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Uns wurden zwei Dinge hinterlassen

Ausgabe 252

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(iz). Es ist wahr: Dieser Din kommt aus einer Quelle, wie jeder Din, der zuvor kam. Und wie bei jedem vorherigen geschah dies durch einen einzigen Vermittler; einem Gesandten – von der Quelle zur Schöpfung. Der Gesandte ist der einzige Zugangspunkt für seine Gemeinschaft. Es gibt keinen anderen Weg, den Schöpfer zu erkennen. Die gesamte Angelegenheit findet sich in seinen Lehren und seiner Rechtleitung. Allah sagt im Qur’an: „Und Wir haben keinen Gesandten gesandt, ohne dass ihm – mit Allahs Erlaubnis – gehorcht werde.“ (An-Nisa, 64)
Allah sagt im Qur’an: „Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch.“ (Al-Haschr, 7) Was uns der Gesandte ­Allahs brachte, wird Sunna genannt. Hier besteht ein Missverständnis in Hinblick darauf, was dieses Wort bedeutet, denn es wird in unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt. Daher wird hier eine Klarstellung fällig. Wir reden nicht über die Sunna, die eine Kategorie der Rechtsurteile ist. Wir reden nicht nur über zusätzliche Gebete oder das Fasten am Montag, die Rezitation bestimmter Gebete oder das sich Kleiden auf eine bestimmte Art und Weise.
Es geht hier um die Sunna in ihrem vollkommensten Sinne als die volle Lebenspraxis des Gesandten Allahs: seine Worte, Handlungen und Zustände. Alles, was er sagte, seine gesamten Handlungen und was er guthieß, wenn es in seiner Gegenwart geschah. Die gesamte anerkannte Praxis der erleuchteten Stadt, die er schuf und die er zu seiner Heimat machte. Das Modell Medina. Durch den Grad, in dem eine Gruppe von Muslimen an der Sunna festhält, wird ihre Gesundheit bestimmt. Je mehr die Lebensführung in Übereinstimmung mit ihr geschieht, desto erfolgreicher ist ihre Position. Die Sunna ist ein Schild und ein Schutz gegen die Feinde Allahs und ihre Umtriebe.
Heute haben zu viele einen Teil der prophetischen Lebenspraxis beiseite gelegt. Sie betrachten diese als bloße kulturelle Praktiken, die für das Leben unserer heutigen Gesellschaft unbedeutend sind. Ihrer Meinung nach leben wir in anderen Zeiten und unter anderen Umständen. Wir sollten unseren Din vorrangig auf dem Zeitlosen stützen, namentlich dem Buch Allahs. Sagt Allah nicht, so ihr Argument, „Gewiss, Allahs Rechtleitung ist die (wahre) Rechtleitung“ (Al-An’am, 71), warum bräuchte es überhaupt eine Sunna? Auf der Oberfläche scheint diese Aussage unbestreitbar und wahr zu sein. Sie ist aber in Wirklichkeit bis ins Extrem hintertrieben.
Natürlich enthält der Qur’an die Gesamtheit der Angelegenheiten. Allah sagt darin: „Wir haben im Buch nichts vernachlässigt.“ (Al-An’am, 38) Aber viele seiner Bedeutungen und Geheimnisse sind verschlossen und benötigen den Schlüssel der Sunna, um sie zu eröffnen. Ohne diesen bleiben wir verloren in der Kälte zurück. Wir haben keine Mittel, die Mutaschabihat (die ambivalenten Verse) von den Muhkamat (den eindeutigen Urteilen) zur unterscheiden. Das Gleiche gilt für den Unterschied von Nasikh (aufhebende Verse) und Mansukh (aufgehobene Verse) sowie die Differenz zwischen ‘Amm (das Allgemeine) und Khass (das Spezielle).
Der Gesandte Allahs sagte nicht, dass nur eine Sache unseren Verbleib unter den Rechtgeleiteten garantieren wird, sondern: „Ich hinterlasse euch zwei Dinge, mit denen ihr niemals in die Enge gehen werdet – das Buch Allahs und meine Sunna.“ Nur diejenigen, die die prophetische Lebensweise kennen, können einen Anspruch auf Kenntnis vom Qur’an behaupten. ‘Umar ibn Al-Khattab schrieb bekanntermaßen an seine Gouverneure: „Leute werden versuchen, mit euch zu streiten [das heißt, indem sie den Qur’an benutzen]. Ihr müsst sie mit der Sunna überwinden. Die Leute der Sunna haben das größte Wissen vom Buche Allahs.“
Zur Sunna gehören nicht nur die Worte und Handlungen des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Dazu gehören auch die Worte und Handlungen derjenigen, die mit ihm lebten und ihn alltäglich beobachteten. Sie folgten und gehorchten ihm bedingungslos. Damit sind seine Gefährten gemeint. Der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sagte: „Meine Gefährten sind wie Sterne. Egal, wem ihr folgt, ihr werdet rechtgeleitet sein.“ Ihre Handlungen waren die Handlungen des Gesandten Allahs, Allahs Segen und Frieden auf ihm.
