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Debatte: Muslime sind keine Rasse

Foto: Reem Faruqi

„Muslime können und sollten eine anspruchsvolle Rassismustheorie besitzen. Und die verstecken Wege ansprechen, auf denen sich Vorurteile zeigen können. Sie sollten auch die Art und Weise kennen, in denen Ungleichheiten generationsübergreifend – und zwischen verschiedenen Lebensbereichen – als Folge von Missgunst, Selbsttäuschung, Unfähigkeit und Unwissenheit bestehen können. Eine solche Theorie sollte sie jedoch nicht dazu treiben, ihren Glauben an Gott, die Seele oder das Jenseits in ironische Ferne zu rücken.“

Antimuslimische Vorurteile sind ein großes Problem, dem heute alle Muslime auf die eine oder andere Weise ausgesetzt sind. Wir werden untergraben, herausgefordert und ins Visier genommen. Wie wir dieser Herausforderung gegenüberstehen, wird in das Gewebe unserer Seelen eingehen – ob wir das wollen oder nicht.

(Renovation). Unglücklicherweise reagieren viele Intellektuelle auf das antimuslimische Vorurteil (mehrheitlich als Islamophobie bezeichnet) mit Argumenten, deren Annahmen nicht nur im Widerspruch zum Islam stehen, sondern zu Religion insgesamt. Ein wachsender, wenn nicht dominanter Trend in der akademischen und aktivistischen Literatur formuliert Muslimfeindlichkeit als Form von Rassismus. In diesem Ansatz ist das Vorurteil nicht nur Phänomen mit einer rassistischen Dimension. Vielmehr gilt Islamophobie demnach als Form des Rassismus, wurzelt in ihm oder sollte in seinem Rahmen studiert werden.

Die Formulierung „Islamophobie ist antimuslimischer Rassismus“ hat bestenfalls die Absicht, auf bestehenden rechtlichen Schutz für ethnische Minderheiten zurückzugreifen. Das ehrenwerte Ziel ist dabei der Schutz verletzlicher Menschen vor Rassismus, der als Sorge um die nationale Sicherheit, Kultur oder eine „Kritik an Ideen“ getarnt ist. Aber die Reduzierung von Islamophobie auf Rassismus verwirrt unser Verständnis der wirklichen Motive hinter antimuslimischen Vorurteilen und hängt von missbräuchlich verwendeten – oder konfusen Ideen – wie „Rassifizierung“ ab, die für viele Leute kaum zu begreifen sind.

Schlimmer als das: Der konzeptionelle Apparat, der „Islamophobie ist Rassismus“ begründet, wandelt Islam in eine bloße, kulturelle Markierung nicht-weißer Menschen. Eine Chiffre, die spirituell, intellektuell und moralisch inaktiv ist. Der ausschließlich „rassistische“ Rahmen (in einer Welt, in der Menschen durch viele Arten von Unvernunft, Egotismus und Fanatismus motiviert werden) erweckt den Eindruck, Islam sei nur deshalb interessant oder herausfordernd, insofern er eine Domäne nicht-weißer Menschen sei. Religion wird so zu einem weiteren sozialen Faktor einer Welt, in der menschliche Angelegenheiten auf Rasse, Klasse, Geschlecht und Sexualität reduziert sind.

Um es deutlich zu sagen: Ich weise keine Formulierungen zurück wie „Islamophobie oder Rassismus überschneiden sich signifikant“ oder „Rassismus ist ein Hauptbestandteil von Islamophobie“. Sie waren einmal die Norm in der Beschreibung, wie sich Islam und Ethnie überschneiden. Mein Einwand richtet sich gegen jene theoretisierenden Versuche, wonach jegliche Islamfeindlichkeit als Rassismus zu verstehen sei. Oder (was auf das Gleiche hinausläuft) auf die Ableitung, dass die einzige relevante Form antimuslimischen Vorurteils einen rassistischen Charakter hat.

Die meisten verwenden „Rassismus“, um eine Handlung oder Haltung zu beschreiben, die Vorurteile, Diskriminierung oder Feindschaft gegen das Mitglied einer anderen (als solcher wahrgenommenen) „Rasse“ aufgrund Aussehen oder Herkunft zum Ausdruck bringt. Nach diesem alltäglichen Wortverständnis ist Rassismus ein Fehler im Charakter des Rassisten. Implizit können seine Unwissenheit und Vorurteile vielleicht durch die Kultivierung von Wissen, Empathie und gutem Willen korrigiert werden. Aber nun bedeutet Rassismus unter Soziologen, Anthropologen, Juristen, Philosophen und Aktivisten viel mehr (oder gar etwas ganz anderes). In diesem erweiterten Sinne gilt Rassismus als Struktur oder System. Demnach ist er nicht nur eine Frage der Absicht, sondern ist auch (oder vielleicht vorrangig) eine von Ursachen und Wirkungen. Einkommensunterschiede können gewisserweise rassistisch sein, ohne dass dazu auf persönlicher Ebene eine Absicht besteht, denn Rassismus ist Eigenschaft eines Systems oder einer Struktur.

