"Muss deine Frau Kopftuch tragen?"

Screenshot: YouTube, BilalDannoun

(iz). Eine der typischen Fragen, die ein unverheirateter, muslimischer Mann gestellt bekommt, lautet „muss deine Frau eigentlich Kopftuch tragen?“ Ja, eine nervige Frage, aber irgendwie mag ich sie. Weil man weit ausholen und so einige Missverständnisse aus der Welt schaffen kann. Vor allem die Oberflächlichkeit des Fragenden wird hier eindrucksvoll demonstriert. Zeit sie zu demontieren.
Unsere Sprache entlarvt uns manchmal. In ihr offenbart sich unsere sozioökonomische Realität. Beschäftigen wir uns doch einfach mal mit der Bedeutung dieser Worte. Es mag weit hergeholt erscheinen, ermöglicht aber ein Ansprechen tatsächlicher Inhalte der muslimischen Lehre. Macht eine Heirat eine Frau zu „meiner Frau“? Warum ist sie nun „Mein“? Wessen war sie zuvor? Ist sie nun nicht mehr Gottes’? Zurückrudern. Die Ausgangsfrage möchte klären, ob ich dieser, „meiner Frau“ etwas vorschreiben würde, wie es dem Vorurteil entspricht, ob sie etwas müsste. Warum eigentlich nicht, wenn die Sprachanwendung des Fragenden so unreflektiert ist, und er diese Frau selbst zu „meiner Frau“ machte? Schließlich gehört sie, wie impliziert, nun mir.  Und warum reduziert man diese, “meine Frau” in der Frage über meine Erwartungen von ihr auf äußere Merkmale? Oberflächlichkeit.
Aber ich glaube nicht daran, dass eine Frau je „meine Frau“ werden kann. Weil ich als Muslim an das unabhängig geschaffene Geschöpf Gottes glaube und daran, wie es im Qur’an heißt, dass wir Allah gehören und zu Ihm zurückkehren. Deshalb wird keine Frau je „meine Frau“. Glaube ich deshalb nicht an die schicksalshafte Ehe und Bindung? Doch, natürlich. Aber wenn eine Frau etwas wird, dann eher meine Ehefrau oder meine Partnerin. Es käme dem Begriff, den Allah im Qur’an verwendet, näher. Denn das Wort ‘Zawja’ bedeutet so viel wie ‚Teil eines Paares‘. Weder gehöre ich ihr, noch gehört sie mir. Wir gehen nur den Weg hin zu Dem, Dem wir beide gehören, gemeinsam.
Wenn zwei Seelen zusammenkommen und sich aus Bedürfnis, Überzeugung und Liebe entscheiden, den Weg gemeinsam zu gehen, stimmt es zwischen ihnen. Was ich muss oder meine zu müssen, kommt von meinem Glauben und dem damit verbundenen Gewissen. Die Herkunft des Wortes Gewissen lehnt an das innere Bewusstsein an. Das Bewusstsein über gut und schlecht, richtig und falsch. Es liegt sehr nah, dass Partner aus der Natur ihres Zusammenkommens heraus gleiche Überzeugungen teilen und ihrem jeweiligen Gewissen damit nicht widersprechen, der Partner des anderen zu sein. Sie wird nie etwas müssen, weil ich es will. Wenn sie etwas muss, dann das, was sie aus ihrem Glauben und Gewissen heraus zu ihrem Muss macht, als unabhängige oder einzig vom Schöpfer abhängige Frau. Schließlich bedecke sie sich nicht aufgrund meines Willens, sondern aufgrund des Willens des Schöpfers. Oder will mich der Fragende hier etwa zum Herren über diese, “meine Frau” machen?
Die Ehe in dem Bewusstsein zu schließen, Teil eines Paares zu sein, setzt die Findung von Sinn und Ziel voraus. Das gemeinsame Bewusstsein über Sinn und Ziel wiederum führt zu der Erkenntnis, was man vom Partner erwartet und welche Erwartungen des Partners man erfüllen möchte. Und wenn eine Partnerschaft im Einklang mit dem Gewissen beider Partner ist, wird die Wahrscheinlichkeit sehr hoch sein, dass beide sich in ihren Überzeugungen einig sind. Der Einzelne kann das aber nicht einfach von sich aus planen. Deshalb bleibt die Frage auch nicht mit Ja oder Nein erwidert, sondern gibt in ihrer Beantwortung dem Fragenden zu Denken über so vieles, mindestens sein/ihr eigenes Frauenbild und den oberflächlichen Umgang mit der Realität des Muslimseins.
Ich will als Muslim nicht über Kopftücher reden, sondern über Islam und seine tieferen Bedeutungen. Die Ausgangsfrage wäre als einzelner Beitrag in einem fortgeschrittenem Gespräch harmlos. Leider markiert sie aber oft schon den Auftakt des vermeintlichen Dialogs und wirkt, als hätte der Fragende eine belehrende Absicht mit vorurteilendem Blick. Oberflächliche Fragen sollten durch Antworten mit Tiefgang erwidert werden, weil der Muslim hier ganz offensichtlich wertvolle und notwendige Inhalte anbieten kann, anstatt über ein Stöckchen zu springen.

5 Kommentare zu “"Muss deine Frau Kopftuch tragen?"

  1. Möchte auf den Rechtschreibfehler im zweiten Abschnitt aufmerksam machen
    Und warum reduzierst man diese, “meine Frau” in der Frage über meine Erwartungen von ihr auf äußere Merkmale? Oberflächlichkeit.
    Es musss reduziert heissen.

  2. Sehr gut .. es gibt auf Arabisch eine Aussage .. لا فُض فوك
    sie bedeutet .. machen Sie Ihr Mund nicht Stoppen, gute wörter zu sagen

  3. Bis jetzt war ich immer davon ausgegangen, dass nur Frauen die oft inquisitorisch vorgetragene Frage: “Warum tragen Sie ein Kopftuch?” beantworten müssen. Es ist tröstlich, dass das das nicht so ist, weil das dazu geführt hat, dass ein in der Diskussion wirklich hilfreicher Artikel entstanden ist. Gott vergelt`s.

  4. Das ist ein wirklich schöner Beitrag. Wir Christen im Dialog werden ebenso mit solchen voreingenommenen Fragen bombadiert.Ich weiss, wie man sich, besonders in den letzten Wochen, fühlt.Zwischen Diskussionen über AfD und NPD, Flüchtlinge, Salafisten und ihre Unterschiede, Terror, Kleinkriminelle aus dem Maghrib(wahrscheinlich gekauft),politische Fehler verschiedener muslimischer Spitzenpolitiker etc. nerven die üblichen Themen wie Hijab,sogenannter Ehrenmord und Qualifikation islamischer Geistlicher noch mehr. Da tut dieser schöne Beitrag nur gut. Gott segne Bruder Tarek.

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