Das Afghanistan-Projekt scheitert, aber kein Politiker traut sich abzurechnen. Von Malik Özkan

Ausgabe 202

(iz). Man kann Afghanen mieten, nicht kaufen“ – dieser geläufige Satz am Hindukusch wurde im Westen nie ganz verstanden. Jetzt wurde die Bedeutung des Bonmots klarer: Sogar der bisher „offiziell“ ­engste Verbündete der USA, Afghanistans Präsident Hamid Karzai, wollte im März plötzlich, dass die US-Truppen schnell das Land verlassen sollen. Nach einer Skandalserie hatten der letzte Amoklauf eines US-Soldaten und die zivilen ­Opfer das Fass wohl endgültig zum ­Überlaufen gebracht.

Karzai forderte nun in der Öffentlichkeit, dass der Abzug um ein Jahr vorge­zogen wird. Die Verwirrung in den Hauptstädten des Westens war daraufhin groß. Tatsächlich ist unklar, ob der aktuelle „Bürgermeister von Kabul“ nach einem Abzug seiner Verbündeten noch die Fäden in der Hand behalten ­könnte. Im Hintergrund lauern bereits die Taliban. Das Projekt eines säkularen „Nationalstaat“ im NATO-Bündnis scheint jedenfalls endgültig gescheitert, nur zuge­ben will das in den westlichen Hauptstä­dten noch keiner. Die deutsche Öffentlichkeit hat nun ein Anrecht auf eine ehrliche Bilanz des Engagements.

In Berlin muss nun endlich die schonungslose Abrechnung über den Einsatz beginnen. Noch unlängst hatte Verteidi­gungsminister De Maizière mit der Forderung nach einem „Veteranentag“ für gefallenen Soldaten zwar den Ernst der Lage in Erinnerung gerufen, nun muss er aber auch endlich politisch ­begründen, warum deutsche Soldaten dort ihr ­Leben ließen.

Bisher fällt die Kosten-Nutzen-Analyse nach zehn Kriegsjahren einigermaßen verheerend aus, sieht man mal von den Kriegsgewinnlern aus der Rüstung- und Sicherheitsindustrie sowie einiger privilegierter NGO’s ab. Zudem hat das Projekt Milliarden deutscher Steuergelder verzehrt. Das ganze Konstrukt rund um die angeblich am Hindukusch bedrohte deutsche Sicherheit, wie Peter Struck zu Kriegsbeginn behauptete, droht nach dem Abzug der Bundeswehr wie ein Kartenhaus und viel schneller als gedacht zusammenzufallen. Vom „grünen“ Märchen rund um Zivilgesellschaft, ­Demokratie und Menschenrechte spricht in Berlin schon längst niemand mehr. Die Politik ist auf der Suche nach einer Sprachregelung für das Desaster.

Jetzt rückt auch noch ein weiteres ­Horror-Szenario näher. Die westlichen Truppenteile könnten sogar, wenn sich die Lage im Lande weiter verschlechtert, in einem Wettlauf den Rückzug ­antreten. Der schnelle Abzug dürfte für die Deutschen eine logistische Herausforderung darstellen, denn der Bundeswehr fehlt es auch an den nötigen Transportkapazitäten, und das Transitland Pakistan kann die Rettungsroute leicht kappen.