Ein Motiv für diese Ausweitung von Rassismus über die individuelle Absicht hinaus war das vorgestellte Scheitern von Leuten, die subtilen Wege zu verstehen, wonach tief gehende Ungleichheiten anhielten, selbst nachdem ausdrücklicher Rassismus im Großteil des öffentlichen Lebens inakzeptabel wurde. Einige Gelehrte und Aktivisten haben behauptet, dass das Projekt aus der Bürgerrechtsära für ethnischen Universalismus und Gleichheit vor dem Gesetz gescheitert sei. Und dass genau die Gesetze und andere Maßnahmen, die angeblich zur Bekämpfung von Rassismus gedacht seien, als rechtlicher Schirm verwendet würden, um Rassendiskriminierung auf verdeckte Weise wirksam aufrechtzuerhalten. Gesellschaften mögen die meisten ausdrücklichen und extremen Rassismen aus der Öffentlichkeit verbannt haben. Aber rassistische Diskriminierung funktioniere weiterhin innerhalb und dank der „farbblinden“ und „post-ethnischen“ Strukturen. Viele Akademiker und Aktivisten gelangten zur Ansicht, dass Rassismus kein Problem sich verändernder einzelner Geister sei und dass es inkorrekt sei, Rassismus entweder als unvernünftig oder verwirrt zu behandeln. Rassismus sei kein Problem schlechter Menschen, die unvernünftig innerhalb eines gerechten und rationalen Systems operierten. Das System selbst war rassistisch und von Rassismus abhängig.

Gemeinsam mit dieser Betonung von strukturellem Rassismus besteht der Glaube, dass Rassismus nicht unabhängig von anderen Formen der Unterdrückung behandelt werden könnte, welche das System ausmachen: Rassistische, frauenfeindliche und klassizistische Diskriminierung bilden so eine Matrix der Unterdrückung. Es gebe ein System.

In der alten Vorstellung waren all diese Formen von Vorurteil und Diskriminierung abzulehnen. Sie unterschieden sich aber voneinander und konnten dementsprechend analysiert werden. Der neue Ansatz zu diesen Kategorien (angefangen mit Ethnie und Geschlecht) sieht sie nicht als getrennt, sondern als sich überschneidende Hierarchien der Unterdrückung. Beispielsweise sei es im Falle schwarzer Frauen unmöglich, Rassismus und Sexismus voneinander zu trennen. In der Praxis würden sich beide verstärken. Daher sei die Erfahrung von Unterdrückung durch schwarze Frauen nicht bloß als Rassismus hier und Sexismus dort beschrieben, sondern als ganz eigene Realität.

Intersektionalität (wie dieser Ansatz bekannt wurde) ist die natürliche Verlängerung dieser Bewegung in Richtung von Strukturen und System. Eine große soziale, wirtschaftliche und politische Struktur könne gleichzeitig rassistisch, frauenfeindlich und klassistisch sein. Und zwar auf sich gegenseitig verstärkenden Wegen, die nicht einfach vor die Füße eines spezifischen Individuums gelegt werden könnten.

Wie fügen sich Muslime als religiöse Gruppe in die Vorstellung von strukturellem Rassismus und der Intersektionalität von Unterdrückung ein? Während Islam keine Rasse ist, könne behauptet werden, dass Muslime nichtsdestotrotz „rassifiziert“ werden könnten. Es ist ein umstrittenes Konzept, das in akademischen Kreisen im Zuge des graduellen In-Verruf-Kommens (nicht Verschwinden) von Doktrin der biologischen Überlegenheit und Differenz entstand. Es führte (in einigen Zirkeln) zur Verschiebung von Rasse hin zu Kultur als Markierung für die Überlegenheit einer Gruppe.

Weiße Menschen konnten so nicht mehr offen eine biologische Überlegenheit behaupten, sondern eine überlegenere Kultur beanspruchen, die sie fortschrittlicher, entwickelter und zivilisierter mache. Diese kulturelle Überlegenheit wurde dann zur Rechtfertigung der Politik von Herrschaft und Ausgrenzung herangezogen. Dieses Phänomen wurde von einigen als kultureller Rassismus bezeichnet. Mit dem Argument, dass Identitäten wie „arabisch“ und „muslimisch“ auf eine Weise ausgeschlossen und diskriminiert werden könnten, die expliziten Rassismus widerspiegele. Und dass diese Gruppen daher auch ohne eine artikulierte Vorstellung von Rasse „rassifiziert“ werden können. In dieser Sicht könne „Muslim“ so behandelt werden, als handle es sich dabei um eine ethnische Kategorie, ohne dass dieses es explizit sei.

Es besteht eine Schwierigkeit in der Anwendung dieses Konzepts auf Muslime. „Rassifizierung“ stammte aus der früheren Vorstellung von ethnischer Formierung und bezog sich auf die Wege, auf denen ethnischen Gruppierungen konstruiert werden und sich im Laufe der Zeit wandelten. Das sind nicht irgendwelche Gruppierungen, sondern ethnische. Diese enthalten im Kern eine Vorstellung von körperlicher Differenzierung. Eine rassebezogene Identität kann nicht auf solche physischen Unterschiede reduziert werden. Aber ohne sie verliert die Idee einer „rassischen Gruppe“ ihre Bedeutung.

Bevor wir untersuchen, wie „Muslime“ eine ethnische Identität sein könnten, darf eine schwerwiegende Folge der Vorstellung einer „Rassifizierung“ nicht unerwähnt bleiben. Erinnern wir uns, dass, während das System rassistisch sein soll, es ebenso frauenfeindlich, homophob und klassistisch sei. Wenn der neue Ansatz zur Islamophobie uns veranlasst, Islamophobie durch die Linse des Rassismus zu verstehen oder die Muslime als „rassifizierte“ Gruppe zu betrachten, verbleiben Frauenfeindlichkeit und Homophobie in ihren eigenen unabhängigen Kategorien. Muslime werden „rassifiziert“, aber Schwule nicht „religionisiert“. Werden Gruppen beispielsweise „gegendert“? Wir können sagen „Islamfeindlichkeit ist Rassismus“, aber nicht „Frauenfeindlichkeit ist Rassismus“ oder „Rassismus ist Homophobie“. Rassismus und Sexismus können sich demnach überschneiden, denn Ethnie und Geschlecht können nicht reduziert werden. Und diese Nicht-Reduzierbarkeit bedeutet demnach, dass Rassenunterdrückung und Geschlechtsunterdrückung nicht als Formen voneinander behandelt werden dürfen.

