘wie Parasiten, die aus ihren Löchern kriechen’“, fasst Murat Kayman die ironische Aufregung über die Wortwahl der selbsterklärten „Kopftuch-Juristin” zusammen, auch wenn er zugesteht „wenig Sympathie für solche Formulierungen, wie sie Betül Ulusoy verwendet hat“ zu haben.
Geteilt wird der Beitrag massenweise von antimuslimischen Linksextremisten, AfD-Wählern, „liberalen Muslimen” und Leuten, die dazu schreiben, damit sei bewiesen, dass selbst „moderate Moslems” das Problem seien.
Mimoun A. selbst löscht den Beitrag, der als düsteres Schaubild gepostet wurde, nach einiger Zeit von seiner Seite, was ihn aber nicht daran hindert, ein gutes Dutzend andere Beiträge nachzuschießen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu übernahm den Auslöser-Beitrag aber, interessanterweise ohne Quellenangabe, und ließ ihn stehen.
Während Betül Ulusoy sich über O-Töne darüber beschwert, dass sie umgangssprachlich damit gemeint habe, Menschen, die eine Militärdiktatur befürworten, hätten sich offenbart und könnten deshalb juristisch verfolgt werden, wird der Fall weiter unnötig skandalisiert. Selbst als die Juristin anprangert, „dass man, wenn man gegen den Putsch ist, automatisch als Erdogan-Anhänger gilt“, leitet die Junge Union (JU) ein Ausschlussverfahren gegen die Neuköllnerin ein.
Betül Ulusoy wird innerhalb weniger Tage zu einer Handlangerin Erdogans stilisiert, die sinnbildlich für Lynchjustiz steht, selbst wenn sie diese vehement ablehnt. Ein unglücklicher und anschließend zusätzlich missverstandener Facebook-Beitrag, den sie anschließend von der Seite nahm, genügt um eine öffentliche Person als Islamistin zu markieren.
Der Fall zeigt die Asymmetrie vermeintlicher Islamdebatten. Ein einzelner Denunziant kann mit gehörig Rechtschreibfehlern eine Medienkampagne gegen eine Person einleiten, die unweigerlich zu einem Ausschluss aus dem öffentlichen Leben führt. Wenn das der Standard sein soll, dann muss Solidarität zum Gegenstandard werden.

4 Kommentare zu “"Die Angriffe auf Betül Ulusoy sind lächerlich"

  1. eine akademisch gebildete Person sollte in der Lage sein, ihre Worte treffend auszuwählen. wer sich so einer Sprache bedient, zeigt seine wahre Gesinnung und sollte auch zu dieser stehen. Da sich der Vorfall wiederholt hat, kann hier von einem Missverständnis keine Rede sein.

  2. Mir sind die diesem Artikel vorangegangenen “Wortgefechte”, “Anschuldigungen” oder wie man es auch immer nennen will unbekannt. Aber hierzu möchte ich etwas sagen:
    “Mit der gehörigen Polemik über eine Inszenierung des Putsches, dem Vergleich zum Reichstagsbrand und der Schablone, jeder der nur ansatzweise im Verdacht stünde, Erdogans Politik nicht absolut abzulehnen, sei ein Islamist,”
    Es sollte bekannt sein, dass in Deutschland bereits einmal ein demokratisch gewählter Politiker die Kontrollmechanismen einer Demokratie ausgehebelt und abgeschafft hat. Durch die Entlassung Tausender aus der Justiz und dem Militär kann man diese Aushebeln. Es ist daher keine Frage der Polemik, des fehlenden Vertrauens, der Meinung, dass der Putsch inszeniert war, oder sonst irgendeiner Meinung, sondern eine Frage des demokratischen Prinzips, dass die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens, da an der elementaren Schwachstelle eines demokratischen System ein massiver Eingriff stattfand, transparent für die Öffentlichkeit gemacht wird. Und zwar ohne dass hierzu überhaupt gedrängt werden müsste. Das bedeutet aber jetzt bereits tausende von Anklagen und darauf anschließende öffentliche Prozesse, so dass jeder die Richtigkeit des Vorgehens nachvollziehen kann.
    Oder es bedeutet, dass “der Dreck” einfach verschwindet.

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