Auf Grundlage des prophetischen Modells: Anmerkungen zur frühen Regierung in der muslimischen Umma. Von Aisha Abdurrahman Bewley

Ausgabe 247

Aisha Abdurrahman Bewley ist eine der produktivsten Übersetzerinnen vom klassischen Arabischen ins Englische unserer Zeit. Seit mehr als 35 Jahren bemüht sie sich darum, den Inhalt vieler klassischer Werke unter einer möglichst großen Leserschaft zu verbreiten. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, Schaikh Abdalhaqq Bewley, übersetzte sie die Bedeutungen des Qur’an in Englische („The Noble Qur’an, a New Rendering of its Meaning in English“). Zu ihren weiteren Arbeiten gehören „The Meaning of Man“ von Sidi ‘Ali Al-Dschamal, „Muhammad Messenger of Allah – ash-Shifa“ von Qadi ‘Ijad, Muhammad ibn Sa’ds „Kitab At-Tabaqat Al-Kabir“ u.v.a.m. Als Autorin veröffentlichte Bewley unter anderem „Mu’awiya – Restorer of the Muslim Faith“, „A Glossary of Islamic Terms“, „Islam: The Empowering of Women“ und „Muslim Women, a Biographical Dictionary“.

Ich würde gerne die Natur und die Entstehung der Umma und ihrer Regierung behandeln. Sie war zur Zeit ihres Entstehens ein vollkommen einzigartiges Gemeinwesen. Ihre Grundlage bildeten die Lehren von Allah und Seinem Gesandtem, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Dieser setzte sie um. Ausgearbeitet und mit Inhalten gefüllt wurde sie von Abu Bakr und ‘Umar nach ihm. Die vollkommene Brillanz ihrer Leistung wird heute häufig von Leuten übersehen, die sich lieber mit den großen Dynastien wie den ‘Abbasiden beschäftigen, die nach ihnen kamen.

Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, legte den Grundstein für die Regierung der ersten Gemeinschaft. Von ihm kamen die meisten ihrer politischen Institutionen, die später heranwuchsen und sich entwickelten. Diese haben ihre Wurzeln in seiner Sunna. Es war aber zur Zeit von Abu Bakr, als die Notwendigkeit entstand, die Form der Regierung zu festigen, wie sie vom Propheten geschaffen wurde. Er stellte sicher, dass sie auch nach dem Ableben des Gesandten Allahs Bestand hatte. Dabei handelte es sich um einen anhaltenden Entwicklungsprozess. Mit einer Zunahme an Größe und Komplexität der Sunna kam es zu neuen Problemen. Nichtsdestotrotz wurde das grundlegende Rahmenwerk für all dies bereits vom Gesandten Allahs etabliert, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben.

Im vorislamischen Mekka und unter den anderen arabischen Stämmen hatten die Araber weder eine gemeinsame nationale Identität noch eine verbindliche Herrschaftsmethode. Ihr Selbstverständnis war ausschließlich stammesgebunden. Es basierte alleine auf der Blutsverwandtschaft. Das einzige „Gruppenkonzept“ außerhalb der Sippe war die Stammesföderation, die auf einem gemeinsamen Eid beruhte.

Den Arabern missfiel die Vorstellung des Königtums aus prinzipiellen Gründen. Soweit es kommunale Entscheidungen betraf, hatten die Quraisch das Dar An-Nadwa. Ein Treffpunkt, in dem sich die Führer der wichtigsten Familien trafen, um über Frieden und Krieg zu entscheiden und um Streitigkeiten innerhalb der Quraisch und mit anderen Stämmen beizulegen. Es ging hier aber auch um Fragen bezüglich Handel, Märkte, Hadsch, Heirat und Scheidung.

Obwohl dort Diskussionen abgehalten wurden, war kein Clan verpflichtet, sich an irgendeine dieser Entscheidungen zu halten. Es gab ebenso bestimmte Leute, die als Vermittler (Hukkam) zwischen den Sippen und Stämmen geachtet wurden. Zu ihnen gehörten unter anderem ‘Abdalmuttalib und seine Söhne, Az-Zubair und Abu Talib, Abu Sufjan sowie sein Vater Harb.

Es sollte auch angemerkt werden, dass es zu dieser Zeit nicht einmal eine Vorstellung von den Arabern als eine ethnische Gruppe gab. Es wurde gesagt, dass das Wort „arabisch“ zuerst im Qur’an erschien. Dort wurde es benutzt, um das Arabische zu beschreiben: ‘Arabijja. Wir finden aber auch Al-A’rab, die nomadischen Araber oder Beduinen.

