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„Das ist unser Land!“ soll ein satirisches Drama sein

Pressebild: Alamode Film

Eine beliebte Krankenschwester soll Kandidatin einer populistischen Partei in Frankreich werden. Der Front National lässt grüßen. Nach einem starken Beginn verliert „Das ist unser Land!“ (ab 24. August) an Präzision.
Bonn (KNA) In der Dämmerstunde schaut alles friedlich aus. Wenn die Kamera über die nordfranzösische Landschaft kreist, liegt über den menschenleeren Feldern, Bergen, Städten und Straßen eine grenzenlose Ruhe. Doch unter der Oberfläche verbirgt sich so manches Bedrohliche, das ans Licht drängt, so wie die alte Granate, auf die ein Bauer beim Pflügen stößt und die er gelassen zur Seite räumt, wo bereits weitere Weltkriegsrelikte liegen.
Das Ereignis in der Umgebung der früheren Schlachtgebiete dient dem belgischen Regisseur Lucas Belvaux in seinem Film „Das ist unser Land!“ als Metapher für das Kommende: Auch in den Menschen ist Unheil mitunter bereits angelegt und braucht nur einen Anstoß, damit es zum Vorschein kommt.
Die Hauptfigur, die Krankenschwester Pauline, präsentiert sich zunächst äußerst sympathisch. Von morgens bis abends ist sie auf den Beinen und macht die Runde durch die Häuser ihrer Patienten, bleibt geduldig und freundlich, wenn die Kranken schwierig oder ausfallend werden. Die Nerven verliert Pauline nur, wenn sich ihr Ex-Mann vor der Mitverantwortung für ihre beiden Kinder drücken will.
Doch wenn sie nachdenkt, gibt es einiges, was ihr missfällt: Da ist das Verhalten einzelner Patienten wie einer Muslimin unter der Fuchtel ihres traditionellen Mannes, da ist die hohe Arbeitslosenzahl in Nordfrankreich, sind die Einsparungen im Sozialbereich und andere „Beweise“ für die Gleichgültigkeit der Regierung in Paris.
Aber ändern könne sie ja doch nichts, deswegen gehe sie auch nicht wählen, sagt Pauline ihrem väterlichen Freund, dem Arzt Berthier. Der widerspricht: Es gebe für die Anliegen der kleinen Leute die richtige Partei, nun müsse sie nur noch mit guten Kandidaten an die Macht kommen. Und wer stehe dem leidgeprüften Volk näher als Pauline?
Verführung ist das Ziel dieser Szene, die aus einer unpolitischen, beliebten Frau eine kommunale Kandidatin der rechtspopulistischen Partei RNP machen soll, um dieser zu einem besseren Image zu verhelfen. Belvaux macht bei seinem satirischen Drama keinen Hehl daraus, dass mit der RNP der Front National gemeint ist. Die Ähnlichkeit seiner Film-Parteichefin Agnes Dorgelle mit Marine Le Pen ist unverkennbar.
Wie ihr reales Vorbild gibt sich Dorgelle als um Frankreichs Wohl besorgte Powerfrau, die sich offiziell von den faschistischen Wurzeln ihrer Partei losgesagt hat, aber nicht vor Hassparolen zurückschreckt. Die Schauspielerin Catherine Jacob kommt dem Vorbild bis hin zur eisigen Mimik verblüffend nahe, doch ist Belvaux auf mehr als eine Bloßstellung durch Imitation aus.
Mit seiner gutgläubigen, von Emilie Dequenne sehr einnehmend verkörperten Hauptfigur zeigt er, wie leicht sich Skepsis gegen Fremdenfeindlichkeit in Luft auflösen kann. Dass der von Andre Dussollier mit katzenhafter Eleganz gespielte Großbürger Berthier bei Pauline leichtes Spiel hat, wirkt ebenso glaubhaft wie ihre Reaktion auf die Präsentation der Partei: Der begeisterte Jubel der Anhänger macht ihr Eindruck, und die strammen Kampfansagen von Dorgelle scheinen ihr in der Tradition der abschließend gesungenen Marseillaise zu stehen. Mehr und mehr arrangiert sich Pauline mit ihrer neuen Aufgabe – und reagiert beleidigt, wenn ihre noblen Absichten infrage gestellt werden.
Neben diesen Spitzen gegen die Selbsttäuschung von Wut- und Protestwählern spießt Belvaux auch moderne Strategien rechter Gruppierungen auf, die von offen rassistischen Äußerungen abraten und milden Populismus und viel Lächeln empfehlen. Die Fraktion der rechten Gewaltszene erscheint in einem Nebenstrang um einen Jugendfreund von Pauline, von dessen Aktionen gegen Ausländer sie lange nichts ahnt.
Weniger geglückt sind die Auseinandersetzungen der verführten Pauline mit Freundinnen oder ihrem Vater. Ohnehin leicht überladen mit Episoden um Ressentiments und wachsende Gewaltbereitschaft in der französischen Gesellschaft, verliert der Film zusehends an Präzision, bevor er etwas abrupt zum Schluss kommt. Das ist nach dem starken Beginn etwas ernüchternd, aber konsequent: Die Auseinandersetzung mit dem Gesehenen soll keinesfalls mit dem Abspann enden.