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Die anderen Bürger: US-Araber sind vielfältiger als gedacht

US-Araber USA Araber

Mittlerweile gibt es vier Millionen US-Araber. Die Gruppe ist vielfältiger als manche denken. (The Conversation). Der April 2023 war Monat des arabisch-amerikanischen Kulturerbes – ein Abschnitt, in dem man mehr […]

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Ist der Iran 2023 auf dem Weg zur Atommacht?

Staatstrauer Iran Explosionen Anschläge Uran

Die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran liegen seit Monaten auf Eis. Während Teheran friedliche Absichten beteuert, schlägt die Internationale Atomenergiebehörde Alarm. Nun hat deren Chef Zusagen mit […]

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Neuer Report dokumentiert, wie China Religionsfreiheit unterdrückt

Peking (KNA). Chinas Staatsorgane zur Überwachung der offiziell anerkannten Religionen begehen laut einem US-Bericht „systematische, anhaltende und ungeheuerliche Verletzungen der Religionsfreiheit“. Die Kommunistische Partei Chinas und die Regierung übten eine umfassende Kontrolle des religiösen Lebens aus, zitiert der asiatische Pressedienst Ucanews (Dienstag) aus dem neuen Report der „United States Commission on International Religious Freedom“.

Dabei nutze der Staat ein dichtes Netz von Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien, die Partei und Behörden auf allen Ebenen durchsetzten. Anhänger der sieben anerkannten Glaubensgemeinschaften müssen sich bei den Behörden registrieren und unterliegen dem Bericht zufolge der ständigen Überwachung und Kontrolle durch Behörden und Parteistellen. Unabhängige religiöse Gruppen wie protestantische Hauskirchen oder „Untergrundkatholiken“ seien Ziel von Repressionen.

Offiziell anerkannt sind die „Buddhistische Vereinigung von China“, die „Chinesische taoistische Vereinigung“, die „Chinesische patriotische katholische Vereinigung“, die katholische Bischofskonferenz von China, die Bewegung „Protestant Three-Self Patriotic Movement“, der „Christliche Rat von China“ und die „Islamische Vereinigung von China“.

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US-Zwischenwahlen 2022: Muslime begrüßen Erfolge ihrer KandidatInnen

Washington (iz/CAIR). Seit geraumer Zeit nehmen Muslime in den USA – zuerst die afroamerikanischen und dann in Folge die migrantischen – aktiv als Wähler und Wahlhelfer an Stimmabgaben auf allen Ebenen in den Vereinigten Staaten teil. Seit mehreren Jahren tun sie das auch immer erfolgreicher als Kandidaten und Mandatsträger. Während muslimische Wähler bis George W. Bush viel häufiger republikanisch entschieden, hat sich das dank „Antiterrorkrieg“ und aufkommender Islamfeindlichkeit der Rechten erheblich geändert.

Bereits in der Wahlnacht erklärten zwei muslimische NGOs, das Jetpac Resource Center sowie der Rat für Amerikanisch-Islamische Beziehungen (CAIR) zu bekannten und vorläufigen Ergebnissen der Abstimmungen auf nationaler Ebene sowie in den US-Bundesstaaten. Das Jetpac Resource Center ist eine gemeinnützige NGO, die sich für eine stärkere Vertretung der Muslime in der amerikanischen Regierung und Politik einsetzt. CAIR ist Amerikas größte Organisation für die Rechte von Muslimen und Interessenvertretung. Ihre Aufgabe ist es, das Verständnis für den Islam zu verbessern, die Bürgerrechte zu schützen, die Gerechtigkeit zu fördern und die amerikanischen Muslime zu stärken.

Während man derzeit die Ergebnisse von 145 muslimischen KandidatInnen verfolge, sei ihre Zahl ungeachtet ihrer Erfolge „ein Rekord“. In 23 Staaten haben sich 48 von ihnen um ein Mandat für einen Abgeordnetenposten in ihrem jeweiligen Staat beworben. Laut CAIR-Angaben hätten mehr Moscheegemeinden ihre Räumlichkeiten als Wahllokale geöffnet als je zuvor.

Nihad Awad, nationaler CAIR-Direktor, sagte über die bisher bekannten Entscheidungen: „Die heutige historische Reihe von rekordverdächtigen Wahlsiegen amerikanischer Muslime ist ein Beweis für den kontinuierlichen Aufstieg unserer Gemeinschaft in der amerikanischen Politik und das Vertrauen, das unsere Nachbarn in uns setzen, um sie zu vertreten und für ihre Interessen zu kämpfen. Wir sind Zeugen des nächsten Schritts in der politischen Transformation der muslimischen Gemeinschaft Amerikas von einer marginalisierten Stimme, die an den Rand gedrängt wurde, (…) zu einem Entscheidungsträger. Diese neu gewählten Amtsträger bauen auf den Erfolg der jahrzehntelangen Investitionen unserer Gemeinschaft in bürgerschaftliches Engagement, Wählerregistrierung und Kandidatur auf.“

Mohammed Missouri, leitender Direktor von Jetpac, begrüßte die bisherigen Erfolge ebenfalls und bezeichnete sie als „inspirierend“. Das zeige, dass es der muslimischen Gemeinschaft gelungen sei, eine „solide Infrastruktur“ für nachhaltige Wahlerfolge aufzubauen. „Politische Entscheidungen in den Bereichen Bildung, Wohnungsbau, Klima und Bürgerrechte werden von der Legislative des jeweiligen Bundesstaates getroffen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass unsere Stimme bei der politischen Entscheidungsfindung vertreten ist“, Missouri.

