Barbara. über ihre Kunst, Positivität und Religion

Ausgabe 261

(iz). Viele kennen „Barbara.” bereits. Die Künstlerin ist berühmt für ihre kreativen, provokanten und zugleich sympathischen Bilder. Mit „Dieser Befehlston verletzt meine Gefühle” und „Hass ist krass, Liebe ist krasser” veröffentlichte sie bereits zwei Bücher. Wir sprachen mit ihr über die politischen und sozialen Dimensionen ihrer Kunst, sowie über Religion und Identität.
Islamische Zeitung: Wer bist Du eigentlich?


Barbara.: Ich bin ein Mensch mit dem Namen Barbara.
Islamische Zeitung: Steht der Punkt auch so mit im Pass?
Barbara.: Zu meinem Pass kann ich leider keine Angaben machen, weil ich anonym bleiben will und nichts über meine wahre Identität verraten möchte. Aber so viel kann ich sagen: Ich besitze einen Pass und auf dem Passfoto sehe ich aus wie eine Version von mir, die seit einer Woche nicht geschlafen hat. Vielleicht hätte ich einen wohlwollenden Instagram-Filter über das Foto legen sollen, bevor ich es auf’s Amt gebracht habe. Jetzt muss ich damit leben, dass Polizisten bei einer Kontrolle oftmals denken, dass ich da bekifft war oder so.
Islamische Zeitung: Ich will ja nicht hetzen, aber ich wette, Du traust dich nicht, den Pass zu bekleben.
Barbara.: Ich fände es zumindest schön, wenn wir in einer Welt leben würden, in der die Staatsangehörigkeit so nebensächlich wäre, dass es kein Problem wäre, seinen Personalausweis mit lustigen Bildchen zu bekleben. Ich würde ein Einhorn drauf kleben. Oder ein Bild von Bob Marley.
Islamische Zeitung: Kannst Du mir die Leidenschaft des Beklebens ein wenig erklären?
Barbara.: Als ich noch ein kleines Kind war, hat mir mein Opa bei einem Spaziergang ein an die Wand gezeichnetes Hakenkreuz gezeigt und mir erklärt, für welche schrecklichen Ereignisse dieses Symbol steht. Er hat vergeblich versucht, es mit Spucke und Taschentuch wegzuwischen, was ihm aber nicht gelungen ist. Am nächsten Tag bin ich wieder mit ihm zu dieser Stelle gelaufen und ich hatte ein Stück Papier dabei, auf das ich eine lachende Sonne gemalt hatte. Das habe ich mit Tesafilm über das Hakenkreuz geklebt. Daraufhin hat mich mein Opa sehr gelobt und er hat sogar gelächelt, was er sonst leider sehr wenig getan hat, weil er mit dem Trauma des Zweiten Weltkrieges nie fertig geworden ist und lange Zeit sehr verbittert lebte.
Dieses Lächeln hat mich motiviert, es hat sich in mein Herz eingebrannt, weil ich erkannt habe, das ich mit kleinen Mitteln etwas Gutes vollbracht habe. Aus diesem Erlebnis schöpfe ich noch heute Motivation und klebe meine kleinen Botschaften in den öffentlichen Raum, vor allem, wenn ich fremdenfeindliche oder diskriminierende Werbung, Schilder, Plakate oder sonstiges entdecke. Es ist mein Weg, mich spielerisch in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Es macht mir unendlich viel Spaß.