Das Volk (Qaum) des Propheten Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, waren die Quraisch. Aber jenes Wort, Al-Qaum, war zu eng mit der Stammesstruktur verbunden. Daher wurde ein neuer Begriff für das eingeführt, was durch den Islam hervorgebracht wurde: Umma. Dabei handelt es sich um ein Wort, das in jener Zeit nicht gebräuchlich war.

Wir haben die bekannte, sogenannte Verfassung von Medina; ein Vertrag zwischen den Muhadschirun, den Ansar und den Juden von Medina. Er wurde kurz nach Ankunft des Gesandten Allahs in Medina geschlossen. Darin hieß es: „Die Gläubigen und Muslime der Quraisch und aus Jathrib [alter Name Medinas] sowie diejenigen, die ihnen folgen und mit ihnen verbunden sind. Sie sind eine einzige Umma, die sich von anderen unterscheidet.“ Dadurch wurde diese neue Art von politischer Identität geschaffen und praktiziert.

Der Unterschied ist, dass ihre Einheit auf dem Festhalten am Din und ihrer Identität als Muslime basierte. Die letzte Autorität gehörte Allah, denn der ­Gesandte ist der Gesandte Allahs. Das stellte eine große Veränderung zu den Verhältnissen dieser Zeit dar. Diese Identität als Gemeinwesen von Gläubigen, die dem gleichen Din folgen, wurde zu Beginn durch die Institution der Brüderlichkeit zwischen den Auswanderern (Muhadschirun) und Helfern (Ansar) geschaffen. Sie überstieg den Stamm sowie die Familie.

Sobald er in Medina ankam, legte der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, die Grundlagen für die Regierung der Muslime auf allen Gebieten fest. Selbstverständlich besteht das Leben aus fortlaufenden Ereignissen. Mit dem Anwachsen der muslimischen Gemeinschaft wurde es für die Strukturen der Regierung notwendig, auf neue Situationen zu reagieren. Erneut wurden auch hier die Grundlagen vom Propheten, Heil und Frieden auf ihm, bestimmt.

Wir verfügen auch über die Briefe, die der Gesandte Allahs an seine Vertreter in verschiedenen Regionen schrieb. Sie vermitteln die Basis einer Regierungsordnung. Das Folgende ist ein Ausschnitt eines Briefes an ‘Amr ibn Hazm, der in den Jemen entsandt wurde: „Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigsten. Das ist eine Klarstellung von ­Allah und Seinem Gesandten. (…) Er soll den Leuten die gute Nachricht verkünden und sie aufrufen, ihr zu folgen. Er soll sie den Qur’an lehren, diesen verständlich erklären und ihnen verbieten, falsch zu handeln. (…) Er soll die Leute darin unterweisen, was ihnen zusteht und wozu sie verpflichtet sind. Er soll milde mit den Leuten umgehen, wenn sie im Recht sind, und streng, wenn sie ungerecht handeln. Allah hasst Ungerechtigkeit und hat sie verboten. (…) Er soll den Leuten untersagen, sich an die Stämme und Clans zu wenden, wenn sie sich streiten. Sie sollen Allah, den Allerhöchsten und Erhabenen, alleine anrufen, Der keine Partner hat. (…) Er soll die Leute dazu anhalten, ihre Gebetswaschung richtig zu vollziehen – ihre Gesichter, ihre Hände bis zu den Ellbogen, ihre Füße bis zu den Knöcheln sowie das Streichen ihrer Köpfe, wie Allah es befohlen hat. Er soll das Gebet zu seiner Zeit anordnen (…). Er soll ihnen sagen, zum Freitagsgebet zu eilen, wenn dazu gerufen wird und sich vorher am ganzen Körper zu waschen. Er muss für Allah das Fünftel der Beute nehmen und was den Gläubigen an Zakat auf Landerträge vorgeschrieben ist: Ein Zehntel bei Land, das von einer Quelle und Regen bewässert wird, sowie die Hälfte eines Zehntels, wenn es künstlich bewässert wird. (…) Das hat Allah an Zakat für die Gläubigen zur Pflicht gemacht. Gibt jemand mehr als das, ist es gut für ihn. Jeder Christ oder Jude, der – aus eigenem Willen – Muslim mit einem aufrichtigen Islam wird und den Din des Islam annimmt, ist einer der Gläubigen. Er hat die gleichen Rechte wie sie und schuldet das gleiche wie sie.“

Das ist bereits eine grundlegende Struktur von Regierung. Sie benötigte bloß einige weitere Inhalte, als neue Umstände erschienen und die Umma an Größe zunahm. Wir haben die Grundlagen des Dins in Gebet und Zakat, dem Ende der Ungerechtigkeit, dem Schutz der Schwachen – und in der Absage an die Stämme und einer Hinwendung zu Allah. Mit anderen Worten, die Umma der Muslime.

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