Beide NGOs gehen davon aus, dass die DemokratInnen Andre Carson, Ilhan Omar und Rashida Tlaib in ihren Wahlkreisen erfolgreich sein werden. Bei den bundesstaatlichen Wahlen schätzt man, dass sich viele KandidatInnen für Sitze in den dortigen Repräsentantenhäusern und Senaten werden durchsetzen können. In einigen Staaten wie Washington oder Wisconsin werden sie im Erfolgsfall die ersten muslimischen Parlamentarier sein. Von wenigen Ausnahmen abgesehen kandidierten die meisten MuslimInnen hier für die Demokraten. (sw)

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Saudi-Arabien verteidigt nach Kritik aus USA Öl-Förderkürzung

Riad (dpa). Nach der Kritik aus den USA an Saudi-Arabien hat das Königreich die geplante Förderkürzung der Ölallianz Opec+ verteidigt. Der Beschluss sei aus „rein wirtschaftlichen“ Gründen gefällt worden, sagte der saudische Außenminister Faisal bin Farhan am 11. Oktober dem Nachrichtensender Al-Arabiya. „Die Opec+-Staaten haben verantwortungsvoll gehandelt und die passende Entscheidung getroffen.“ Es gehe dabei um die Stabilität des Marktes.

US-Präsident Joe Biden äußerte nach der jüngsten Entscheidung zur Förderkürzung der Opec+ scharfe Kritik an Saudi-Arabien. Er sagte dem Sender CNN am Dienstag, es sei Zeit, die Beziehungen zu dem führenden Opec-Land zu überdenken. „Es wird einige Konsequenzen für das geben, was sie mit Russland gemacht haben“, erklärte Biden weiter.

Saudi-Arabien und Russland gelten als die führenden Kräfte im Ölverbund Opec+. Dieser will von November an zwei Millionen Barrel (je 159 Liter) täglich weniger Öl fördern.

US-Senatoren aus Bidens Demokratischer Partei hatten die weitgehende Einstellung der militärischen Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien gefordert, da das Land mit der Zustimmung zur Förderkürzung Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstütze. So sollen unter anderem die Waffenlieferungen weitgehend eingefroren werden.

Die USA und das Königreich sind eigentlich seit Jahrzehnten Partner. Trotz eines Besuchs Bidens in Saudi-Arabien in diesem Sommer ist das Verhältnis derzeit jedoch belastet – nicht zuletzt wegen des Mordes an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi vor vier Jahren in Istanbul durch ein Killerkommando aus Riad. US-Geheimdienste machen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman dafür verantwortlich. Dieser weist die Anschuldigung zurück.

Faisal bin Farhan sagte, die Beziehungen mit den USA unterstützten die Sicherheit und Stabilität in der Region. Die militärische Kooperation zwischen Riad und Washington diene den Interessen beider.

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Fasten in Kriegszeiten

(iz). Angesichts der Verwüstungen von Kriegen und dem ökologischen Zustand der Erde ist der Mensch in seiner spirituellen Veranlagung herausgefordert. Friedrich Nietzsche warnte seine Leser vor einer wachsenden Wüste, die […]

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Amerikas Antiterrorkrieg und das Scheitern in Afghanistan

Nach dem 11. September 2001 riefen die USA den globalen Krieg gegen den Terrorismus aus. Keine drei Jahre später verkündeten sie den ersten Sieg in diesem Krieg – ausgerechnet in Afghanistan. Das sollte nicht die einzige katastrophale Fehleinschätzung bleiben. Von Can Merey und Jan Kuhlmann

Washington (dpa). US-Präsident George W. Bush wollte die Nation aus ihrer Schockstarre erlösen, als er neun Tage nach den Anschlägen vom 11. September 2001 vor dem Kongress sprach. „Unsere Trauer hat sich in Zorn verwandelt und der Zorn in Entschlossenheit“, sagte Bush damals. „Unser Krieg gegen den Terror beginnt mit Al-Kaida, aber er endet nicht dort. Er wird erst enden, wenn jede Terrorgruppe von globaler Reichweite gefunden, gestoppt und besiegt worden ist.“ Von einem Ende der internationalen Terrorbedrohung kann auch 20 Jahre später keine Rede sein. Und auf dem ersten Schlachtfeld in diesem Krieg – Afghanistan – ist der Westen gerade gescheitert.

Nachdem die Taliban sich weigerten, Al-Kaida-Chef Osama bin Laden auszuliefern, begann am 7. Oktober 2001 der US-geführte Angriff auf Afghanistan. Bush machte damals deutlich, dass sich der Kampf der USA ausdrücklich auch gegen jene Regierungen richte, die Terroristen Schutz böten. Das Taliban-Regime stürzte Ende 2001, eine Zeit lang schien es, als wäre Afghanistan auf einem guten Weg. Bei einem Besuch des afghanischen Übergangspräsidenten Hamid Karsai im Weißen Haus sprach Bush im Juni 2004 vom „ersten Sieg im Krieg gegen den Terror“.