Die Art und Weise, in der Islam in den Rahmen der Intersektionalität gebracht wird, führt kein weiteres Parameter (das der religiösen Vorurteile) in die existierende Matrix von Unterdrückung ein. Vielmehr wird Religion in die bestehende Hierarchie eingefügt, indem man das Konzept von „Rassifizierung“ benutzt. In dieser Sichtweise stellen nur „Rassen“, Geschlechter, Klassen und sexuelle Orientierungen wirkliche Gruppen dar. Religiöse Vorurteile sitzen auf dem Schoß von Rassismus und haben keinen eigenen Platz am Tisch der sich überschneidenden Hierarchien.

Warum? Wenn Islamfeindlichkeit eine Form von Rassismus ist, von welcher Form ist Rassismus abgeleitet?

Die intellektuellen Grundlagen sowohl für die Ausweitung des Rassismus auf Strukturen und Wirkungen als auch für die Behandlung von Rassismus, Sexismus, Klassismus und Homophobie als die einzigen wirklichen Verflechtungsfäden in einer Unterdrückungsstruktur sind im Wesentlichen postmodern. So wuchs die Kritische Rassentheorie (Critical Race Theory/CRT im US-Original) aus den Kritischen Rechtsstudien (CLS). Sie basierten auf der Arbeit von Denkern in der Bewegung der kritischen Theorie (und anderen Formen von Philosophien mit marxistischen Wurzeln). Allerdings legten sie den „wissenschaftlichen“ Anspruch des Marxismus ab und nahmen eine neue Denkweise an, die sich nicht nur auf Klasse fokussierte, sondern eine allgemeine Kritik von „Kultur“ und „Identität“ beinhaltete.

Postmoderne Denker misstrauen im Allgemeinen Wahrheit und Objektivität und sehen den Anspruch auf objektives Wissen als Ausdruck eines Willens zur Macht oder eines anderen Triebs. Hinter den Behauptungen von Wahrheit und Moral verberge sich immer der Wunsch zu dominieren, der Impuls, Vernunft und Universalität als Kontrollmittel zu verwenden. Menschen seien Produkt ihrer kulturellen Bedingungen. Sie drückten ihre Kultur nicht aus, sondern ihre Kultur drücke sie aus. Wenn also jemand an Wahrheit oder das Gute glaubt, seien diese Überzeugungen per Definition nicht Ergebnis einer sich selbst bewussten menschlichen Seele, die fähig ist, aus sich herauszutreten und sich über die Umstände zu erheben. Sondern sie seien nur Teil einer Identität, die von den Strukturen geformt wurde, in denen man aufgewachsen ist.

Das ist eine eindeutige Vision von der Welt. Tatsächlich bieten die Kritische Theorie, Foucaults Genealogie, Derridas Dekonstruktion, Lacans Psychoanalyse und andere Spielarten der Postmoderne nicht nur eine neutrale Methode der Kritik, die Muslime und andere Gläubige zur Problemlösung nutzen können. Zu glauben, dass die Wirklichkeit so ist, wie es im Qur’an heißt, während man Grundfragen des Menschen mithilfe der Methoden von Foucault, Lacan oder Derrida nachgeht, heißt bestenfalls in einem Zustand extremer Spannung zu leben.

Man glaubt an Gott, aber widmet den eigenen rationalen und nachdenkenden Verstand einer Denkweise, die vom Glauben abhängt, dass Er nicht existiert. Man glaubt, dass man seine Seele wandeln und das Gute wählen muss, während man argumentiert, dass der innerste Sinn des Guten von sozialen Strukturen der Dominanz und der Beziehung zwischen „Körpern“ abhängt. Menschen können mit allen möglichen Widersprüchen leben, aber diese gehören zu den konsequentesten.

Obwohl postmoderne Denker den Anspruch von Wahrheit und moralischer Objektivität verwerfen und einem Modus der Handlung den Vorzug geben, brauchen sie definitive Antworten auf letzte Fragen und ein unerschütterliches Festhalten an ihren Überzeugungen. Ihr Versäumnis, den vorliegenden Selbstwiderspruch bei der Argumentation gegen die Vernunft oder der Verpflichtung zum moralischen Relativismus zuzugeben, zwingt uns nicht, Ideen anzuhängen, die bestenfalls zusammenhanglos sind. Gegen die Wahrheit zu argumentieren oder sich einem moralischen Relativismus zu verpflichten, bedeutet eine Behauptung von objektiver Wahrheit und der Moralität der eigenen Position.

Postmodernisten haben tatsächlich eine klare Vorstellung von dem, was Realität ist und was nicht. Aufgrund dieser Annahme deuten sie die Welt und stellen moralische Ansprüche. Es ist keinesfalls trivial, dass kein einziger der Philosophen an der Wurzel des „kulturellem Rassismus“ und der „Intersektionalität“ Gott oder die Existenz der Seele anerkannte. Alle sahen den Menschen als biologische Maschine an, die seinsvergessen in einem unbewussten Universum verschrieben waren, und glaubten, dass diejenigen, die solche Angelegenheiten der menschlichen Natur und des Schicksals meiden, unfehlbar auf die Autorität derjenigen verweisen, die das tun.

