Algerien: Weiterhin Millionen Menschen auf der Strasse

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Algier (dpa). Trotz der Reformversprechen des altersschwachen algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika gehen die Proteste in dem nordafrikanischen Land weiter. Einen Tag nach einer neuen schriftlichen Botschaft des Staatschefs zogen in der Hauptstadt Algier am Dienstag wieder Hunderte Menschen zu einer Demonstration auf die Straße. Sie forderten einen sofortigen Rücktritt der politischen Führung und warfen Bouteflika vor, den Willen des Volkes zu ignorieren. Das „korrupte Regime“ versuche auf Kosten des allgemeinen Interesses Zeit zu gewinnen, sagte ein Demonstrant.
Bouteflika hatte am Montagabend umfassende Verfassungsänderungen zugesagt, die durch ein Referendum gebilligt werden sollten. Der 82-Jährige machte jedoch trotz wochenlanger Proteste keine Anzeichen, die Macht abzugeben.
Letzten Freitag protestierten nach unterschiedlichen Angaben zwischen mehreren Zehntausend und mehreren Millionen Menschen in Algerien. Es war der vierte Freitag in Folge mit Massenprotesten im flächenmäßig größten afrikanischen Land. Erstmals hatten sich auch Sicherheitskräfte den Protesten angeschlossen, wie Videos zeigten. Die Vorsitzende der algerischen Arbeiterpartei, Louisa Hanoun, sprach von den größten Protesten seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1962.
Die Demonstrationen hatten Mitte Februar angefangen, als Präsident Bouteflika angekündigt hatte, für eine fünfte Amtszeit kandidieren zu wollen. Der 82-Jährige ist gesundheitlich schwer angeschlagen und sitzt seit einem Schlaganfall 2013 im Rollstuhl. Er regiert das öl- und gasreiche Land seit 20 Jahren, tritt aber kaum noch öffentlich auf.
Angesichts der Proteste hatte er Anfang vergangener Woche angekündigt, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten. Zudem tauschte er den Regierungschef aus, kündigte Reformen an und eine neue Verfassung. Die für den 18. April geplante Präsidentschaftswahl sagte er ab und verlängerte per Erlass damit seine Amtszeit auf unbestimmte Zeit. Viele Algerier sehen darin einen Verfassungsbruch und demonstrieren weiter.
Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Chaabane Rezzouk hat nach eigenen Angaben bereits in der vergangenen Woche Klage gegen Präsident Bouteflika beim Verfassungsgericht eingereicht. Der Präsident habe mit seinen Dekreten unrechtmäßig seine Amtszeit verlängert und Machtmissbrauch begangen, hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung.
Die Vorsitzende der algerischen Arbeiterpartei, Hanoun, forderte am Samstag ein „Ende der politischen Manöver“ und echte Reformen. Auch der Präsident der Gesellschaftsbewegung für den Frieden (MSP), Abderrazak Makri, forderte, dass die regierende Elite auf die Forderungen der Bevölkerung eingehen müsse. Viele sehen in Bouteflika nur die Marionette einer Elite aus Militärs, Politikern und Geschäftsleuten des Landes.
„Wir müssen sicherstellen, dass die Bewegung nicht in Gewalt abgleitet“, mahnte Oppositionsführer Makri. In den 1990er Jahren erlebte Algerien sein sogenanntes Schwarzes Jahrzehnt, einen blutigen Bürgerkrieg mit bis zu 200 000 Toten. Auslöser damals war die Annullierung von Wahlen, als sich ein Sieg der Islamisten abzeichnete.
Auch am Samstag und Sonntag gingen in vielen Orten Algeriens wieder verschiedene Gruppen wie Anwälte, Studenten und Rentner auf die Straße und setzten ihre Demonstrationen fort. In dem nordafrikanischen Land leben insgesamt rund 41 Millionen Menschen.