Es war eine von vielen katastrophalen Fehleinschätzungen der USA. Spätestens die Abzugspläne von US-Präsident Donald Trump und seinem Nachfolger Joe Biden setzten in Afghanistan eine Dynamik in Gang, die zur erneuten Machtübernahme der Taliban geführt hat. Ursprünglich hatte Biden angekündigt, den US-Truppenabzug bis zum 11. September dieses Jahres abzuschließen. Am 20. Jahrestag der Anschläge weht nun wieder die weiße Flagge der Islamisten in Kabul. Die Nato-geführten Truppen sind im Chaos abgezogen, die afghanischen Sicherheitskräfte kollabiert. Die Taliban haben den Krieg in Afghanistan gewonnen.

Biden argumentiert, das wichtigste Ziel des Einsatzes sei dennoch erreicht worden – und zwar schon im Mai 2011, als US-Spezialkräfte Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan töteten. Richtig ist, dass die USA seit dem 11. September 2001 nie wieder zum Ziel eines vergleichbaren Terrorangriffs wurden. Die Gefahr ist aber nicht gebannt. In ihrem jüngsten Bericht zur Bedrohungslage schreiben die US-Geheimdienste, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Al-Kaida und der Iran mit seinen militanten Verbündeten „planen weiterhin Terroranschläge gegen Personen und Interessen der USA, einschließlich in unterschiedlichem Ausmaß in den Vereinigten Staaten“.

Bereits vor dem Abzug der internationalen Truppen war Al-Kaida nach Einschätzung der Vereinten Nationen in fast jeder zweiten afghanischen Provinz präsent. In einem Bericht des US-Sicherheitsrats vom Frühjahr hieß es: „Die Taliban sind weiterhin eng mit Al-Kaida verbunden und zeigen keine Anzeichen für einen Abbruch der Beziehungen.“ Nicht verwunderlich, dass Al-Kaida den Abzug des Westens aus Afghanistan als Triumph feiert: „Gott hat uns den Sieg versprochen und Bush die Niederlage“, teilte das Terrornetz kürzlich mit. „Das afghanische Debakel Amerikas und der Nato markiert den Anfang vom Ende einer dunklen Ära westlicher Vorherrschaft und militärischer Besatzung islamischer Länder.“

Tatsächlich könnte dieses afghanische Debakel auch in Washington zu einem grundsätzlichen Umdenken führen. „Wir müssen aus unseren Fehlern lernen“, sagte Biden nach dem Ende des Einsatzes. „Bei dieser Entscheidung über Afghanistan geht es nicht nur um Afghanistan. Es geht darum, eine Ära großer Militäroperationen zur Umgestaltung anderer Länder zu beenden.“ Die Schaffung demokratischer Strukturen könne nicht Ziel von Anti-Terror-Einsätzen sein. Biden argumentiert, für die Terrorismusbekämpfung müssten keine amerikanischen Bodentruppen in fernen Ländern stationiert werden – dafür hätten sich bereits jetzt andere Mittel wie etwa Drohnen bewährt.

Dass ein großangelegter Einsatz von Bodentruppen schwieriger zu beenden als zu beginnen ist, hat sich nicht erst in Afghanistan gezeigt. Bush nutzte den Krieg gegen den Terrorismus auch als Vorwand, um im März 2003 den Irak anzugreifen. Ende 2011 zogen die USA ihre Truppen aus dem Land ab. Keine drei Jahre später mussten sie zurückkehren, um die irakischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Die Terrormiliz ist trotz ihrer militärischen Niederlage weiter im Irak und im benachbarten Syrien aktiv.

Auch in Afghanistan unterstützten die US-Truppen die einheimischen Sicherheitskräfte, und noch eine Parallele ist im Irak zu erkennen: Eine funktionierende Demokratie, wie sie die USA nach ihrer Irak-Invasion 2003 in dem Land etablieren wollten, ist dort niemals entstanden. Zwar gibt es Wahlen zum Parlament, doch ändern diese an den realen Machtverhältnissen wenig. Die Politik des Landes ist geprägt von Misswirtschaft und Korruption. Beispielhaft dafür steht die schwache Infrastruktur des Landes. Während der Irak zu den ölreichsten Ländern der Welt zählt, leiden die Menschen dort permanent an Strommangel.

Der Frust vieler Iraker über ihre herrschende Klasse ist so groß, dass die Wahlbeteiligung 2018 auf ein historisches Tief fiel. Später zogen vor allem junge Frauen und Männer zu Massenprotesten auf die Straße, gegen die die Sicherheitskräfte mit Gewalt vorgingen.

Vor allem öffnete der US-Militäreinsatz im Irak mit dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein das Tor für massiven Einfluss des schiitischen Nachbarn Iran. Die schiitischen Muslime stellen im Irak nicht nur die Mehrheit, sondern dominieren auch die Politik. Teheran nutzt vor allem schiitische Milizen, um seine Interessen durchzusetzen. Diese bewaffneten Gruppen sind nicht nur militärisch stark, sondern auch eng mit wichtigen politischen Parteien verbunden.

Das politische Chaos im Irak nutzte auch der IS, um 2014 große Teile des Landes unter Kontrolle zu bringen. In seinen Reihen fanden sich nicht zuletzt viele Sunniten wieder, die früher in Saddams Armee gedient hatten. Als die USA nach dessen Sturz das Militär auflösten, fühlten sich viele Soldaten gedemütigt – und sannen auf Rache.

