Beiträge zur Psychopolitik

Ausgabe 250

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„Jedenfalls sollte nun dem Letzten klar sein, dass die Stunde für die Solidarität zwischen den Muslimen gekommen ist. Not würde nun zum Beispiel eine überzeugende, gemeinsame Strategie gegen die islamophobe Tendenzen der Gesellschaften tun.“
(iz). Nüchtern betrachtet hat bundesdeutsche Landespolitik in den letzten Jahren einiges an Bedeutung verloren, denn viele Entscheidungsebenen sind in Zeiten der „Krisen“ längst nach Brüssel und Berlin verlagert worden. Am jüngsten „Superwahltag“ schien es aber für einen Moment, als hätte sich das Schicksal unseres Landes in Magdeburg, Stuttgart oder Mainz entscheiden können.
Die programmatischen Unterschiede zwischen CDU, Grünen und der SPD in der konkreten Landespolitik dürften dabei nur Politprofis wirklich erschöpfend aufzählen können. Dieser Wahlsonntag und seine relativ hohe Beteiligung war also weniger ein Indiz für das gesteigerte Interesse an Landespolitik als solcher, sondern eher ein Stimmungsbarometer. Im Kern ging es darum, wie die Bevölkerung zur aktuellen Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht.
Das Ergebnis lässt nicht nur verschiedene bunte Koalitionen in den Bundesländern zu oder macht gar eine Regierungsbildung sehr schwierig, sondern erlaubt auch verschiedene Interpretationen ihrer Bedeutung für die Stimmung im Lande als solches. In Baden-Württemberg hat der amtierende grüne Ministerpräsident Winfriede Kretschmann mit einer vernünftig differenzierenden Position zur Flüchtlingspolitik gepunktet. Die Union im Ländle verlor dagegen eher mit einem unscharfen Kurs in dieser umstrittenen Frage.
Besonders krass wirkte das Ergebnis in Sachsen-Anhalt. Aus dem Magdeburger Landtag sind künftig weniger realpolitische Erdbeben zu erwarten, als vielmehr zahlreiche Beiträge zur Psychopolitik. Eine starke Alternative für Deutschland wird ihre programmatische Schwäche und ihre eigenen Identitätsprobleme mit ihrer negativen Haltung gegen Muslime, Flüchtlinge und andere Unliebsame übertünchen. Die Partei unter Führung von Frauke Petry hat Bilder, Stimmungen und Vorurteile nötig, denn 75 Prozent ihrer Wähler und Wählerinnen entscheiden sich für die AfD nicht wegen konkreter Inhalte.
In der Sendung „Illner Spezial“ erinnerte Peter Tauber die AfD-Bundesvorsitzende daran, dass aber auch in Sachsen-Anhalt immerhin 75 Prozent der Bevölkerung die Vereinnahmung durch die Alternative für Deutschland – in ihrer anmaßenden „Wir sind das Volk“-Logik – ablehnen oder zumindest nicht stützen würden. Zudem dürfte Parteichefin Frauke Petry selbst in der östlichen Sphäre der Wut bald als zu liberal gelten, und die Partei sich weiter dialektisch aufspalten.
Viele Muslime fragen sich, ob man vor der AfD Angst haben muss und ob die rechten Dämonen im Land zurückkehren. Nimmt man den Stil der neuen Rechten in den sozialen Medien ernst, dann ist zumindest Sorge berechtigt. Auch künftig wird die Partei die Dialektik gegen den Islam ­schüren und die Differenzierung über die Lage der Muslime in diesem Lande erschweren. Die Zurückweisung dieser Machenschaften ist unsere Aufgabe und – solange sich Muslime nicht zurückziehen, sondern sich aktiv engagieren – ist auch Angst der falsche Spirit.
Jedenfalls sollte nun dem Letzten klar sein, dass die Stunde für die Solidarität unter den Muslimen gekommen ist. Not würde zum Beispiel nun eine überzeugende, gemeinsame Strategie gegen die islamophoben Tendenzen der Gesellschaften tun. Daraus wird wohl nichts, denn leider sind wir Muslime noch immer durch die verkrusteten Verbandstrukturen gelähmt. In der offensichtlich wichtigen Flüchtlingspolitik hat sich der KRM gerade wieder einmal öffentlich entzweit.