Fragwürdiger Akteur

Russische Medien wirken inzwischen tief in westliche Gesellschaften hinein. In der Welt der Think-Tanks dominieren aber nach wie vor die westlichen Institute. Wladimir Jakunin will das ändern.
Berlin (dpa) – Der Ex-Präsident der staatlichen russischen Eisenbahngesellschaft, Wladimir Jakunin, hat in Berlin zusammen mit Wissenschaftlern und ehemaligen europäischen Amtsträgern ein Politik-Institut aus der Taufe gehoben. Jakunin wurde lange Zeit zum engen Zirkel um den russischen Präsidenten Wladimir Putin gezählt. Er behauptete jedoch am Freitag in seiner Eröffnungsrede, das Dialog-der-Zivilisationen-Institut (DOC) sei finanziell und ideologisch unabhängig von der russischen Regierung.
„Ich kenne Herrn Putin aus seinen jungen Jahren in St. Petersburg, er ist ein großer Führer, der unter großem Druck steht”, sagte Jakunin der Deutschen Presse-Agentur. Ursache für diesen Druck seien die „tektonischen Verschiebungen”, die in der internationalen Politik seit einigen Jahren zu beobachten seien.
Vertreter der Bundesregierung hatten zuletzt mehrfach über die „tendenziöse Berichterstattung” russischer Medien geklagt. Dazu zählten Berichte über den Fall der vermeintlichen Vergewaltigung eines deutsch-russischen Mädchens durch Asylbewerber in Berlin. Die islamfeindliche Pegida-Bewegung nahm die Falschbehauptung auf. Seitdem gab es immer wieder Vorwürfe, die russische Regierung hätte Interesse an einem Erstarken islamfeindlicher Positionen in Deutschland.
Das DOC ist die Nachfolgeorganisation eines von Jakunin 2002 gegründeten Politik-Instituts, das seinen Sitz in Wien hatte. Zum Aufsichtsgremium des DOC gehören der frühere österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und der ehemalige tschechische Präsident Václav Klaus. Klaus hatte zuletzt auf dem Bundesparteitag der AfD von einer „Masseneinwanderung nach Europa” gesprochen.
Zu den Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht sagte er: „Jemand hat diese Menschen angestachelt, das zu tun.” Die USA hatten Jakunin im März 2014 auf eine Liste von Personen gesetzt, gegen die in Zusammenhang mit der Krimkrise Sanktionen verhängt wurden.
Neun der zehn international bekannten politischen Think-Tanks seien entweder von Amerikanern oder Westeuropäern gegründet worden, sagte Jakunin. „Das ist keine vernünftige Verteilung”, fügte er hinzu. Gleichzeitig betonte er, das DOC-Institut sei keine russische Organisation. Sein Ziel sei es nicht, die deutsche Öffentlichkeit zu manipulieren. Er habe sich für Berlin als Sitz für das Forschungsinstitut entschieden, wegen des demokratischen Klimas und der „offenen Gesellschaft” in Deutschland entschieden.
Zu den Rednern bei der Eröffnungsveranstaltung zählten der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, und der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau, Hans-Friedrich von Ploetz.