Islamische Zeitung: Heute bringst Du damit viele Tausende zum Lächeln. Und wohl auch zum Nachdenken. Ist es Kunst? Ist es Protest? Ist es beides? Oder etwas noch anderes…?
Barbara.: In erster Linie ist das Kleben von Botschaften meine Wahl der Methode, um meine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Ich übe damit auch Kritik an unterschiedlichen Dingen, die mich beschäftigen, versuche dabei aber auch schwierige Themen mit einer Prise Humor zu entschärfen. Ich glaube fest daran, dass Humor immer hilft, wenn Menschen mit unterschiedlichen Positionen aufeinandertreffen. Keiner will dem anderen eins in die Fresse hauen, wenn er eben noch über dessen Witz gelacht hat. Vielleicht sollten sich die großen Führer dieser Welt am Anfang eines jeden Treffens einen schönen Witz erzählen. Danach kann man immer noch mit allem gebührenden Ernst nach Lösungen suchen.
Islamische Zeitung: Es ist auch diese gewisse Positivität, die Dein Wirken so beliebt macht. Woher beziehst Du sie?
Barbara.: Ich glaube daran, dass in jedem Menschen etwas Gutes steckt, das oftmals leider mit Bergen aus Müll, negativen Gefühlen und Erfahrungen zugeschüttet ist. Für mich ist es schon immer eine Herausforderung gewesen, diesen versteckten guten Kern eines Menschen für mich sichtbar zu machen. Meistens funktioniert das mit Humor oder mit einem freundlichen Lächeln.
Meine Mutter hat früher immer gesagt, ich solle auf der Straße nicht fremde Leute anquatschen, aber ich habe es trotzdem ständig gemacht. Ich fand es faszinierend, was ein kleines „Hallo!“ und ein freundliches Lächeln bewirken können. Meistens verändert sich das Gesicht eines Fremden, der gerade eben noch total grimmig schaute, in ein warmherziges, freundliches Gesicht. Es ist wie Zauberei. Diese Haltung versuche ich in meine Botschaften mit einfließen zu lassen.

Islamische Zeitung: In Zeiten von erstarkendem Populismus, besonders im Internet – denkst Du, damit lässt sich auch Trollen etwas Warmherziges abgewinnen?
Barbara.: Man kann an der Art, wie im Internet diskutiert wird, wirklich verzweifeln. Egal, welches Thema, es findet sich immer jemand, der einen Hass-Beitrag dazu schreibt. Manche werden bezahlt dafür, andere tun es aus Überzeugung, andere machen es, weil es ihnen Spaß macht, andere zu ärgern, andere sind gar keine Menschen, sondern Maschinen. Darum wünsche ich mir den Zusammenhalt der Leute, die für ein friedliches und respektvolles Miteinander stehen, gerade auch im Netz. Wenn die freundlichen Menschen zusammenhalten, dann haben die Trolle keine Chance und werden verlieren.
Islamische Zeitung: Erfährst Du diesen Zusammenhalt von Deinen Fans und Freunden?


Barbara.: Ich sehe, dass der Wunsch nach diesem Zusammenhalt überall auf der Welt wächst und immer größer wird. Gerade wegen der schrecklichen Kriege und der Versuche von irgendwelchen politischen oder geistlichen Führern, ihr Volk oder ihre Anhängerschaft zu polarisieren und gegen andere aufzuhetzen. Die Menschen sehnen sich nach Frieden und nicht alle, aber immer mehr, sind bereit, diesem Wunsch näherzukommen, indem sie aufeinander zugehen; über Grenzen hinweg, die aus nationalem, religiösem, oder kulturellem Denken bestehen können.

