Mord aus Hass in Chapel Hill

(iz). Die Tötung der drei muslimischen Studenten aus North Carolina hat weltweit hohe Wellen geschlagen. Von dem Mörder ist bekannt, dass er leidenschaftlicher „Anti-theist“ ist, in Besitz von mindestens zwölf Waffen war und sich dem ermordeten Paar mehrfach aggressiv offenbart hatte. Dass doch „nur“ ein Parkplatzstreit und kein antimuslimischer Rassismus der Tat zugrunde liegt, wurde von den Familien auf Grund mehrerer Indizien vehement zurückgewiesen.
Durch den Aufschrei der sozialen Medien wurde dem Ereignis wenig später mehr Aufmerksamkeit geschenkt – man schrieb dennoch nur vorsichtig über Islamfeindlichkeit als Tatmotiv. Die taz etwa schlug in einem Kommentar vor, nicht jeden Mord mit muslimischen Opfern unmittelbar als islamfeindlich einzuordnen, denn journalistische Sorgfalt bedeute, dass alle Tatmotive zunächst der Überprüfung bedürfen.
Ja, stimmt. Schade nur – wie der Autor gleichfalls gesteht –, dass diese Maxime nicht für alle Täter und Opfer gilt, und dass journalistische Sorgfalt oft genug von zweckmäßiger Medienpolitik überrannt wird. Zwei Tage später piept mein Handy und ich erhalte als Eilmeldung der „Zeit“ die Nachricht, dass in Kopenhagen ein „islamistischer Anschlag“ in Zusammenhang mit „Mohammed-Karikaturen“ verübt worden ist. Da erscheint es doch legitim zu fragen, weshalb Kopenhagen eine piepende Eilmeldung wert ist, Chapel Hill aber nicht. (Und nicht nur Chapel Hill)
Die Auftritte der Familien der Mordopfer lassen aber keinen Raum für Mahnungen, emotionale Entrüstungen oder Rachegelüsten. In vielen amerikanischen Nachrichtensendern kommen Familienmitglieder zu Wort. Es ist sehr eindrucksvoll, wie überlegt und würdevoll die Väter und Geschwister der drei getöteten Studenten mit der Presse sprechen – und zu uns. Sie wirken fast schon ruhig, wenn etwa der Vater von Yusor und Razan an den Mörder Craig Hicks appelliert, er hoffe, Hicks könne nun, nach Hinrichtung seiner Kinder, nachdenken und sich die Verstorbenen vergegenwärtigen. Vielleicht habe er dadurch eine Chance, Erlösung zu erfahren. Keinerlei Spur von Hass lassen die Väter verspüren. Sie sind zwar tief verletzt, aber besonnen und gottergeben.
Dass Allah uns nur das aufbürdet, was wir tragen können, spüren wir in unserem eigenen Leben und sehen es an eben solchen Beispielen; an einem Vater, der das Totengebet für seine zwei ermordeten Töchter leitet, und wenige Stunden nach dem Massaker mit der Presse spricht, weil er nicht nur die Verstorbenen, sondern auch ihre Überzeugungen und ihren Glauben, wegen der sie ermordet wurden, in Ehren halten will. Und an einem Bruder, der fast lächelnd eine Friedensbotschaft in die Welt hinausschickt: man solle dieses traurige Ereignis dazu nutzen, gemeinsam gegen Hass anzukämpfen. Deshalb, und nicht um zu polarisieren, muss man das Verbrechen beim Namen nennen.
Auch die Schwester von Deah Barakat fordert das. In ihrer Stimme liegen Zorn und Verwundung, aber auch sie spricht bedacht und klug, als sie während ihres Fernsehauftritts bei MSNBC eine Ursachenbekämpfung verlangt, weil antimuslimische Übergriffe längst keine Einzelfälle, sondern Ausdruck einer allgemeinen Stimmungsmache im Land sind. Ihr Selbstverständnis als Amerikanerin ist, und das ist entscheidend, nicht zu überhören. Trotz der Tragik der Ereignisse und ihr Spaltungspotential lassen die Familien keine Schwarz-Weiß-Malerei zu und ziehen keine Grenzen zwischen ihnen und „den anderen“.
Dem Mörder der „drei Gewinner“, wie Razan, Deah und Yusor in den sozialen Medien betitelt werden, wurde ein Strich durch die Rechnung gemacht. Wenn er Leben beenden, Unheil stiften oder Menschen brechen wollte, dann hat er sich geirrt.
Vergeblich werden die islamfeindlich gesinnten Köpfe die ungebildeten, gewaltbereiten, patriarchalischen Muslime in dieser Geschichte suchen. Stattdessen offenbaren sich ihnen typisch amerikanische Familien, eloquente Akademiker und praktizierende Muslime, die ihre Standhaftigkeit auf ihren Glauben zurückführen und Hass nicht mit Hass erwidern wollen.
Möge Allah den Familien viel Kraft geben und möge Er Deah, Yusor und Razan und all jene als Märtyrer annehmen, die Gewalt und Unterdrückung zum Opfer fallen – von den meisten lesen und hören wir nichts.