AfD-Vorstoß zur Religionsfreiheit: Die Grenzen weiter einreißen

Ausgabe 281

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

(iz). In einem Gesetzesentwurf, den die Alternative für Deutschland (AfD) am 19.10. in den Bundestag einbringen wollte, hätten zukünftig Einschränkungen oder Aufhebungen der ungestörten Religionsausübung, die in § 4 GG gewährleistet wird, möglich werden sollen. Allerdings war dieser Vorstoß mit der großen Mehrheit der anderen Parteien bereits am 17.10. im Rechtsausschuss gescheitert. ­Erwartungsgemäß folgte die Mehrheit des Plenums dieser Ansicht zwei Tage später in der allgemeinen Debatte.
Wie der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner am 25. September, bei einer Vorstellung vor Medien erklärte, gehe es gar nicht um einen Eingriff in den Artikel 4. Jeder solle weiterhin glauben dürfen, was er wolle. Nur solle die äußere Praxis der Religion sanktioniert werden dürfen, wenn diese „offensichtlich gegen die freiheitlich demokratische Grund­ordnung“, die FDGO, verstoße. Das bisherige unbeschränkte Freiheitsrecht auf ungestörte Religionsausübung hätte zukünftig jenen ­vorbehalten sein sollen, „die den Staat als obersten weltlichen Normgeber“ anerkennen würden und sich dessen Werteordnung ­unterwürfen.
Konkret hätte das bedeutet, dass die sogenannte Alternative für Deutschland in den § 4 Abs. 2 des Grundgesetzes eine „Verwirkungsregelung“ implementiert. Diese nehme Bezug auf den § 18 GG, wonach die obersten Verfassungsrichter immaterielle und materielle Grundrechte aufheben können. Dass in der Aufstellung aufhebbarer Freiheitsrechte die Religionsausübung nicht aufgeführt ­werde, sei laut Brandner eine Lücke, die ­geschlossen werden müsse.
Kritische Juristen merkten an, dass es sich bei dem AfD-Vorschlag wegen seiner Nicht-Umsetzbarkeit um „reine Symbolpolitik“ handle. Seit 1949 hat es nach Angaben des Juristen Professor Helmut Aust nur vier Verfahren gegeben, die allesamt erfolglos ausgingen. Die AfD ließ auch unerwähnt, dass auch heute schon die Religionsausübung bei ausreichendem Anlass eingeschränkt werden kann.
Die Vorstöße der Partei sind nicht deshalb gefährlich, weil akut eine Änderung des GG und in Folge eine Einschränkung der Reli­gionsausübung drohen würde. Das ist auch gar nicht ihre Funktion. Vielmehr haben­ „Ideen“ wie diese oder die perfide Unterscheidung zwischen Pass- und Geltungsdeutscher die Funktion, bestimmte Diskurse – bei aller ­öffentlichen Gegenwehr – salonfähig zu ­machen.
Allein schon, dass die AfD – ob bei Widerspruch oder nicht – überhaupt solche offenkundigen verfassungsfeindlichen Sonder­gesetzgebungen einbringen kann, führt dazu, dass sie in das öffentliche Gedächtnis ein­dringen. Und haben sie es einmal beispielsweise auf die Tagesordnung von Talkshows (man müsse ja auch darüber sprechen…) geschafft, werden die Grenzüberschreitungen normalisiert. (sw)