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Ayodhya: Faschisten provozieren mit Grundsteinlegung

Screenshot: YouTube

Die jüngste Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee hat weltweit Empörung hervorgerufen. Weniger Aufsehen erregt, was in Indien Hindu-Nationalisten am Ort einer gewaltsam zerstörten Moschee anstellen.

Neu Delhi (KNA) Der 5. August sei ein glückverheißender Tag, findet der Hindu-Priester Mahant Kamal Nayan Das. Daher habe man gemäß dem Hindu-Kalender eben diesen Termin für die Grundsteinlegung des Tempels in Ayodhya bestimmt, so der Vorsitzende des Temple Trust. Im politischen Hindu-Kalender markiert der 5. August auch den ersten Jahrestag der Abschaffung der Autonomie der mehrheitlich muslimischen Region Jammu und Kaschmir durch die Regierung von Premierminister Narendra Modi.

An genau jenem Mittwoch also legt Modi nun in Ayodhya den Grundstein für den Bau eines Hindu-Tempels an der Stelle, an der einst die Babri-Moschee stand. Anhänger von Modis Indischer Volkspartei (BJP) und der hindu-nationalistischen Hindutva-Bewegung hatten 1992 das jahrhundertealte islamische Gotteshaus zerstört. Bei den gewaltsamen Ausschreitungen kamen mehr als 2.000 Menschen ums Leben.

Nach hinduistischer Überlieferung wurde vor rund 900.000 Jahren in Ayodhya der Gott Rama geboren. Der islamische Kaiser Babur, Gründer des bis 1858 bestehenden Mogulreichs, habe 1528 die Moschee anstelle des uralten Tempels an Ramas Geburtsort errichten lassen. Mit der Forderung nach Abriss der Moschee und dem Neubau eines Hindu-Tempels sowie eben der Abschaffung der Autonomie von Jammu und Kaschmir reüssierte die hindunationalistische BJP schon bei ihrer Gründung 1980 – und wurde zum politischen Mainstream.

Der Wiederaufbau des Tempels war 2014 und 2019 eines der zentralen Wahlkampfversprechen von Modi und seiner BJP. Im November 2019 urteilte das Oberste Gericht im Streit über den Besitz des Grundstücks auf der Grundlage archäologischer Gutachten zugunsten der Hindus. Gleichzeitig wies das Gericht den Staat an, den Muslimen ein Ersatzgrundstück für eine neue Moschee zur Verfügung zu stellen.

Trotzdem schürt der Tempelbau unter Muslimen und Christen Ängste. Die Diskriminierung von Christen und mehr noch von Muslimen ist ein Markenzeichen der BJP. Sie ist der politische Arm der hinduextremistischen Hindutva-Bewegung, die einen hinduistischen Gottesstaat Indien anstrebt, in dem Minderheitsreligionen bestenfalls geduldet werden.

Viele Inder sind, schon historisch bedingt, für antimuslimische Propaganda empfänglich. „Das geht auf die jahrhundertelange Herrschaft der islamischen Mogul-Kaiser in Nordindien zurück“, erläutert Alphons Kannanthanam, Katholik und seit 2011 Mitglied der BJP. Er war in der ersten Amtszeit Modis Tourismusminister und ist gegenwärtig Abgeordneter des Oberhauses im indischen Parlament.

Berichte über Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheitsreligionen weist Kannanthanam als Propaganda der Opposition zurück. Und wenn es doch mal Ausschreitungen von Hindus gegen Angehörige anderer Religionen gebe, seien das lokal vereinzelte Fälle. Modi selbst habe sich immer für ein friedliches Miteinander der Religionen eingesetzt.

Kritik an der hindunationalistischen Politik der BJP ist gefährlich, wie die säkulare Kongress-Partei des Gandhi-Clans in den vergangenen Jahren durch eine Serie herber Wahlniederlagen erleben musste. Die Diffamierung der Kongress-Partei als „Feind der Hindus“ durch die BJP-Propagandamaschine zeigt auch jetzt wieder Wirkung. Die Parteigranden Sonia Gandhi, Sohn Rahul Gandhi und Tochter Priyanka Gandhi schweigen zum Bau des Ram-Tempels.

Der Kongresspolitiker Ilyas Quereshi wagt dagegen ein offenes Wort. Modi nutze den Gott Ram und die Religion zur Ablenkung von Indiens aktuellen Krisen wie den kriegerischen Grenzstreitigkeiten mit China oder der Corona-Pandemie. Und der christliche Publizist Nirendra Dev ordnet ein: „Politisch muss man Modis Tempel-Schachzug schon als langfristige Strategie für die Wahlen 2024 sehen.“