Solche Denker wollen nichts von einer Seele hören, die ihre Selbstbezogenheit überwinden kann, oder von Unglück, das eine Prüfung Gottes ist, oder von der Unmöglichkeit der vollkommenen Gerechtigkeit in dieser Welt oder davon, dem Böse Gutes zu erwidern. Postmodernisten haben sich einer Sprechweise über solche bleibenden Lehren verschrieben, wonach diese nichts als Täuschungen oder Tricks seien, die der Erhaltung von Herrschaft dienen. Einem System, in dem die Reichen von den Armen nehmen, Männer von Frauen und Weiße von People of Colour (PoC). Sie glauben, sie würden Leute (oder „Körper“) befreien. Aber sie haben auch unterschiedliche Antworten auf letzte Fragen. Sie glauben, man kann nur realistisch und anspruchsvoll über Rassismus (und andere soziale Missstände) sein, wenn man aufhört, religiöse Lehren ernst zu nehmen.

Religiöse Lehren sind ernsthaft. Zu ihren relevanten Aspekten gehört die feste Überzeugung, dass Menschen wahre Vernunft und Moralität entwickeln können. Der Mensch hat eine Seele, die zu Gutem und Bösem fähig ist. Sie kann ihren Egoismus überwinden, um nach der Wahrheit zu greifen und um das Richtige zu wählen; selbst, wenn viele daran scheitern. In den Augen von Postmodernisten sind solche Ansichten bestenfalls veraltete. Für sie ist das Ego nicht das niedere Selbst, sondern das einzige. Was traditionelle Religion als Geist oder Selbstbewusstsein nennen würde, sind für sie Erzählungen der Mächtigen für die Machtlosen. Die postmoderne Idee vom Selbst mündet in einer Umkehr der Beziehung von Vernunft und Leidenschaft. So wird der Gegensatz von rational und irrational bedeutungslos.

In der postmodernen Sichtweise handelt Rassismus vorrangig von Systemen und Strukturen, denn diese seien die wirkliche Ursache dessen, was wir naiv als individuelle Vorteile bezeichnen. Gebildet werden sie durch materielle Bedingungen, nur unsere Impulse erzeugen solch veraltete Vorstellungen von Wahrheit und Richtigkeit. Religion könne demnach keine echte Ursache menschlichen Verhaltens sein, denn sie beschäftigt sich mit Wahrheit und Rechtschaffenheit. Ideen, die bloße Ableitungen von Impulsen zur Dominanz anderer ethnischer Gruppen, zur Unterwerfung von Frauen, zur Aneignung von Reichtum oder ähnlicher „realer“ Faktoren seien.

Der postmoderne Zugang zu Problemen schafft Denkmuster, die schleichend die Seele vergiften. Wenn man eine Form von irrationalem Egoismus wie Rassismus oder religiöser Vorurteile nur als Produkt von Identität betrachtet, das nur durch Macht kontrolliert werden kann, hört man auf, die Möglichkeit menschlichen Wachstums und Verstehens ernst zu nehmen. Wenn der Reflex im Umgang mit menschlichen Problemen darin liegt, sie alle als Funktionen einer soziopolitischen Struktur zu sehen sowie Menschen nur in Hinblick ihrer unausweichlichen „Identität“, was bleibt dann von der Vorstellung des spirituellen Lebens im Islam? Und was bleibt von der Reinigung der Seele, dem Wachstum von Liebe zu Gott und dem Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, und der Vertiefung des Gewissens? Durch das Antworten auf Vorurteil und Hass als quasi-mechanischer Unterdrückungsmatrix bestärkt man in sich eine Haltung, die besagt, dass Menschen bloße Produkte ihrer Kultur seien. Und dass der einzige Weg zum Wandel in Macht liege. Alles wird Politik. Und nur Zyniker können anspruchsvoll sein.

Solche heimtückischen mentalen Gewohnheiten sind schlimm genug. Aber weit schlimmer ist es, wenn die postmoderne Kritikmethode sich explizit auf die Religion selbst bezieht. Wenn beispielsweise die Botschaft des Islam in der postmodernen Reaktion gegen die liberale „Farbenblindheit“ gefangen ist. Im Qur’an und im Leben des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, werden Menschen aufgerufen, über Hautfarbe und Stammeszugehörigkeit hinauszublicken, und Leute anhand ihres Verhaltens und ihrer Herzen zu beurteilen.

Muslime haben Recht mit der Aussage, dass ihre Religion Rassismus verabscheute. Und sie sind korrekt, wenn sie auf den Propheten, Allahs Heil und Segen auf ihm, verweisen, der jede Überlegenheit auf irgendeinem Konzept von Rassismus ausdrücklich ausschloss. Die Geschichte von Rassismus und Stammesdünkel unter Muslimen kann die islamischen Lehren über Rassismus genauso wenig ändern wie die Präsenz von Alkoholismus, seine Lehren über den Alkohol ändert.

Rassismus ist eine Krankheit, von der Muslime alles andere als immun sind. Doch hat ihre Religion ein Heilmittel dagegen. Die qur’anische Botschaft ist in jedem Fall keine farbenblinde, sondern eine Feier der Reichhaltigkeit und Vielfalt unter den Menschen. Traurigerweise wird Muslimen, die den Anti-Rassismus und Anti-Tribalismus des Islam loben, manchmal vorgeworfen, sie verschleierten das Problem weißer Überlegenheit. Aber seine Lehren sind nicht die Zusammenstellung eines Systems, das seine Fortdauer sichern will, indem es den universalistischen Diskurs als Feigenblatt benutzt. Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, lehrte das wirklich. Islam ist in seinen Lehren über Rassismus tatsächlich universalistisch.

