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„Autonomie öffentlich sichtbar machen“

Ausgabe 262

Foto: www.thomasdemaiziere.de

Terrorismus, der Flüchtlingszustrom aus dem arabischen Raum und die Spannungen mit der Türkei haben auch die Rahmenbedingungen für die Deutsche Islamkonferenz verändert. Ihre Zukunft ist ungewiss.
Berlin (KNA). Terrorismus, der Flüchtlingszustrom aus dem arabischen Raum und die Spannungen mit der Türkei haben auch die Rahmenbedingungen für die Deutsche Islamkonferenz verändert. Ihre Zukunft ist ungewiss.
Die drei Treffen der Deutschen Islamkonferenz (DIK) in der laufenden Legislaturperiode standen unfreiwillig im Schatten politischer Großereignisse: Bei der ersten Sitzung war es der Terroranschlag auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, bei der zweiten der Flüchtlingszustrom. Das dritte und vorerst letzte Treffen am Dienstag war von der Auseinandersetzung mit der Türkei und den Spitzelvorwürfen gegen die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) geprägt. Alle drei Ereignisse stehen zugleich für die veränderten Rahmenbedingungen, unter denen sich die DIK trifft. Die Fortsetzung des institutionalisierten Dialogs liegt in den Händen der nächsten Regierung.
Dem wollte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nicht vorgreifen. Allerdings machte er nach dem Treffen deutlich, welche Voraussetzung er für eine „sinnvolle Fortsetzung“ sieht. An der Bedeutung des inzwischen zehn Jahre währenden Dialogs ließ er keinen Zweifel: „Er ist eine Errungenschaft, auf die man stolz sein kann und die man bewahren sollte.“ Ein solches Format sei einzigartig und stoße international auf großes Interesse.
Tatsächlich wurde auch konkret viel erreicht: von der Bildung bis zur Wohlfahrtpflege. Unter den aktuellen Auseinandersetzungen um DITIB ging fast unter, dass künftig auch die Seelsorge an staatlichen Einrichtungen auf den Weg gebracht werden soll. Für den Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Erol Pürlü, ein „verbrieftes Recht“ der Religionsgemeinschaften. Seelsorger sollen Muslimen in Krankenhäusern, bei der Bundeswehr oder in Gefängnissen Trost spenden und beistehen – als konkreter Ausdruck der „Barmherzigkeit Gottes“, wie Pürlü betonte.
„Wenn wir hier sprechen, sprechen wir über uns, über den Islam in Deutschland“, betonte de Maizière in seiner Bilanz der DIK. Genau dies sieht er aber durch äußere Einflussnahme oder Abhängigkeit gefährdet. Deshalb müsse die Grundlage Loyalität aller gegenüber Staat und Gesellschaft in Deutschland sein. Das bedeutet für den Minister nicht, die Bindungen zur Heimat zu kappen. Die Grenze sei aber überschritten, wenn „Konflikte und Ansprüche“ importiert oder von außen hereingetragen würden. „Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, muss sich die Grundsätze des Zusammenlebens zu eigen machen.“
Vor dem Hintergrund der aktuellen Provokationen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan pochte De Maizière umso entschiedener auf eine von Ankara unabhängige DITIB. Es gehe um viel mehr als das Ermittlungsverfahren beim Generalbundesanwalt, betonte er – auch mit Blick auf andere Verbände. „Es bedarf konkreter Schritte, um die Autonomie der Verbände öffentlich sichtbar abzusichern.“ Nur so sei eine glaubhafte Vertretung der hier lebenden Muslime möglich.
Sorgen bereitet dem Minister nämlich ganz grundsätzlich „das Thema der Fremdsteuerung durch andere Staaten“ und dass einige Verbände „in Richtung Fundamentalismus ausfransen“, wie er in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) deutlich machte. Als „sehr problematisch“ bewertete der Minister dabei den finanziellen Einfluss aus Saudi-Arabien. Zwar habe die saudische Regierung versichert, keine Unterstützung zu geben. Gleichwohl flössen Gelder aus dem Land. „Das ist ebenso wenig zu akzeptieren wie eine Beeinflussung aus oder Abhängigkeit von der Türkei oder dem Iran.“
Durch den Flüchtlingszustrom wird sich die Zusammensetzung des Islam in Deutschland ändern: Er wird stärker von einem sunnitisch-arabischen und einem schiitisch-iranischen Islam geprägt. Hier sieht de Maizière die Verbände in der Pflicht. Angesichts der grundlegenden Veränderungen verlangt er aber darüber hinaus eine große gesellschaftliche Debatte über die Zukunft des Islam in Deutschland und von den Muslimen auch eine stärkere Auseinandersetzung mit der islamischen Theologie. Wesentlich ist für ihn die „Unabhängigkeit“ des Islam in Deutschland. Davon hänge auch die Zukunft der Deutschen Islamkonferenz ab.