Das galt insbesondere für die Rechtgeleiteten Kalifen. Daher haben die Praktiken, die Abu Bakr, ‘Umar, ‘Uthman und ‘Ali einrichteten, das gleiche Gewicht, wie jene, die vom Propheten kamen. ‘Umar ibn ‘Abdul-’Aziz sagte: „Der Gesandte Allahs machte eine Sunna und die befehlshabenden Leute nach ihm machten Sunna. Sie anzunehmen ist eine Bestätigung von Allahs Buch. Nach ihr zu handeln ist Gehorsam gegenüber Allah und die Stärkung Seines Dins.“ Die Sunna ist klar und in den Büchern des Rechts bewahrt. Jede Regelung ist ein Teil der Sunna. Ihre Abschaffung oder Änderung ist Widerstand gegen die Sunna. Wir können uns die Dinge nicht willkürlich herauspicken. Andernfalls wäre dies bloß ein Name ohne Wirklichkeit.
Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, sagte: „Wer mir folgt, gehört zu mir. Wer meine Sunna gering schätzt, gehört nicht zu mir.“ Deshalb hat eine solche Person, die der Sunna folgen wollte, ihre alte Gemeinschaft verlassen und sich derjenigen angeschlossen, mit der Allah zufrieden ist.
Der Prophet sagte: „Keiner von euch soll zu denjenigen gehören, die auf ihrem Bett ruhen und sagen, wenn sie von etwas hören, das ich erlaubt oder verboten habe: ‘Das kenne ich nicht. Wir folgen nur dem, was wir im Buche Allahs finden.’„ Sogar direkt nach ihm gab es Leute, die seine Lebenspraxis herabsetzen wollten. Gleichzeitig wollten sie eine Blankovollmacht, den Qur’an nach ihren eigenen Launen und Leidenschaften auszulegen. Es waren diese Leute während der Zeit der großen Fitna, welche die erste große Spaltung verursachten. Und es sind diese Leute, die uns heute schwächen. Sie behaupten, die Sunna, das seien bloße Richtschnüre, keine spezifischen Regeln. Sie sehen Stärke und Macht, wo es keine gibt. Sie blicken ehrfurchtsvoll auf den Erfolg ihrer Feinde und das System, welches ihnen diesen brachte.
Das Vorbild, das wir vom Gesandten Allahs und seinen Gefährten haben, ist zeitlos. Es dringt durch alle kulturellen Differenzen ins Herz dessen, was es heißt, ein Mensch zu sein. Denn es beruht nicht auf Technik oder Ideologie, sondern auf ehrenhaften, gläubigen Leuten sowie ihren Transaktionen und ihrem Handeln mit ihrem Herrn, ihrer Welt, ihrer Umgebung und untereinander. Dies sind Menschen, welche durch die Rechtleitung des Gesandten Allahs die wesentliche Essenz ihres natürlichen Schöpfungszustands umarmen.
Wir müssen Allah und Seinem Gesandten folgen und seine Sunna wiederbeleben. Der Schlüssel liegt in der Wiederrichtung des medinensischen Modells. Daraus folgt keine weltweite Monokultur oder gar Anti-Kultur. Dies impliziert nicht, dass wir alle Araber werden müssten oder ihre Bräuche und Kleidung übernehmen. Das ist ein Missverständnis des Islam auf grundlegender Ebene. Der Islam bestätigt einige kulturelle Praktiken und weist andere zurück. Wir müssen uns nur die Welt anschauen, um diese Wahrheit zu erkennen – der pakistanische Muslim unterscheidet sich vom westafrikanischen, der malaysische vom arabischen. Sie haben viel gemeinsam, aber auch Unterschiede. Es braucht Leute, welche die Dinge durch die Linse von Allahs Din betrachten. Das ist die wesentliche Eigenschaft der Gemeinschaft Medinas und eine, die uns heute fehlt.