Wenn es um Rassismus geht, sind Muslime nicht auf naive Slogans wie „Liebe überwindet Hass“ beschränkt. Hass und Unwissenheit sind Formen von Selbstbezogenheit. Aber auch Stammesdünkel, Gier und Eifersucht sind das. Wir sollten eine tiefgreifende Lehre der menschlichen Natur nicht aufgeben, weil einige Philosophen dieser Tage behaupten, sie allein hätten herausgefunden, wie Menschen sich organisieren können, um ungerechte Systeme zu schaffen, die sie für gerecht halten. „Und wenn man zu ihnen sagt: ‘Stiftet kein Unheil auf der Erde!’ sagen sie: ‘Wir sind ja nur Heilstifter’.“ (Al-Baqara, Sure 2, 11)

Als am erschreckendsten wird im Qur’an die Kategorie von Menschen beschrieben, die glaubt, sie handele richtig, aber dies in Wirklichkeit nicht tut. Und das erstreckt sich auf Ansprüche wie Farbblindheit oder ethnische Gleichheit. Das Verlangen nach Überlegenheit ist ein tiefer Teil des Egos. Die Sufis sagen: Die letzte Untugend, welche die Seele der Aufrichtigen verlässt, ist das Verlangen nach Kontrolle und Führung. Wir brauchen die Postmodernisten nicht, um uns das zu sagen, noch sollten wir es vergessen.

Muslime können und sollten eine anspruchsvolle Rassismustheorie besitzen. Und die verstecken Wege ansprechen, auf denen sich Vorurteile zeigen können. Sie sollten auch die Art und Weise kennen, in denen Ungleichheiten generationsübergreifend – und zwischen verschiedenen Lebensbereichen – als Folge von Missgunst, Selbsttäuschung, Unfähigkeit und Unwissenheit bestehen können. Eine solche Theorie sollte sie jedoch nicht dazu treiben, ihren Glauben an Gott, die Seele oder das Jenseits in ironische Ferne zu rücken. Sie sollten sich daran erinnern, dass der Diskurs über Rassifizierung, Intersektionalität usw. nicht nur eine rein theoretische oder wertneutrale Methode der Strukturanalyse ist. Er leitet sich ab von einem düsteren, bedeutungslosen und falschen philosophischen Bild der Welt – ganz gleich, ob diese Weltanschauung bewusst wahrgenommen wird oder nicht. Diese Ideen haben akademische Felder wie Recht, Soziologie, Anthropologie, Geschichte und vergleichende Literaturwissenschaft durchdrungen. Und von dort aus beeinflussten sie Aktivisten, Journalisten, Menschenrechtsorganisationen und Denkfabriken. Heute fanden sie ihren Weg in die Definition antimuslimischer Vorurteile und – daraus folgend – in die Definition von Islam.

Die Wirkung dieser philosophischen Ideen kann am krassen Gegensatz zwischen dem Bericht des einflussreichen Runnymede Trust von 1997 und von 2017 abgelesen werden. Beide Studien kamen von der gleichen Organisation und beleuchten den Wandel im Umgang mit antimuslimischer Engstirnigkeit. Der Bericht von 1997 ordnete seine Ergebnisse zur anti-muslimischen Borniertheit um Ideen wie „Feindseligkeit und Vorurteile“ und definierte Bestimmungsgrößen der Diskussion aufgrund von „offenen“ und „abgeschlossenen“ Sichtweisen des Islam. Neben seinem Augenmerk auf das Schaffen von Stereotypen und Unwissenheit merkt der Text auch an, dass „Islamfeindlichkeit in Großbritannien häufig mit Rassismus vermischt ist (…). Eine enge Sichtweise auf Islam hat die Rechtfertigung solchen Rassismus zur Folge“. Die Rolle von Rassismus war wichtig, aber sicherlich nicht das dominante Thema in dem Bericht von 1997. Im Text von 2017 nun – wie im Großteil des heutigen Diskurs über Islamophobie – wurde der vorherige Ansatz über Bord geworfen und die Definition von 1997 aufgehoben. Nun heißt es wie folgt: „Definition: Islamophobie ist anti-muslimischer Rassismus.“

Das aktuelle Papier rechtfertigt seine Neudefinition teilweise so: „Unter Soziologen ist es Allgemeingut, über verschiedene Formen von Rassismus zu sprechen sowie über ‘Rassifizierung’ und sogar über ‘Rassismus ohne Rassen’. Die Vorstellung, Rasse ist ein soziales Konstrukt, ist heute bekannter und wird auch außerhalb des akademischen und politischen Spektrums bestätigt.“ Über andere mögliche Definitionen heißt es in dem Bericht: „Sich nur auf antimuslimischen Hass (oder auf antimuslimische Vorurteile und Diskriminierung) zu beziehen, lässt die weit verbreitete (oder strukturelle) Art und Weise, wie rassistische Ungleichheiten fortbestehen, nicht vollständig erkennen.“

Warum sollten „ethnische Ungleichheiten“ und das Beharren auf sie über anderen Arten von Diskriminierung stehen? Hieraus ergibt sich eine Frage: Uns wird gesagt, es sei falsch, antimuslimischen Rassismus „antimuslimisches Vorurteil“ zu nennen, weil er Rassismus nicht vollständig erfasst. Wie wurde vorher festgelegt, dass wir es nur mit anti-muslimischem Rassismus zu tun haben oder dass der einzige relevante Rassismus strukturell ist? Die neue Definition hebt die alte auf; einfach, weil es als richtig angesehen wird.