Auf die USA wächst der Druck, ihre Soldaten auch aus dem Irak abzuziehen. In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu Raketenangriffen auf Einrichtungen, die von Amerikanern genutzt werden. Washington sieht schiitische Milizen am Werk. Doch ein Abzug hätte weitreichende Konsequenzen: „Der Iran übernimmt dann den Irak“, prophezeit Guido Steinberg, Irak-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Und auch der IS dürfte sich im Aufwind sehen.

Das würde erst recht gelten, wenn die Biden-Regierung auch den von Trump begonnenen Abzug aus Syrien vollenden sollte. Dort unterstützen die US-Truppen die Kurden im Kampf gegen den IS. Ohne Washingtons Hilfe wäre es kaum vorstellbar, dass sie die von ihnen kontrollierten Gebiete im Norden und Osten Syriens halten könnten.

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Emran Feroz hat ein wichtiges Buch über den Afghanistankonflikt geschrieben

„Trauernde Mütter beerdigen ihre Söhne, den einen mit schwarzem Taliban-Turban, den anderen mit der Uniform der afghanischen Armee. Das ist die wahre Tragödie des Krieges, und sie will, so scheint es, einfach kein Ende nehmen.“

Am 15. August verkündeten die Medien der Welt die Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul nach einer rapiden, und oft kampflosen, Kampagne der Taliban. Ihre konfusen und erschreckenden Bilder illustrieren das Schlagwort eines „2. Saigon“ und einer „Niederlage des Westens“. Erschreckend aktuell und als Abgesang auf den längsten Krieg der US-Geschichte ist ab dem 30. August das neue gleichnamige Buch des Journalisten und Autoren Emran Feroz im Handel erhältlich.

(iz). Was den Text des Autors, der sich in einem Interview just als „Austro-Afghanen“ bezeichnete, so wichtig macht: Er erzählt nicht den Krieg der Amerikaner (und ihrer Verbündeten), sondern den der Afghanen, der „bereits seit dem Ende 1970er-Jahre“ andauert. Liest man ihn, mutete das jüngst kolportierte Schlagwort von „unserer Niederlage“ beinahe zynisch an, wenn wir bedenken, dass es vor allem die Menschen dieses Landes waren, die seit 1979 (spätestens aber 2001, den eigentlichen Zeitraum des Buches) den höchsten Preis zahlten und weiterhin zahlen.

Sagen, was ist

Emran Feroz’ Buch ist ein starker Text, der noch dadurch gewinnt, dass er sich so weit wie möglich einer Metaebene enthält und dass er Geschichte und Gegenwart sowie seine direkten Erfahrungen und die Berichte seiner Gesprächspartner sprechen lässt. Feroz, der mit offenen Augen durch das Land, seine Geschichte und die aktuellen Vorgänge geht, verzichtet auf die Klassifizierung und Othering des Gegners. Er schildert die Taliban als real-existierenden Bestandteil der afghanischen Gesamtlage.

Seine Absicht sei vor allem gewesen, „die afghanische Sichtweise der Dinge deutlich zu machen“. Er wollte einige Märchen und Falschaussagen „rund um den Afghanistan-Krieg“ dekonstruieren. Afghanistan dürfe „nicht zur Projektionsfläche für den eigenen Eurozentrismus“ werden. Wegen einer Vorprägung „durch die mediale Berichterstattung“ gleiche sein Vorhaben „auch einer Zurückeroberung dieser ganz anderen Sichtweise auf den Krieg in Afghanistan“.

Für ihn sei die eigene Herkunft kein Hindernis, sondern habe vielmehr „eine wichtige, konstruktive Rolle“ gespielt. Denn sein Zugang unterscheide sich grundsätzlich von dem der meisten Kolleg:innen aus dem Westen. Meist sei er, so Emran Feroz, in einfachen Taxis unterwegs gewesen, „und nicht mit kugelsicheren SUVs und bewaffneten Sicherheitspersonal“. Das Buch ist nicht von der Warte des „eingebetteten“ Journalisten geschrieben, sondern profitiert von direkten Eindrücken vor Ort und von Gesprächen mit allen Beteiligten – von Vertretern der Zivilgesellschaft, über korrupte Politiker bis hin zu Repräsentanten der Taliban.

So wie Feroz die Geschichte des unendlich scheinenden Krieges in Afghanistan schreibt, so lässt er auch seine Biografie anklingen an Stellen wie: „Ab dem 12. September 2001 war ich in der Schule plötzlich ‘der Afghane’, mit dem selbst die Türken, Bosniaken oder Serben nichts anfangen konnten.“ Obwohl es notwendigerweise um die Afghanen und ihr Land geht, zeichnet Emran Feroz gleichermaßen die globalen Dimensionen des Anti-Terror-Krieges, den weltweiten Verlust von Bürgerrechten sowie die Militarisierung von Islamkritik. Und „Der längste Krieg“ – auch das ist wichtig – ist eine kritische Obduktion der deutschen Berichterstattung und Debatte. Das ist nicht nur ein theoretisches Spiel, denn beinahe alle Menschen beziehen ihr Wissen (oder Nichtwissen) von Afghanistan über die mediale Vermittlung. „Die westliche Kriegsberichterstattung hat mich meist frustriert (…). Oftmals war sie geprägt von Unwissen oder rassistischen und orientalistischen Stereotypen.“ Allein schon von „den Afghanen“ zu sprechen, offenbare große Ignoranz, denn die verschiedenen Gruppen, die auf dem Boden des heutigen Afghanistan leben, seien überaus heterogen.

