Anmerkungen zum Spektakel einer beschlossenen Sache. Von Abu Bakr Rieger

Ausgabe 202

(iz). Die Spannung war bei der Wahl selbst überschaubar. Der neue Bundespräsident ist nun Joachim Gauck. Nach dem Gastspiel von Wulff kommt nun ein Parteiloser und zudem ein guter Redner ins höchste Amt. Damit könnte Gauck durchaus eine, die Alltagspolitik überragende Rolle spielen.

Ein neuer Präsident kann nicht nur viele unbequeme Fragen stellen, sondern vermag eines Tages sogar Gesetze im Rahmen des EU-Rettungsschirms – Regeln, die nach Meinung vieler die Demokratie in Frage stellen – blockieren. Der Ruf des Präsidenten als unbestechliche Instanz, die sich auch aus seiner Ferne vom Lobbyismus begründet, könnte durch Joachim Gauck wiederhergestellt werden. Für den 72-jährigen gilt das Wort George Benard Shaws: „Man fürchte sich vor alten Herren, denn sie haben nichts mehr zu verlieren.“

Man sagt dem evangelischen Pfarrer nach, dass er ein großer Demokratielehrer sei (das Wort „Demokratie“ fällt heute so häufig, dass man vermuten könnte, sie sei bereits abhandengekommen). Keine Frage, Gauck wird zunächst die Gesellschaft immer wieder vor den Abgründen der Ideologien warnen, die jeder modernen Gesellschaft – zumindest als Möglichkeit – innewohnt. Die Festlegung der Deutschen auf den Anti-Rassismus ist eine der Selbstverständlichkeiten, für die man in Zeiten rechten Terrors doch immer wieder neu eintreten muss.

Damit dies aber nicht nur ein Lob der jetzigen Machtverhältnisse wird, wird Gauck bald auch seine Position zum globalen Kapitalismus klären müssen. Wie steht es mit dem Anspruch auf Freiheit, auf Gerechtigkeit? Was ist mit den Opfern dieser Zeit? Man denke nur an die zynische Spekulation unserer Geldhäuser mit Nahrungsmitteln, das Spiel mit dem Leben Dritter.

Die Muslime könnte Gauck leicht ansprechen und für sich gewinnen. Viele Immigranten dürften nach den Erfahrungen in ihren Heimatländern verstehen, was der Präsident über den Wert der Freiheit fühlt. Sein ­Vorgänger hatte schon einfachen „Heldenstatus“ mit einer simplen Formulierung über die Zugehörigkeit des Islam erlangt. Viele deutsche Muslime hören solche Bekenntnisse eher als eine Binsenweisheit. Aber, ein Präsident der an die Wahrung ihrer Rechte erinnert, ist willkommen.