Während es der Fall sein mag, dass einige Soziologen über „strukturellen Rassismus“, „Rassifizierung“ oder „Rassismus ohne Rassen“ sprechen, so ist es auch der Fall, dass die Öffentlichkeit – zum Besseren oder Schlechteren – diese spezialisierten Vorstellungen kaum versteht. Sie fährt damit fort, Rassismus in seinem Alltagsgebrauch zu verwenden. Müssen Menschen beispielsweise ihre Vorstellung von „Wahrheit“ und „Bedeutung“ ändern, weil einige Philosophen sagen, dass Wahrheit „das, was nützlich ist, zu glauben“ oder besteht diese Bedeutung aus den „Wahrheitsbedingungen“ eines Satzes? Sollte man versuchen, Politik auf Basis solcher dunklen Definitionen formulieren? Oder sollte man auf der Basis dessen arbeiten, wie Worte von den fähigen Sprechern der Sprache benutzt werden? Die Leute wissen längst, was Vorurteil, Bigotterie, Stereotype und Voreingenommenheit sind. Und sie werden eine Definition begreifen, die in solchen Begriffen spricht.

„Rassifizierung“ ist hoch umstritten; selbst in jenen Bereichen, in denen sie von Bedeutung sein kann. Wird sie aber auf Religion angewandt, handelt es sich um eine Methode aus dem Stegreif, religiöse Intoleranz in eine der Kategorien einzuteilen, die man zu akzeptieren bereit ist – entweder Rasse, Geschlecht, Klasse oder sexuelle Orientierung. Es ist eher schwierig, Beispiele für die sogenannte Rassifizierung von Muslimen zu finden, die nicht klarer und genauer als „Stereotypisierung“ oder „Voruteil“ verstanden werden kann. Alle Fälle von Stereotypen, Schubladendenken, Vorurteil und Klischees über Muslime werden automatisch als „Rassismus“ oder „Rassifizierung“ neu klassifiziert. Aber das ist ein Fehler, denn „Rassifizierung“ dreht sich um „Rasse“. Aber Muslime sind keine solche – und niemand glaubt, dass sie es seien. Der Begriff „Rassifizierung“ ist nur dann sinnvoll, wenn jemand auf einer bestimmten Ebene meint, die betreffende Gruppe sei „rassisch“ unterschiedlich. Sind alle Formen von Sektierertum Fälle von „Rassifizierung“?

Die Vorstellung von „Rasse als soziales Konstrukt“ ist nur dann sinnvoll, wenn wir diese Frage beantworten können: ein Konstrukt wovon? Etwas einfach ein „Konstrukt“ zu nennen ist wie das Etikett „Illusion“: Es muss ein Konstrukt oder eine Illusion von etwas sein? Die Fata Morgana ist ein Trugbild von Wasser, nicht Bäumen. Bezeichnet man „Rasse“ als etwas Konstruiertes, heißt das nicht, dass Menschen andere nicht in Gruppen einteilen können. Schließlich könnte man Leute nach der Form ihres Daumennagels aufteilen und ihnen Eigennamen geben. Damit ist gemeint, dass Klassifizierung nach „Rasse“ keine wichtigen oder sich daraus ergebenden Unterschiede zwischen menschlichen Gruppen erfasst.

Aber für Rassisten sind „Rassen“ kein Konstrukt. Für diese sind sie echt und bedeutungsvoll. Gibt es keine oberflächlichen Unterschiede (wie Hautfarbe) finden sie andere, verborgene (Größe des Gehirns, Schädelform, DNS-Anteile oder nur ein vager Sinn für Abstammung). Im Kern hat „Rasse“ immer einen vermuteten Aspekt von biologischer oder körperlicher Differenzierung. Diese körperlichen Unterschiede werden häufig nachträglich aus dem Stegreif unterstellt, um bestehende Hierarchien zu rechtfertigen. Aber ohne den Glauben an solche eingebildeten Unterschiede gibt es weder „Rassen“ noch „rassifizierte“ Gruppen.

Tatsächlich ist „Rasse“ ein soziales Konstrukt. Na und? Religionen sind keine bloßen Zusammenschlüsse menschlicher Körper. Die Anwendung von „Rasse als soziales Konstrukt“ auf religiöse Intoleranz und Bigotterie ist ein Kategorienfehler. Das ist eine Idee (wie „Rassifizierung“ oder „rassische Formierung“), die nur in ihrer eigenen relevanten Domäne von Bedeutung ist. Sie betrifft Leute, die immer noch irgendwie an der Vorstellung festhalten, wonach solche Unterschiede bestünden und dass körperliche/biologische Spielarten eine Rolle spielten. Sie können uns beim Verständnis von Islamophobie nur insofern helfen, da die betroffenen Eiferer Rassisten sind und ihr Hass auf Muslime eine Ableitung ihres Hasses auf andere Menschengruppen sind. Andernfalls müssen wir zunächst davon ausgehen, dass jede anti-muslimische Feindseligkeit Rassismus sei, bevor der Begriff „Rasse als soziales Konstrukt“ für das Verständnis von Islamfeindlichkeit relevant wurde.