„Am 7. Oktober 2001 begann der längste Krieg der amerikanischen Geschichte. Zum damaligen Zeitpunkt wusste das natürlich noch niemand“, beginnt Feroz seine Beschreibung des blutigen Konflikts. Um die folgenden Ereignisse der letzten 20 Jahre zu begreifen, muss man allerdings die Vorgeschichte kennen. Und diesen Dienst leistet der Autor mit seiner präzisen Erzählung, die durch Berichte und Erlebnisse damaliger Zeitgenossen unterfüttert wird.

Genauso wichtig wie die nüchterne Darstellung eines blutigen Krieges ist, deren Opfer noch nicht einmal gänzlich bekannt sind, ist der Perspektivwechsel, zudem uns Emran Feroz zwingt. Denn häufig werde versucht, die Gewalt dieses Konfliktes zu „afghanisieren“. So entstehe ein Bild, wonach der Westen mit all dem nichts zu tun hätte. „Wir wollen doch nur helfen, doch die Barbaren zerfleischen sich untereinander.“ Dieses Narrativ, so der Autor, werde konsequent durchgedrückt und immer wieder neu aufgerollt. „Die Opfer westlicher Gewalt werden stets als Kollateralschäden dargestellt, die man eigentlich nicht töten wollte.“

Friedhof der Afghanen

Ein anderer Topos, der nach dem rapiden Durchmarsch der Taliban erneut die Runde in Redaktionen macht, ist das Schlagwort vom „Friedhof der Supermächte“. Einerseits stimmt das „in gewisser Hinsicht“. Immerhin scheiterte nach den Briten und den Sowjets erneut eine Supermacht am Hindukusch. Andererseits seien es „in erster Linie“ jene Supermächte gewesen, die Afghanistan zum Friedhof der Afghanen gemacht hätten. „All die namenlosen Zivilisten, die in den letzten zwei Jahrzehnten getötet wurden, sind auch der Grund, warum die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten heute als Verlierer dastehen.“ Und diese Gewaltexzesse haben laut dem Autor einen „Rückstoß“ (oder Blowback) für die westlichen Militärmächte erzeugt. „Extremistische Akteure wie die Taliban sind ein großer Teil des Problems. Allerdings sind sie in erster Linie ein Symptom und nicht die Ursache.“

Es ist Emran Feroz zu danken, dass er allzu simple binäre Weltbilder nicht durchgehen lässt. Dies richtet sich vor allem an linke Kritiker des westlichen Engagements am Hindukusch, die gleichzeitig die Besetzung durch die Sowjets und ihren blutigen verherrlichen. „Im Laufe der zehnjährigen sowjetischen Besatzung wurden rund zwei Millionen Afghanen getötet, während zahlreiche weitere als Geflüchtete durch die verschiedensten Länder ziehen mussten.“ Das Buch macht deutlich, dass viele Dinge aus dieser Zeit weiterhin stark mit der Gegenwart verstrickt seien.

Was „Der längste Krieg“ interessant und relevant macht, sind jene Episoden und Entwicklungen, die es nicht in die heutigen Schlagzeilen schaffen. Dazu gehört die Erinnerung, wie der blutige Bürgerkrieg nach Ende der kommunistischen Episode den Boden für die Ankunft der Taliban bereitete. Eine andere, von Emran Feroz beschriebene Entscheidung, ist der Vorgang, durch den der erste Präsident Afghanistans im 21. Jahrhundert, Hamid Karzai, überhaupt an seine Position kam. „Der paschtunische Stammesführer mittleren Alters“ sei damals praktisch ein Niemand gewesen. „Doch er wusste, dass seine Zeit gekommen war.“ Was ihn von den anderen Gegnern der Taliban unterschieden habe, sei gewesen, dass er kein Krieger, sondern ein Diplomat und Politiker gewesen sei. Obwohl ihn Beobachter wie der Diplomat Norbert Holl als Figur mit „begrenztem Potenzial“ erlebt haben, wurde er dank seiner Verbindungen zu entscheidenden Akteuren in das spätere Amt gehievt.

„Der längste Krieg“ ist kein Buch über die politische Klasse des Afghanistans zwischen 2001 und 2021. Aber am Beispiel Karzais, der den ganzen Text hindurch immer wieder auftaucht, wird deutlich, wie ungeeignet sie im Laufe der letzten 20 Jahre war, die Mindestbedingungen für ein friedliches Land zu gewährleisten. Da die Warlords, ehemaligen Kommandeure der Mudschahidin sowie Drogenbarone die Innenpolitik der letzten 20 Jahre mitbestimmten, durch ihre Korruption schon alleine eine größere Entwicklung verunmöglichten und die Menschen von der Regierung entfremdeten, müssen auch sie beleuchtet werden.

