Bücher: Zugang zur Offenbarung

Ausgabe 268

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(iz). In Zeiten des subjektiven „Suren-Bingos“ und der virtuell befeuerten Neigung in den sozialen Netzwerken, dass jeder sein/ihr eigener Mufti, Qadi und Schaikh sein möge, wird nicht nur die nötige Verbindung zwischen dem Wissen und seinem Träger zerschnitten. Mit dem Siegeszug eines abträglichen Subjektivismus schwindet auch die Denklogik, die der islamischen Lehre und dem Gespräch über sie zugehörig ist. Das betrifft nicht nur die dringend benötigten Fachleute, sondern auch einfache Muslime.
Auf dem deutschsprachigen Büchermarkt besteht hier – jenseits mancher Abhandlungen des akademischen Diskurses – eine schmerzliche Lücke. Im positiven Falle – mit dem nötigen intellektuellen Gepäck – lässt sich die Sunna der Gefährten erschließen, in Gemeinschaft über einzelne Verse und Kapitel der Offenbarung zu reflektieren. Einen Anfang zur Erschließung der Verständnismethodik des Qur’an macht der kleine Band von Ibrahim Aslandur „Bedeutungen des edlen Koran“. Entstanden ist er als Papier von deutschsprachigen Studierenden der „Islamischen Theologie“ an der Marmara Universität, die auch die Plattform deutschsprachiger Theologen (PdT) gründeten. Motivation war, einen Zugang zum Qur’an zu finden „und dessen Lehren aus dem arabischen Original in die deutsche Sprache zu übertragen“. Dabei versteht sich der Text nicht als abschließender Erkenntnisstand, sondern als „Auftakt“.
Im Wesentlichen zeichnet „Bedeutungen des edlen Koran“ anhand der Sure Al-Fatiha sowie der ersten fünf Verse der Sure Al-Baqara die Grundzüge nach, wie sich die Wissenstradition der Offenbarung annimmt. Bekannterweise gibt es ein umfassendes Maß an zu meisternden Wissenschaften, bevor sich eine Deutung der Quellentexte überhaupt vornehmen lässt. Dazu gehören die nötige Beherrschung der arabischen Sprache, ihre Grammatik, Dichtung, Herkunft nicht-arabischer Ausdrücke, der qur’anische Text selbst, die verschiedenen Lesarten, die Kenntnis der Offenbarungsanlässe, das Wissen von den aufgehobenen und aufhebenden Versen, die Unterscheidung zwischen eindeutigen und mehrdeutigen Versen sowie den überlieferten Erklärungen des Propheten, seiner Gefährten sowie der relevanten Autoritäten.
Wort für Wort und Vers für Vers fängt Aslandurs „Bedeutungen des edlen Koran“ mit den Möglichkeiten der sprachlichen Bedeutung einzelner Begriffe an. Besonders interessant ist in dem Gemeinschaftswerk der Gang zur Quelle von Worten und Formeln, die für ein Verständnis der konkreten Verse von Bedeutung sind. Dank dieses gründlichen Vorgehens erfährt der Nichteingeweihte etwas über den Aufbau des qur’anischen Arabisch sowie seiner Bedeutungen. Dabei verlässt sich der Autor nicht auf Meinung, sondern unterstreicht seine Punkte durch Bezugnahme auf bekannte Gelehrte. Besonders hilfreich ist ebenso, zu sehen, dass sich einzelne Verse des Qur’an durch andere erklären lassen. Ein Fakt, der die „Zitate-Pickerei“ im Umgang mit Allahs Wort abwendet.
Es gibt zwei kleinere, zu verschmerzende Wermutstropfen. Zum einen ist es das gelegentlich „unrunde“ Deutsch. Hier wäre ein zusätzliches Lektorat nötig gewesen. Zum anderen ist der Satz von lateinischer Schrift mit arabischen Versen (die grundsätzlich hilfreich sind) technisch verunglückt. Das beeinträchtigt leider die Lektüre. (mö)
Ibrahim Aslandur, Bedeutungen des edlen Koran, Plattform deutschsprachiger Theologen, Istanbul 2016, Taschenbuch, 92 Seiten, Kontakt: ­facebook.com/pdtistanbul