Gegner von Muslimen „Rassisten“ zu nennen, kann ein wirksames Argument im Auge der Öffentlichkeit sein. Bedeutet das aber, dass der Rassismus-Vorwurf immer wahr oder sinnvoll sein wird? Christen predigten 14. Jahrhunderte lang gegen Muslime? Waren das alles Rassisten? Philosophen haben seit der Renaissance das traditionelle Christentum in ähnlicher Weise verspottet, wie sie es mit Islam tun. Kann Rassismus das Ganze umfassend erklären? Gewiss einiges, aber alles?

Rassistisch motivierte Menschen, die Islam oder Muslime angreifen, verbergen sich häufig hinter Aussagen wie „ich kritisiere nur Ideen“ oder „manche Werte sind besser als andere“. Sie leugnen vielleicht auch die Existenz einer Kategorie wie Islamophobie. Wollen wir an einer bedeutungsvollen Vorstellung des Islam festhalten, die tatsächlich aus einer Reihe von Ideen und Werten besteht, dann ist die Möglichkeit, dass ein Rassist seinen Rassismus dahinter verbirgt, ein Risiko, mit dem wir leben müssen. Zumindest dann, wenn wir unsere spirituelle Integrität bewahren wollen.

Mir ist klar, dass Muslime verletzlich sind, sich in Verteidigungsstellung befinden und erschöpft davon sind, sich ständig erklären zu müssen. Rassismus sowie dumme, ignorante und grausame Bigotterie sind oft der Grund für dieses Trommelfeuer. Das heißt aber nicht, dass man automatisch jegliche anti-muslimische Feindseligkeit als rassistisch einstufen sollte. Die Ad-hoc-Anrufung von „Rassifizierung“ zur Ermöglichung solcher Pauschalurteil ist keine gute Lösung.

Sollte man glauben, das Kopftuch werde nur als „sichtbarer Marker“ einer „rassischen“ Ablehnung feindlich behandelt. Gibt es nichts in der spirituellen und intellektuellen Botschaft des Islam, was eine große Menge an Leuten als Idee bedrohlich finden? Wenn der Qur’an die grassierende Feindseligkeit verschiedener Gruppen gegenüber der frühen muslimischen Gemeinschaft beschreibt, ist das alles einfach Rassismus? Was wäre die Bedeutung von „euch eure Religion und mir meine Religion“ (Al-Kafirung, Sure 109, 6), wenn es nur um biologischen oder kulturellen Rassismus geht? Bekämpfte Abu Lahab seinen Neffen, den Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, weil seine Gefährten „rassifiziert“ waren? Wenn der Qur’an immer wieder sagt, dass gläubige Gemeinschaften im Laufe der Geschichte angegriffen wurden, weil sie sagten „unser Herr ist Allah“, handelt es sich um kulturellen Rassismus?

Wie wissen von der gemeinsamen Erfahrung, dass Menschen zu irrationalen Bindungen und Feindschaften aus vielen Gründen fähig sind. Und doch soll Rassismus der einzige Grund für Vorurteile gegenüber Islam und Muslimen sein?

Muslime, die (bewusst oder nicht) den Diskurs der Kritischen Rassetheorie und verwandte Ansätze übernehmen, müssen sich daran erinnern, dass die Quellen dieser Ideen sich überhaupt nicht mit Religion beschäftigten. Sie drehen sich um Rasse, Geschlecht, Sexualität und Klasse … Punkt. Wenn sich Theoretiker und Aktivisten nur mit Islam als Eigentum von Nicht-Weißen sowie als einen Aspekt von nicht-weißer Subjektivität oder Identität beschäftigen, ist das ihre Sache. Man sollte seine Religion nicht durch den postmodernen Schredder jagen müssen, um Unterdrückten zu helfen oder sich von Unterdrückung zu befreien. Muslime müssen die Probleme dieser Welt in ihrem eigenen intellektuellen Rahmen handhaben. Erfahrung in weltlichen Dingen muss nicht die höchsten Verpflichtungen kosten. Dass Muslime Feindschaft von verschiedenen Seiten erfahren (oder mindestens darüber denken müssen), ist alltäglicher Fakt. Wie wir uns dem stellen, wird uns als Menschen unweigerlich ändern – zum Besseren oder Schlechteren.

Damit diese dauerhafte Aufmerksamkeit für Konzepte und ihre Ursprünge nicht als zu abstrakt gilt, sollten wir „Rassifizierung“, „strukturellen Rassismus“ und „Rassismus ohne Rassisten“ umkehren. Muslime könnten auf den „strukturellen Anti-Theismus“ der Universitäten und des intellektuellen Lebens verweisen, der häufig als eine Maschinerie des „Anti-Theismus ohne Anti-Theisten“ funktioniert. Uns wurde gesagt, dass die farbenblinde und post-rassische Gesellschaft Rassismus maskiert und verlängert. Was aber wäre, wenn Muslimen sagen, dass der Anspruch auf eine religions-neutrale Gesellschaft nur den Bestand eines wütenden Szientismus, Materialismus und Nihilismus sichert, welche die eigentlich dominanten Religionen sind. Wissenschaft mag keine Religion als solche sein, aber sie wurde fromm gemacht. Wir werden manchmal gebeten, uns bewusst zu werden, wie Mikroagressionen und subtilen Ausschlüsse Minderheiten betreffen. Aber Muslime können auf eine intellektuelle und künstlerische Kultur verweisen, die es schwierig oder gar unmöglich macht, sich an Gott zu erinnern und ein inneres Leben zu entwickeln. Das ist eine Kakophonie metaphysischer Mikroaggressionen.