Neben einer Darstellung der ideologischen Hintergründe des „War on Terror“ sowie einem Kapitel mit „Auszügen des Grauens“, in dem drastisch die Kriegsverbrechen der internationalen Allianz in Afghanistan beschrieben werden, bildet die Beschreibung der „sechs großen Vergehen des ‘War on Terror’ in Afghanistan“ den Kern des Buches. Gerade durch diese beiden letzten Abschnitte wird klar, dass sich die Menge der Opfer unter der afghanischen Zivilbevölkerung nicht einfach in der Logik einzelner, krimineller Soldaten erklären lassen. Vielmehr sind sie – hier bietet sich der häufig unpassende Vergleich mit Vietnam tatsächlich an – das Ergebnis eines bewussten Kalküls und dementsprechender operationeller und taktischer Vorgaben gewesen. Jüngst merkte selbst „Foreign Affairs“ an, dass das berühmte Schlagwort von „Hearts & Minds“ auch in Afghanistan nicht funktioniert habe.

Folter

Das erste „Vergehen“ der westlichen Mächte sei die Beförderung von Terror durch Folter gewesen. Feroz erzählt die Geschichte der Misshandlungen und ihres „Blowbacks“ anhand des berühmt-berüchtigten Stützpunktes Bagram. In dieser „Art afghanisches Guantanamo“ sei tagtäglich gefoltert worden. Die meisten Häftlinge in der bereits von den Sowjets errichteten Basis blieben namenlos und unbekannt. Entschädigungen für die Getöteten und Misshandelten wurden bisher nicht gezahlt. Bagram war aber nicht „nur“ Ort von Folter und Tod, sondern auch der Anstoß für Radikalisierung. Viele Opfer hätten sich „erst nach ihrer Freilassung“ extremistischen Gruppen angeschlossen.

Rassismus und Muslimfeindlichkeit

Als zweiten Punkt sieht Emran Feroz eine „Kreuzzügler-Kultur“ unter westlichen Truppen, Ideologen des Einsatzes und in den Medien. Das Narrativ von Gut gegen Böse sei ein Tabu im Westen und würde in den USA, in Europa und in Australien nur selten hinterfragt. Viele westliche Soldaten in Afghanistan hätten die Afghanen „nicht als Individuen“ gesehen, denen man auf gleicher Augenhöhe begegnen müsse, „sondern als Freiwild, das zum Abschuss freigegeben wurde“. Ein Beispiel dafür sei die Verherrlichung der Soldaten in der heutigen Popkultur.

Korruption und politisches Scheitern

Drittens beschreibt „Der längste Krieg“ den Komplex aus „Warlordismus“, Korruption und der „Lüge der Demokratie“. Es sei das Personal, das nach dem Einmarsch ab 2001 an die Macht kam, welches einen möglichen Rechtsstaat in Afghanistan „konsequent ausgehöhlt“ habe. Karzai und Konsorten hätten Korruption geduldet und gefördert. Außer den Familien im Umfeld der politischen Macht zählten die ehemaligen Warlords und Mudschahidin-Führer zu den größten Plünderern des jungen Staates. Von den vielen Geldkoffern, welche die neuen Herren nach Afghanistan brachten, hätten viele das Land auch wieder verlassen. „Im Schatten von Slums und Flüchtlingslagern“ in Kabul seien pompöse Villen und Hochhäuser entstanden. Milliarden Hilfsgelder für Witwen, Kinder und Bauern seien an die Profiteure der Regierung geflossen.

Gegen-Terror

Das vierte Vergehen des Westens in Afghanistan sei der Terror durch „CIA-Schergen“ gewesen. Im Laufe des Anti-Terror-Kriegs wurde dieser Gegen-Terror durch Medien und Experten als „Aufstandsbekämpfung“ beschönigt. Den Menschen im Westen sei immer wieder weisgemacht worden, dass die nötige Gewalt nur gegen Terroristen und nicht gegen Zivilisten gerichtet sei. Entgegen des herrschenden Narrativs von „präzisen“ Drohnen und Geheimoperation seien unzählige Menschen durch „Predator-Drohnen der Amerikaner“ gejagt und ermordet wurden. Bisher blieben diese Opfer sowohl namenlos als auch gesichtslos.

Verursachung von Flucht

Als vorletzten Kritikpunkt am westlichen Projekt in Afghanistan führt Emran Feroz die „Generierung von Fluchtwellen“ an. Am Beispiel 2015 macht der Autor deutlich, dass die Regierung allein durch die Ausstellung von Reisepässen Profite durch die Ausreisewilligen erzeugen wollte. Dank einer instabilen Regierung des nun geflohenen Präsidenten Ghani schufen Selbstmordangriffe der Taliban und Anschläge ein Klima der Angst, vor dem viele über die Grenze flohen. „2015 gehörte der Krieg in Afghanistan zu den tödlichsten Konflikten der Welt.“ Bereits an diesem Punkt hätten die NATO-Missionen all ihre Ziele verfehlt. Anhand eindrücklicher Beispiele beschreibt Emran Feroz, wie diese schon schwere Lage durch das langjährige Abschieberegime europäischer Staaten wie Deutschland und Österreich erschwert wurde. In diesem Thema sieht Feroz eine verhängnisvolle Verbindung von inhumaner Abschiebepraxis mit einer korrupten afghanischen Regierung.

