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Aus Liebe zum Menschen

Ausgabe 271

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(iz). Im Dezember machte Bosnien und Herzegowina mit einer ungewöhnlichen Nachricht auf sich aufmerksam. Es ging um Positives, Bewegendes. Die Muslime des Landes hatten 500.000 BAM (250.000 Euro) an Spenden für die Rohingya gesammelt. Ein Zeichen der Solidarität und Liebe für jene, die entrechtet, verfolgt, misshandelt und vertrieben werden. Während die eigene ­Geschichte und das eigene Trauma nicht überwunden sind, leben die Bosnier, wie aus Trotz, denn für den sind sie bekannt, einfach weiter und widmen sich dem Realen, dem Hier und Jetzt.
Erstaunlich ist dabei, dass ihre Situation heute ökonomisch zumeist keine gute ist, denn Bosnien gehört zu den ärmsten Ländern Europas. Diese Tatsache hinderte die Menschen dort nicht daran, sich zum Helfen verpflichtet zu sehen. Dieses Phänomen kann man in Bosnien schon seit Jahren beobachten. Wenn es Spendenaufrufe oder schlichtweg Hilferufe Einzelner gibt, zögern die Bosnier, ungeachtet ihrer Ethnie, nie. Es werden sogleich Geld und andere Hilfsmittel gesammelt, die benötigt werden. Betroffene können etwa solche sein, die Brennholz für den Winter, Vieh zum Lebensunterhalt, Schulmaterial für die Kinder, Kleidung, oder auch – und vor allem – Geld für teure medizinische Behandlungen benötigen, die lebensnotwendig sind. Der Staat versagt auf ganzer Linie. Also kommt der Mensch ins Spiel.
Über Facebook, Fernseh-Aufrufe und Sammelstellen wie etwa in Moscheen nimmt das Volk das Schicksal selbst in die Hand. Auf einfachste Art wird Bedürftigen das beschafft, was sie brauchen, in kürzester Zeit. Man sagt, die Bosnier seien für ihre „Merhamet“, ihre Barmherzigkeit bekannt. Selbst bosnische Flüchtlinge, noch während des Bosnienkrieges, organisierten im Ausland Spendenaktionen, um Güter in das kriegsgeschüttelte Land zu schicken.
Ein Staat kollabierte und was danach kam, funktioniert bis heute nicht. Man kann darüber nachdenken, inwiefern er denn notwendig ist für eine gut durchdachte Wohlfahrt. Die Menschen Bosniens zeigen immer wieder, dass es keine staatlichen Institutionen sein müssen, die Hilfe versprechen. Der Mensch selbst und das Gefühl von Verantwortung und Gemeinschaft schaffen das Nötige: Schnelle, effiziente, zielgerichtete Hilfe. Allen Idealismus um „die Organisation“ zum Trotz. Während die Bürger Bosniens darunter leiden, dass politisch kaum etwas funktioniert, könnte dieses menschliche Funktionieren ein Impuls sein, neu zu denken und neue Wege der Gemeinschaft und gegenseitiger Fürsorge zu finden. Dort erleben wir es alltäglich, trotz der bitteren Realität auf dem ­Balkan. Warum nicht auch hier?