Ich will überhaupt nicht mit einem solchen Jargon über die Schwierigkeiten der Welt zu sprechen. Ich möchte nur die Tatsache hervorheben, dass Theorien und Definitionen nicht neutral sind und dass sie sich notwendigerweise an endgültigen Verpflichtungen orientieren, die nicht immer allgemeingültig sind. Ich zweifle stark daran, das beispielsweise irgendein Anhänger von Foucault sein Gebiet als „strukturell anti-theistisch“ oder Darwinismus als seine dominante Religion bezeichnen würde. Solche Konzepte wären voller Voraussetzungen, die sie nicht akzeptieren könnten. Sie würden verstehen, dass die Annahme eines Diskurses über die „Religionisierung“ von Wissenschaften oder den strukturellen Anti-Theismus der akademischen Welt sie zu bestimmten Voraussetzungen verpflichten würde; selbst wenn diese Voraussetzungen nicht sofort offensichtlich oder explizit diskutiert wurden.

Uns sollte bewusst sein, dass es gefährlich sein kann, die Pferde scheu zu machen. Wahr ist, dass Rassismus – ignoranter, egoistischer, grausamer Hass, der auf irreversiblen biologischen Unterschieden beruht – lebendig und eine der Kräfte ist, die das Böse auf der Welt hervorbringen. Ich wage sogar, zu behaupten, dass Rassismus in vielen Fällen, eine Hauptkomponente von Feindseligkeit gegenüber Muslimen ist. Daher kann die Definition von Islamophobie als „Rassismus“ als Annäherung funktionieren. Aber wenn man Dinge als „rassistisch“ bezeichnet, die es nicht sind und es eine hoffnungslose Neudefinition von „Rassismus“ erfordert, um fast jeden Gruppenhass einzuschließen, verliert der Vorwurf seine Macht. Denn er klingt nicht wahr und wird den Hauch von Zweckmäßigkeit in sich tragen. Nicht nur wird das nicht helfen, nicht-rassistische Motive hinter Islamophobie zu verstehen, die absolut entscheidend sind. Es wird uns auch die Fähigkeit entziehen, ihre tatsächliche rassistische Komponente zu identifizieren und mit ihr umzugehen.

Aus ähnlichen Gründen glaube ich, dass die Bezeichnung „rassistisch“ für jeden anti-muslimischen Hass von anderen Minderheiten als parasitär und opportunistisch empfunden wird. Hier denke ich insbesondere an die USA. Afroamerikaner (Muslime und Nichtmuslime) können verärgert sein, dass viele Muslime das soziale Kapital nutzten, das die Afroamerikaner in jahrzehntelangen Kämpfen aufgebaut haben, ohne sich um den Unterschied zwischen tatsächlicher rassistischer Überlegenheit und anderen Formen von Bigotterie, Intoleranz und Vorurteilen zu kümmern.

Ganz abgesehen davon: Hat der Versuch, Islamfeindlichkeit als Rassismus neu zu definieren zu guten Ergebnissen geführt oder Bewusstsein geweckt, was nicht auch anders und besser möglich gewesen wäre? Wir dürfen nicht vergessen, dass Vorurteile gegen Muslime lange vor diesen neuen Definitionen abgelehnt und bekämpft wurden. Verschiedene religiöse Führer haben sich ernsthaft – und manchmal erfolgreich – um die Reduzierung von antireligiösem Hass bemüht. Internationale Menschenrechtsorganisationen nehmen religiöse Diskriminierung seit langem als eigenständige Kategorie ernst. Muslime in Amerika sollten nicht in die Hände von Islamfeinden fallen, die Islam eben als etwas anderes als eine Religion definieren wollen. Vielmehr sollten sie handeln, um den breiten Schutz des ersten Verfassungszusatzes (d.h. der Schutz der freien Religionsausübung), die im Laufe der Zeit aufgebaut wurden, um Glaubensbekundungen zu schützen. Man kann auf dieser Geschichte aufbauen, anstatt sie abzuwerfen.

Im Qur’an wird die heidnische Gesellschaft und Religion der vorislamischen Araber als „Dschahilijja“ beschrieben. Das umfasst sowohl Unwissenheit als auch schlechten Charakter. Dschahil ist eine Person, die den Unterschied zwischen richtig und falsch in beiderlei Hinsicht nicht verstehen kann. Aber die Dschalijja war nicht vollkommen schlecht: Islam bewahrte und ehrte das Gute dieser Gesellschaft. Und Menschen, die individuell ignorant und schlecht waren, konnten Wissen erlangen und ihren Charakter verbessern.

Im Angesicht von Rassismus, Entwürdigung von Frauen, Unterdrückung der Armen, Folter, Exil und Tod griff der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, niemals auf Argumente wie „strukturelle Dschahilijja“ oder „Dschahilijja ohne Dschahils“ zurück. Er war politisch versiert, aber kein Zyniker. Muslime gaben niemals ihren Glauben auf, dass Menschen fähig sind zu Wissen und Güte, dass Allahs Wille überragend ist und dass Er jeden rechtleiten kann. Sie müssen eine Sicht der menschlichen Natur zurückweisen, in der die Begriffe Vorurteile und Ignoranz zunichte gemacht werden, weil Urteil und Wissen eigentlich nur Formen des Willens zur Macht seien. Denkt man so, wird man unausweichlich glauben, dass man nur überwinden und nicht lehren kann. Dass man nur besiegen oder besiegt werden kann. Auf lange Sicht wird das nur das schlechteste, nicht das beste, in den Menschen hervorbringen.

Das Essay erschient am 6. Februar 2020 im amerikanischen Magazin „Renovatio“ des Zaytuna Colleges.