Frauen

Und schließlich spricht Emran Feroz das schmerzhafte Kapitel der Lage von Frauen während des gesamten Krieges, unter den Taliban aber auch in unserer hiesigen Propaganda an. Für ihn ist die vorgebliche „Frauenbefreiung“ des westlichen Einsatzes eine „Mär“. Seit jeher gehöre dieses Thema „zu den wichtigsten Argumenten für Militärintervention am Hindukusch“. Ein Topos, an dem sich bereits das imperiale Großbritannien versucht habe. Dabei werde meist unterschlagen, „dass es den westlichen Mächten in Afghanistan nie um die afghanische Frau ging“. Es seien vor allem Afghanen selbst gewesen, die positive Errungenschaften in Gang gebracht hätten – „ohne westliche Hilfe“. Vielmehr hätte der Westen in den letzten zwei Jahrzehnten Strukturen gefördert, die zutiefst frauenfeindlich seien. Sie stünden echten progressiven Projekten aufgrund ihrer Korruption und Machtgier im Weg. „Die Kabuler Regierung und ihre westlichen Verbündeten schrieben sich zwar die Rechte der Frau auf die Fahne, allerdings traten sie diese meist mit Füßen.“

„Alle Beteiligten sollten wissen“, schreibt Emran Feroz im Schlusskapitel, „dass der Krieg am Hindukusch nur mit Worten und nicht mit Waffen gelöst werden kann.“ Diese neue Geschichte des modernen Afghanistankrieges ist ein hartes und manchmal drastisches Buch. Aber es ist auch Aufklärung im echten Sinne des Wortes, die mit Verzerrungen, Missverständnissen und krassen Fehlern aufräumt. Als solches gehört es in die Hand eines jeden, der diesen „längsten Krieg“ verstehen will. Es ist darüber hinaus auch die Frucht einer jahrelangen Beschäftigung durch Emran Feroz mit Afghanistan und seinen Menschen, wie sie nur die wenigsten seiner Kollegen in den „Qualitätsmedien“ fertigbringen.

Und, es gibt Momente der Hoffnung: „Während der Feiertage des islamischen Opferfests fanden in den letzten Jahren stets Waffenstillstände zwischen den Kriegsparteien statt.“ Warum nicht immer Opferfest, fragt Emran Feroz Taliban-Kämpfer und -Unterhändler gleichermaßen.

Emran Feroz, Der längste Krieg, Westend Verlag Berlin, August 2021, broschiert (auch eBook und Audio-CD), 176 Seiten, ISBN 978-3864893285, Preis: EUR 18.–

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Woran ist man gescheitert? Zur Niederlage des Westens am Hindukusch

Die Entscheidung von Präsident Biden, die US-Truppen endlich aus Afghanistan abzuziehen, war richtig und sicherlich überfällig. Die mangelnde Vorbereitung auf einen geordneten und sicheren Abzug war jedoch ein weiterer schrecklicher […]

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Hintergründe zu den geopolitischen Folgen des Machtwechsels in Afghanistan

Frieden

Der Westen ist auf dem ersten Blick der große Verlierer des Machtwechsels in Kabul. Die Taliban dürften aber an Hilfen und Waren interessiert sein. Während China und die Türkei auf mehr Einfluss hoffen, ist die Lage für Indien äußerst knifflig. Von dpa-Korrespondenten

Berlin (dpa). Der Umsturz in Afghanistan kam plötzlich, seine Folgen für die Menschen vor Ort sind dramatisch. Außenpolitisch wird sich für viele Staaten nach den hektischen Rettungsaktionen dieser Tage die Frage stellen: Wie weiter mit diesem Land, in dem nun eine militante Gruppe über die Lebenswirklichkeit von Millionen Menschen entscheidet? Ist Kooperation möglich oder ist die Isolierung Afghanistans im globalen Konzert der Mächte angesagt? Während die USA erstmal schnell weg wollen vom Hindukusch, sinnen China und die Türkei auf mehr Einfluss in der Region. Für Indien könnte sich der Machtwechsel derweil zu einem herben Schlag für die globalen Einflussmöglichkeiten erweisen. Ein Überblick über die Interessen der einflussreichsten Mächte:

USA

Die Vereinigten Staaten sind derzeit mit ihrer Evakuierungsmission und mit der Debatte über das Scheitern des Einsatzes beschäftigt. Weitere Pläne zum künftigen Umgang mit dem neuen Taliban-Regime werden derzeit noch nicht öffentlich diskutiert. Der Sprecher des US-Außenministeriums sagte, man stehe im Kontakt mit anderen Regierungen, um sich über ein weiteres Vorgehen in der sich entwickelnden Lage abzustimmen.

US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, sich weiterhin „für die Grundrechte des afghanischen Volkes“ einzusetzen, insbesondere erwähnte er die Rechte der Frauen und Mädchen. Offen ließ er, wie das Engagement der USA – die bei den neuen Machthabern in Kabul keinen Einfluss mehr haben – konkret aussehen soll.

Russland

In Russland sind die Taliban zwar als Terrororganisation verboten. Trotzdem gab es zuletzt auch in Moskau offizielle Verhandlungen mit Vertretern der militanten Gruppierung. Außenminister Sergej Lawrow sagte, dass mit den politischen Kräften der Taliban, aber nicht mit Terroristen gesprochen werde. Ob Russland die neue Führung in Kabul anerkennt, ließ er offen. Der russische Botschafter in Kabul, Dmitri Schirnow, traf sich in dieser Woche mit Taliban-Vertretern und sprach von konstruktiven Gesprächen. Die Botschaft arbeitet weiter.

