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Der AfD fehlt es nicht an Feindbildern

Foto: Metropolico.org | Lizenz: CC BY-SA 2.0

„Merkel muss weg!“ und „Deutschland, Deutschland“ hallte durch den Saal, als das Spitzenduo der AfD für die Bundestagswahl vor das Rednerpult trat. Klare Kante will die AfD gern zeigen – doch das gelingt ihr nicht immer.
Köln (KNA). Auf einmal geht alles sehr schnell. Machen am Sonntagvormittag noch Gerüchte die Runde, wonach die AfD ein aus sechs Mitgliedern bestehendes Team für die Bundestagswahl ins Rennen schicken will, schaffen die Delegierten auf dem Bundesparteitag in Köln wenig später Fakten. Sie wählen Alexander Gauland und Alice Weidel als Spitzenduo.
Die 38 Jahre alte Unternehmensberaterin schlug direkt nach ihrer Wahl markige Töne an. „Wir haben es in der Tat allen gezeigt“, sagte sie und zählte dazu die Medien, die „Altparteien“ und die Demonstranten, die sich in Hör- und Sichtweite des Tagungsortes versammelt hatten. Für „unser Deutschland“ wolle man kämpfen – „so wahr Gott helfe“, kündigte Weidel unter „Deutschland, Deutschland“-Rufen und stehendem Beifall der Delegierten an.
Alexander Gauland, 76, richtete versöhnliche Töne an seine Parteichefin und Kritikerin Frauke Petry, die zu Beginn des Parteitages mit ihrem Ansinnen gescheitert war, die AfD auf den „realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei“ einzuschwören. „Wir brauchen Sie“, so Gauland. Aus seiner Geringschätzung für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) macht er dagegen keinen Hehl. Die Zuhörer skandierten „Merkel muss weg!“
Merkel, Medien, Muslime – an Feindbildern scheint in der Partei kein Mangel zu herrschen. An starken Forderungen und steilen Thesen ebenso wenig. Das zeigte sich an den turbulenten Debatten über das Wahlprogramm. Zu dem ursprünglich 66 Seiten umfassenden Entwurf lagen mehr als 100 Änderungsanträge vor.
Die Delegierten entschieden sich dagegen, den Ruf nach einer Freigabe der passiven Sterbehilfe nach Schweizer Vorbild in das Programm aufzunehmen. Keine Mehrheit fand auch eine Initiative für ein Verbot der Beschneidung bei Jungen.
Aufgenommen in das Wahlprogramm wurde dagegen die Forderung eines Ausschlusses der Türkei aus der Nato – ungeachtet der Einwände einiger Delegierter, dass dies politisch und praktisch komplett illusorisch sei. Die Türkei sei „ein Sicherheitsrisiko“ beschied die zu den Antragstellern gehörende Beatrix von Storch kurz und knapp – und konnte die Mehrheit der Stimmen gewinnen.
Breite Unterstützung fand auch der Ruf nach einem Umbau des Systems der Kirchenfinanzierung. In ihrem für das Wahlprogramm angenommen Antrag fordert die AfD nun, „die Bezahlung von Kirchenrepräsentanten wie Bischöfen etc.“ aus allgemeinen Steuermitteln abzuschaffen. Die Vertreter der christlichen Kirchen hätten „durch ihre einseitigen, demokratiefeindlichen Stellungnahmen und Handlungen gegen die legitimen Positionen der AfD“ jegliches Anrecht auf Unterstützung durch ein demokratisches Gemeinwesen verwirkt. Nebenbei: Die Kirchensteuer der Mitglieder wird vom Finanzamt eingezogen und an die Kirchen weitergegeben – wobei der Staat dafür rund drei Prozent erhält.
Scharfe Kirchenkritik war bereits zum Auftakt des Treffens zu hören. In ihrer Rede kritisierte Petry die Beteiligung der Kirchen an den Anti-AfD-Demonstrationen. Sie sprach von „hässlichen, abwertenden und polarisierenden Bemerkungen“. Ähnlich äußerte sich Bundesvorstandsmitglied Armin Paul Hampel. Unter Beifall rief er zum Kirchenaustritt auf: „In dem Verein sollte keiner von uns mehr Mitglied sein.“
Nicht bei allen Delegierten stießen solche Töne auf Zustimmung. „Ich stehe dem kirchenkritischen Kurs, wie ihn Teile der AfD-Delegierten auf dem Parteitag vertreten haben, ablehnend gegenüber“, sagte Hubertus von Below. Der evangelische Sprecher der „Christen in der AfD-Mitteldeutschland“, betonte aber, dass ihn die Haltung der Spitzenvertreter der großen Kirchen gerade gegenüber den AfD-Mitgliedern ärgere. „Katholische und evangelische Kirche sind gut beraten, mit allen Teilen der Gesellschaft zu sprechen.“
Der Kölner „Sozialpfarrer“ Franz Meurer hatte es kurz vor dem Parteitag so formuliert: „Wenn man nicht miteinander redet, ist Demokratie für die Katz.“ Das stimmt – fällt vielen allerdings nicht gerade leicht bei einer Partei, die nach rechtsaußen die Tore weit aufhält. Und etwa einer Debatte um die umstrittenen Äußerungen ihres Mitglieds Björn Höcke zum Gedenken an den Judenmord der Nazis abermals aus dem Weg ging. Da ist die AfD nicht knallhart – sondern butterweich.