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900.000 Syrer auf der Flucht

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Im Kampf um Syriens letzte Rebellenhochburg Idlib wird die humanitäre Not immer dramatischer. Zudem wachsen die Spannungen zwischen Syrien und der Türkei. Machthaber Baschar al-Assad gibt sich siegessicher.
Damaskus (dpa). Syriens Machthaber Baschar al-Assad zeigt sich von türkischen Drohungen mit Vergeltungsangriffen unbeeindruckt und will die Offensive auf die letzte große Rebellenhochburg Idlib fortsetzen. Der Kampf werde „ungeachtet der leeren Worthülsen aus dem Norden“ weitergehen, sagte Assad in einer ausgestrahlten Ansprache im syrischen Staatsfernsehen.
Zugleich wird die humanitäre Not durch die Regierungsoffensive immer größer. Nach UN-Angaben sind mittlerweile 900 000 Menschen vor den Assad-Truppen und der Gewalt auf der Flucht, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.
Die Krise im Nordwesten Syriens habe ein „entsetzliches neues Niveau“ erreicht, erklärte UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock. Die Menschen seien traumatisiert und gezwungen, bei eisigen Temperaturen draußen zu schlafen, weil die Lager voll seien. Babys und kleine Kinder seien wegen der Kälte gestorben, sagte er weiter. Die Gewalt treffe wahllos auch Gesundheitseinrichtungen, Schulen, Wohngebiete und Märkte.
Die Region um die Stadt Idlib ist Syriens letzte große Rebellengebiet. Assads Truppen hatten im vergangenen Jahr eine Offensive auf die Region begonnen. Unterstützt von Russland setzen sie die Angriffe trotz einer Waffenruhe fort. Damaskus und Moskau argumentieren, sie bekämpften Terroristen. Dominiert wird das Gebiet von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Dort kämpfen aber auch gemäßigtere Regierungsgegner. Syriens Führung bezeichnet generell aber alle Rebellen als Terroristen.
Die syrische Armeeführung verkündete am Montag weitere Geländegewinne. Sie nahm nach eigenen Angaben Dutzende Orte westlich der Großstadt Aleppo ein und kontrolliert nun wieder den größten Teil der an Idlib angrenzenden Provinz Aleppo. Rettungshelfer meldeten, bei Luftangriffen seien zwei Kliniken getroffen worden und nun außer Betrieb. Ein Sprecher der Rettungsorganisation Weißhelme machte für die Bombardierungen Syriens Verbündeten Russland verantwortlich.
Assad kündigte an, die Armee werde ganz Syrien von „Terror“ und „Feinden“ befreien. Die jüngsten Erfolge bedeuteten nicht das Ende des Krieges: „Wir haben ihre Nasen als Vorspiel für den vollständigen Sieg in den Boden gedrückt.“ Assad hatte schon früher erklärt, seine Truppen würden erst stoppen, wenn sie ganz Syrien eingenommen hätten.
Zwischen syrischen Regierungsanhängern und Truppen des nördlichen Nachbarns Türkei war es zuletzt zu starken Spannungen gekommen. Die Türkei unterstützt die syrischen Rebellen und hat selbst Soldaten in dem Bürgerkriegsland im Einsatz. Sie warf der syrischen Regierung vor, auf syrischem Gebiet ihr Militär beschossen und mehrere türkische Soldaten getötet zu haben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte deswegen mit Vergeltungsangriffen.
Helfer beklagen eine katastrophale humanitäre Lage. Es fehlt an Unterkünften, Nahrungsmitteln, Heizmaterial und medizinischer Versorgung. Viele Menschen schlafen trotz Wintertemperaturen in notdürftig errichteten Zelten aus Plastikplanen. In der Vergangenheit waren immer wieder Kliniken bombardiert worden. Regierungsgegner werfen Syrien und Russland vor, gezielt lebenswichtige Infrastruktur anzugreifen, um die Menschen zur Aufgabe zu zwingen.
Russland verteidigte seinen Einsatz an der Seite der syrischen Armee rund um Idlib als Kampf gegen Terroristen. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump Moskau zu mehr Zurückhaltung im Syrienkrieg aufgefordert. Russland sollte seine Unterstützung „für die Gräueltaten des Regimes“ beenden, erklärte das Weiße Haus.