Russland agiert allerdings auch im Rückblick auf seinen 20-jährigen Afghanistan-Krieg zu Sowjetzeiten abwartend. Moskau sichert vor allem den um ihre Sicherheit besorgten zentralasiatischen Staaten – allen voran Tadschikistan und Usbekistan – Unterstützung zu. In Tadschikistan beteiligte sich Russland in diesem Sommer auch an Manövern zur Abwehr eines möglichen Einmarsches der Taliban. Verhindern will Russland außerdem, dass die USA nun in Zentralasien Militärstützpunkte errichten. Moskau sieht die Region auch 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion als sein Einflussgebiet.

China

Peking sucht Stabilität in Afghanistan und will vermeiden, dass das Nachbarland ein Nährboden für Terrorismus wird. Es fürchtet sonst negative Auswirkungen auf die angrenzende, muslimisch besiedelte Region Xinjiang in Nordwestchina oder Projekte seiner Infrastruktur-Initiative der „Neuen Seidenstraße“ in Zentralasien oder auch Pakistan. So hatte sich Peking schon mit den Taliban arrangiert, noch bevor sie in Kabul die Macht übernommen haben.

Um frühzeitig Pflöcke einzuschlagen, bereitete Außenminister Wang Yi einer ranghohen Taliban-Delegation am 28. Juli in Tianjin einen großen Empfang und wertete die Gotteskrieger international diplomatisch auf. China werde sich nicht in Afghanistan einmischen, versprach Wang Yi. Aber die Taliban müssten „klar“ mit allen terroristischen Gruppen und auch Separatisten brechen, die in Xinjiang für eine Unabhängigkeit des früheren Ostturkestans kämpften.

Taliban-Mitbegründer Mullah Abdul Ghani Baradar nannte China einen „vertrauenswürdigen Freund“. Er hoffe, dass China beim Wiederaufbau in Afghanistan eine wichtige Rolle spielen könne. Anders als die USA und Russland kann China in Afghanistan als Mitspieler ohne belastende kriegerische Vergangenheit auftreten. Als finanzstarke Regionalmacht, ständiges Mitglied mit Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat, Freund der Russen und Rivale der USA könnte China für die Taliban ein wichtiger Kooperationspartner werden – der ihnen auch kein anderes politisches System aufzwingen will.

Iran

Die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi ist noch unsicher, ob sie sich über den Machtwechsel im Nachbarland freuen soll oder nicht. Zwar ist der Erzfeind USA vorerst weg aus der Nachbarschaft, aber die Taliban als Nachfolger wollte man auch nicht unbedingt. Raisi hofft auf eine nationale Einigung im Rahmen interner Verhandlungen zwischen den afghanischen Gruppen, um so die Zusammenarbeit weiterzuführen. Für Beobachter mehr Wunschdenken als strategische Überlegung.

Für viele im Iran sind die Taliban immer noch radikale Sunniten, für die der schiitische Iran ein religiöser Erzfeind ist und bleiben wird. Auch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit ist angesichts der chaotischen Zustände in Afghanistan zumindest kurzfristig unrealistisch. Sorge gibt es vor einer Flüchtlingswelle wie 1979 nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan. Eine solche könnte der Iran derzeit wegen der akuten Wirtschaftskrise und der Corona-Pandemie kaum verkraften.

Indien

Wie die Regierung in Neu Delhi künftig zu einer Taliban-Regierung stehen wird, ist derzeit unklar. Bislang hatte das Land gute Beziehungen zu Afghanistan, in den vergangenen 20 Jahren wurden rund drei Milliarden Dollar in Entwicklungshilfeprojekte investiert. Diese großen Investitionen in die alte Regierung dürften nun gefährdet sein. Chinas Erzfeind Pakistan, in dem ebenfalls Taliban aktiv sind, dürfte hingegen eine stärkere Rolle in Afghanistan bekommen – was wiederum die Terrorgefahr in der indisch-pakistanischen Grenzregion Kaschmir erhöhen könnte.

Indien hat auch mit seinem anderen Nachbarland China angespannte Beziehungen – und da auch die Volksrepublik künftig eine größere Rolle in Afghanistan spielen dürfte, steht es um die geopolitische Lage Indiens in Südasien nun eher schlecht.

Türkei

Ankara schlägt nicht erst seit der Machtübernahme Taliban-freundliche Töne an. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte bereits wiederholt seine Bereitschaft, Taliban-Anführer in Ankara zu empfangen. Man habe nichts gegen den Glauben der Taliban, sagte Erdogan der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge. Man stehe Afghanistan in guten und in schlechten Zeiten bei.

Vor der Machtübernahme der Taliban wurde vielfach diskutiert, inwiefern die Türkei nach dem Ende der Nato-Mission weiterhin den internationalen Flughafen sichern könnte. Ankara zeigte und zeigt sich dazu bereit. Analysten bewerteten das als Versuch des außenpolitisch weitgehend isolierten Landes, die Beziehungen zu den USA und anderen Ländern zu verbessern und den Einfluss in der Region auszubauen. Wie das Land dieses Interesse unter den neuen Umständen zu verwirklichen versuchen könnte, ist derzeit noch offen.

Über den Iran kommen seit Jahren viele geflüchtete Menschen aus Afghanistan in die Türkei. In der Bevölkerung haben die Nachrichten aus Afghanistan in den vergangenen Wochen häufig flüchtlingsfeindliche Rhetorik provoziert. Die Opposition im Land nutzt das Thema, um Stimmung gegen Erdogan zu machen.