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Gründen für Flüchtlinge

Foto: Welcome APP Germany

Helfen – das ist der erste Impuls vieler sozialer Gründer. Das Geld ist ihnen egal. Doch irgendwann stellen die Sozialunternehmer fest, dass es zum Überleben auch solide Finanzen braucht.
Dresden/Berlin (dpa). Die Idee ist so einfach wie bestechend: In einer App finden Flüchtlinge Kontakte und Informationen, die ihnen nach ihrer Ankunft in Deutschland helfen sollen. 2015 ging die „Welcome App“ zuallererst für Dresden online. „Wir wollten mal ein positives Zeichen aus Dresden setzen“, sagt Peggy Reuter-Heinrich, deren Softwarefirma Heinrich Reuter zusammen mit Saxonia Systems die App betreibt.
Für Peggy Reuter-Heinrich war von Anfang an klar, dass ihre kleine Firma die Initiative nicht einfach so stemmen kann: „Natürlich haben wir den Business Case durchdacht“, sagt sie. Städte zahlen jetzt für ein Jahr einen Sockelbetrag von 1050 Euro und einen Betrag von 1,5 Cent je Einwohner. Teilweise helfen Firmen als Sponsoren aus. Die Stadt München habe die „Welcome App“ beispielsweise so finanziert. Trotzdem ist es knapp: „Wir machen keinen Verlust“, sagt Reuter-Heinrich. Zwei Mitarbeiter hat sie zusätzlich für die Initiative eingestellt. „Aber wir rechnen jeden Monat nach.“
Solche unternehmerischen Initiativen oder soziale Start-ups haben es in Deutschland nicht leicht. Anschubhilfen gibt es viele, langfristige Finanzierungsquellen sind rar. Den Projekten fehlt meist die Gewinnorientierung, die sie für Investoren interessant machen könnte. Stiftungen geben Geld, der Softwarekonzern SAP denkt nach eigenen Angaben über eine Förderung nach. Die Deutsche Bank Stiftung hat vor drei Jahren mit der gemeinnützigen Social Impact GmbH eine Crowdfunding-Plattform ins Leben gerufen. Bisher haben sich rund 20 soziale Start-ups über diese Plattform finanziert, sagt ein Deutsche-Bank-Sprecher. Der Erfahrung nach scheitern aber viele schon in der Gründungsphase, weil es an Fach- und Methodenwissen fehlt.
In der Regel geht es ehrenamtlich los – wie bei CodeDoor. Die Initiative, die Karan Dehghani gegründet hat, will Flüchtlingen Programmieren beibringen. Nach einem Pilotprojekt in Gießen sollen nun Kurse in Berlin und Frankfurt folgen. Bislang arbeiten der Gründer und 25 Freiwillige unentgeltlich. Die Kurse werden von der privaten Online-Akademie Udacity gefördert. Der SAP Stiftungsfonds gab 5000 Euro, die Bahn stiftete Laptops, darüber hinaus erhielt CodeDoor Unterstützung vom Ankommer-Stipendium der KfW Stiftung.
Die Stipendien haben einen Wert von 12.500 Euro, es beinhaltet allerdings kein bares Geld, sondern Coaching, Workshop und Arbeitsplätze, die das Unternehmen Social Impact bereitstellt. Kein Geld also, um Mitarbeiter zu zahlen. CodeDoor soll sich erst einmal durch Spenden und kleinere Programmieraufträge tragen. Wie es weitergeht, wenn das Projekt wächst, ist noch unklar.
An diesem Punkt ist die Job-Vermittlung Workeer.de gerade angelangt. David Jakob und Philipp Kühn haben die Plattform zur Arbeitsvermittlung von Flüchtlingen im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit entworfen. Inzwischen sind die Initiatoren auf der Suche nach dem richtigen Geschäftsmodell. Das Interesse war so groß, dass sie trotz der Unterstützung von Freiwilligen nicht ehrenamtlich weitermachen können. „Wollen wir den nächsten Schritt gehen und Gebühren von Unternehmen verlangen, brauchen wir echte Webentwickler und Designer“, sagt Gründer David Jakob.
Derzeit loten die Gründer Finanzierung über Stiftungen und EU-Fördergelder aus. Auch mit der Agentur für Arbeit in Berlin ist man im Gespräch. Klassische Investoren, die auf Gewinnmaximierung aus sind, sagt Jakob, kommen nicht in Frage: „Wir wollen non-profit bleiben.“
Das Berliner Projekt Cucula hat 2014 via Crowdfunding 123.000 Euro eingesammelt – in der Werkstatt bauen Flüchtlinge Möbel nach Entwürfen des Designers Enzo Mari. Die Verkaufserlöse dienen dazu, Ausbildungsstipendien für Flüchtlinge zu finanzieren. Davon lebt die Initiative bislang, dazu kommen Stiftungsgelder und Privatspenden. Jetzt sollen langfristige Strukturen aufgebaut werden. „Wir suchen nach Partnern“, sagt Mitgründer Sebastian Däschle. Doch obwohl das Projekt gelobt werde, sei die Suche frustrierend. Es laufen Gespräche für eine Kooperation mit Möbelfirmen. Doch die Initiative will ihre Unabhängigkeit nicht verspielen.
„Die Substanz fehlt in Deutschland“, kritisiert Daniel Kerber. Er hat 2012 das Projekt „More Than Shelters“ ins Leben gerufen. Die kleine Firma berät in Fragen rund um Flüchtlingsunterkünfte. Zusammen mit dem skandinavischen Outdoor-Hersteller Nordisk produziert „More Than Shelters“ darüber hinaus wetterfeste Zelte für Notunterkünfte, die Flüchtlingen und ihren Helfern zumindest für eine gewisse Zeit eine Unterkunft bieten können.
Zu Beginn verließ sich Kerber auf Privatspenden, dann gab es ein Bürgschaftsdarlehen. Es reichte nicht: „Wir sind am Ende zur Sparkasse an der Ecke gegangen“, sagt er. Aktuell kann die Firma von ihren Umsätzen leben. Doch mehr ist nicht drin: „Wir würden sehr gern eine Wachstumsstrategie entwerfen“, sagt Kerber. Bislang fehlt die Geldquelle, um das anzuschieben. Vermeintlich soziale Investoren hätten häufig zu hohe Renditeerwartungen, kritisiert Kerber.
Peggy Reuter-Heinrich in Dresden hat die Finanzierung der „Welcome App“ dank ihrer eigenen Firma im Rücken vorerst gesichert. „Das ist ein Nullsummenspiel“, sagt sie zwar. Zumindest wirft das Projekt aber schon soviel ab, dass sie Spenden an Projekte weitergeben kann, die ihrerseits Flüchtlingen helfen.