Bücher: Sachlichkeit im Vordergrund: „Muslime in Österreich“ ist eine empfehlenswerte Lektüre. Von Murat Hirsekorn

Ausgabe 203

(iz). Die Autoren des Buches sind allesamt Lehrende an der Universität Wien und ohne Zweifel zählen sie zu den renommiertesten Kennern der Sachlage. Susanne Heine ist Professorin für Praktische Theologie und Religionspsychologie, Rüdiger Lohlker lehrt Islamwissenschaften und Richard Potz ist Professor für Rechtsphilosophie sowie Religions- und Kulturrecht. Die drei Wissenschafter können ohne Übertreibung als Koryphäen bezeichnen werden, da sie nicht nur Fachleute auf ihren Gebieten sind, sondern auch durch ihren langjährigen Kontakt mit Muslimen fast aus einer „Innensicht“ heraus berich­ten können Da Muslimen gelegentlich ­mangelnde Objektivität und Apologetik vorgeworfen werden, handelt es sich hier um eine nüchterne und sachliche Betrachtung, der nichts unterstellt werden kann. Der erste Blick ins Inhaltsverzeichnis bringt jedoch etwas Ernüchterung mit sich. Es scheint, als hätte man einfach eine ­schnelle Sammlung von Informationen zusammengefügt. Doch schon nach dem Vorwort wird klar, warum das Buch diesem (und nur diesem) Aufbau folgen kann.

Der Titel „Muslime in Österreich“ bedingt eine Bestandsaufnahme der Verbände, einen historischen Abriss, ­aktuelle Debatten und soziale Phänomene. Bekannte Klischees werden aufgegriffen und kritisch reflektiert unter Zuhilfenahme von aktuellen Forschungen und Statisti­ken. Dem Ganzen liegt eine gute Recher­che zu Grunde, die durch detaillierte Feinheiten überrascht und den engen Kontakt mit Muslimen belegt. Größtenteils sind Quellenverweise vorhanden doch bei einigen Vereinen sind keine ­Belege vorhanden. Vor allem bei ohnehin unbeliebten Gruppen ist es aber notwendig, einen Verweis anzugeben, um das negative Bild nicht noch weiter zu verstärken. Die aktuellen Debatten über Muslime werden berücksichtigt und auch kritisch hinterfragt. Der positive Aspekt von „Parallelgesellschaften“ wird genau so er­wähnt, wie das Konstrukt „Mehrheitsgesellschaft“. Die Majorität neigt dazu, die Muslime und den Islam zu homoge­nisieren, ohne zu bemerken, dass sie dies mit ihrer eigenen Gesellschaft ebenso tun. Die Ausgewogenheit zeigt sich ­unter anderem beim Thema „Islamophobie“, wo sowohl Muslime als auch „Islamkritiker“ zu Wort kommen.

Der Begriff ­“Islamopobie“ wird von muslimischer Seite all zu leicht als Totschlagargument eingesetzt und daher ist ein bedachter Umgang angebracht. Bei der Aussage, dass der Qur’an gegenüber anderen ­Religionen polemisiere, könnten einige Menschen auf Distanz gehen. Doch hierbei handelt es ich nicht um eine Pauscha­lisierung, denn es gab durchaus frühe christliche Gemeinden, die gewisse Vorstellungen vertraten, die heute in dieser Form nicht mehr existieren. Genau ­diese Gruppierungen werden angesprochen und nicht etwa das Christentum im ­Allgemeinen.

Dies bringt uns auch zum wohl wichtigsten Teil des Buches: den interreligi­ösen Dialog. Unterschiedliche Aspekte werden angesprochen und aus christlicher und muslimischer Perspektive betrachtet, wobei der Übergang von Qur’an und Bibel fließend ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um „Gleichmacherei“, da die vorhandenen Unterschiede berücksichtigt und genannt werden. Da nicht Religionen, sondern Menschen in Dialog treten, müssen bestimmte Fakto­ren berücksichtigt werden.

Hierfür enthält das Buch eine ­wichtige Anleitung für einen fruchtbaren Dialog, damit dieser nicht zu einer politischen Diskussion verkommt. Wichtig ist, dass die jeweils andere Glaubensgemeinschaft durch deren Selbstdefinition heraus wahrgenommen wird und nicht über die eige­ne Wahrnehmung, die durch ­Vorurteile getrübt sein kann.

Bei diesem Buch handelt es sich um eine empfehlenswerte Lektüre in der Sachlichkeit im Vordergrund steht. Wer sich über die Muslime in Österreich informieren möchte, findet hier Informationen in einer Breit und Tiefe zusammengefasst, wie sie vorher nicht zu ­finden waren.

Details
Heine, Lohlker und Potz
Muslime in Österreich
Geschichte – Lebenswelt – Religion. Grundlagen für den Dialog
Tyrolia Verlag, 2012
ISBN: 978-3702230258 Preis: 27,95