,

Von Schwierigkeiten im gemeinsamen Gespräch

Ausgabe 256

Foto: publicdomainpictures.net

(iz). Es ist wohl nur wenigen bewusst, in welchem Ausmaß das Gespräch konfliktreich ist; und wie viel Gelassenheit man erwerben muss, um die Begegnung lebenslang zu bewahren. Dies gilt nicht allein für Gläubige unterschiedlicher ­Bekenntnisse, sondern ebenso für Muslime untereinander. Manche Gesprächssituation erinnert daran, was Mustafa Yeneroglu deutlich machte, als er an die jüngere Geschichte erinnerte. Womit er einen Grundkonflikt jeglichen Dialoges in diesem Land bewusst machte: den Konflikt der Gedächtnisse. Ein Aspekt des Konfliktes der Gedächtnisse ist, dass wir in Westeuropa Gedächtnislücken haben, die unsere ­Gesprächspartner nicht haben.
Dazu gehören die Differenzen der Höflichkeitssysteme, die Diplomaten in der Ausbildung erlernen. Es sind aber nicht allein die verschiedenen Formen der Begrüßung und der Art und Weise, wie man ein Gespräch führt, und was man nicht erwähnen sollte; es sind auch solche der Ausdrucksweise.
Doch welches Ausmaß an Beleidigung darf man dem Anderen zumuten? Viele Journalisten und andere scheinen dafür kaum Gespür zu haben, wie die Schlagzeilen demonstrieren. Selbst nach über 40 Jahren der Kommunikation muss ich mich manches Mal zusammenreißen, um die Diskussion nicht abbrechen zu lassen.
Dabei machen alle Minderheiten im Gespräch mit der Mehrheit die Erfahrung, dass sie begründen müssen, warum sie nicht Mehrheit sein wollen. Die Mehrheit fragt eben nicht, warum sie ihren Standpunkt hat, vielmehr, aus welchem Grunde das Anderssein des Gegenübers ihre Sichtweise nicht akzeptiert.
Solche Ansichten verdecken die Vielfalt in jeder Gesellschaft. Es geht hier um die für uns Europäer charakteristische Frage des Entweder-Oder. Das islamische Denken kannte hingegen die Ambiguität; das heißt, die Berechtigung, mehrere Optionen als mögliche zu denken und leben zu lassen, worauf  Thomas Bauer hinwies. Erst die koloniale Bildungspolitik erzwang das eindimensionale Denken, das sich an der Logik der erfolgreichen Natur-und Ingenieurwissenschaften orientierte.
So wie nicht jeder christliche Begriff eins zu eins übertragen werden kann, so gibt es islamische Begriffe, für die es kein entsprechendes Wort in europäischen Sprachen gibt. Dennoch über­setzten Nichtmuslime jeglichen Begriff, der im Alltagsgespräch anschließend „gegen“ den Muslim verwandt wird. Hier gilt es Widerspruch zu erheben und die Achtung des Anderen vom Gesprächspartner zu verlangen, was häufig auf Ablehnung stößt. Solange Muslime nicht ­widersprechen, um das Eigene zu bewahren, werden sie entweder zu christlichen oder zu ­säkularisierten Mozarabern.