Islamische Zeitung: Zu Deinen Fans zählen auch viele Muslime. Hast Du eine Idee, warum das so ist?
Barbara.: Ich übe häufig Kritik an religiösem Fanatismus und stehe als Mensch mit katholischem Konfessionshintergrund Religion insgesamt kritisch gegenüber. Ich bin mit 14 Jahren aus der Kirche ausgetreten und das war eine Entscheidung, die ich nie bereut habe. Aber ich kämpfe dafür, dass keine Glaubensrichtung diskriminiert wird. In Anbetracht dessen, was die Generation meiner Großeltern getan oder zumindest nicht verhindert hat, gilt dies besonders für den Kampf gegen Antisemitismus und gegen Neo-Nazis.
Aber durch die Entwicklung der letzten Jahre hat für viele Menschen das Wort „Muslim“ mittlerweile dieselbe Bedeutung wie „Terrorist“, und das ist so grundfalsch und in seiner Konsequenz so unmenschlich und gefährlich, dass ich es zu einem meiner Hauptthemen gemacht habe, dagegen anzugehen. Ich möchte nicht, dass ein Keil zwischen die friedliebenden Muslime und den Rest der Welt getrieben wird. Das versuchen auf der einen Seite die Mörderbande von Daesh und auf der anderen Seite die Rechtspopulisten dieser Welt. Dazwischen müssen wir zusammenstehen. Christen, Muslime, Juden, Batman-Fans, Superman-Fans, Homosexuelle, Heterosexuelle, Konservative, Linke, Schwarze, Weiße, Grüne, Bunte, alle!
Islamische Zeitung: Intellektuelle sprechen heute oft von der Identitätskrise in Europa. Würdest Du, als ein Mensch, der sich das Beantworten von plakativen Phrasen zur Aufgabe gemacht hat, die Forderungen und Aussagen aus Politik und Medien in Richtung Muslime auch als den Versuch, die eigene Identität über ein vermeintliches Gegenbild zu definieren, bezeichnen?
Barbara.: Der christliche Glaube verliert immer mehr an Einfluss in Europa, deshalb gibt es sicherlich Leute, die eine Rückbesinnung auf christliche Werte fordern, manche wollen bestimmt auch die Abgrenzung zum Islam instrumentalisieren. Aber der (aus meiner Sicht) überwiegende Anteil der Bevölkerung und auch der Politik und der Medien in Deutschland will keinen Rückfall in alte religiöse Glaubensmuster, sondern nach vorne schauen, in die Richtung, in der es egal ist, ob und an welchen Gott jemand glaubt. Entscheidend ist, wie wir Menschen miteinander umgehen. Daraus resultiert auch eine begründete Sorge gegenüber Religionen, die für sich eine alleingültige Wahrheit reklamieren, gepaart mit dem Drang, andere Menschen zu missionieren. Davon hat der Großteil der Gesellschaft die Nase voll. Das darf aber nicht bedeuten, dass gläubige Menschen für ihren Glauben verurteilt oder diskriminiert werden.
Islamische Zeitung: Wie kann man Menschen, die von einer Identitätskrise betroffen zu sein scheinen, die unter anderem zu Extremismus führen kann, dabei helfen, echte, lebendige Identitäten anzunehmen, die positiv sind?
Barbara.: Diese Identitätskrisen entstehen aus meiner Sicht aus ganz unterschiedlichen Gründen. Allen voran gibt es auch im stinkreichen Deutschland große soziale Ungerechtigkeiten, was selbstverständlich zu Unzufriedenheit führt. Der ungezügelte Kapitalismus spaltet die Menschen. Daraus müsste eigentlich eine Protestbewegung erwachsen, die Armen gegen die Superreichen. Aber nun ist alles von der sogenannten Flüchtlingskrise überschattet, und AfD und Pegida missbrauchen das Thema, um den Leuten Angst zu machen, vor Flüchtlingen, die jetzt auch noch was vom Kuchen abhaben wollen.
Anstatt die Armen gegen die Reichen zu positionieren, werden die Armen gegen noch viel Ärmere aufgebracht, die vor Krieg und Elend flüchten. Das ist die Perversion dieser populistischen Hetzer, die ich nicht hinnehmen kann. Sie schüren Hass und Angst vor Muslimen, bezeichnen sie pauschal als potentielle Terroristen, obwohl diese Menschen selbst vor Terroristen geflohen sind, die die Religion auch noch für ihren mörderischen Wahnsinn missbrauchen. Ich kann mir nur wünschen, dass immer mehr Menschen den Mut aufbringen, auf Fremde zuzugehen und zu erkennen, dass das alles nur Menschen sind, mit denselben Wünschen und Bedürfnissen. Dann werden sie auch beginnen, jede Hasspropaganda zu hinterfragen.

Islamische Zeitung: Wenn Du diesem Jahr ein Barbara.-Plakat ankleben müsstest, was würde draufstehen?


Barbara.: Wahrscheinlich würde ich ein Statement von John Lennon draufschreiben, der bereits 1969 etwas gesagt hat, was damals genauso bedeutend war, wie jetzt im Jahr 2017: GIVE PEACE A CHANCE!
Islamische Zeitung: Hast Du letzte Worte?
Barbara.: Da ich für mehr Austausch zwischen Menschen bin, die in elementaren Fragen wie Religion unterschiedlicher Meinung sind, möchte ich gerne sagen, dass ich dieses konstruktive Gespräch zwischen einer Islamischen Zeitung und einer frechen, atheistischen Plakatekleberin für einen Schritt in die richtige Richtung halte. Darum möchte ich mich für die Anfrage herzlich bedanken.
Islamische Zeitung: Die Kultur des Gesprächs mit Künstlern sollte von Medien geachtet und geehrt werden. Wir danken für das angenehme Interview und die positive Botschaft!