Der globale, von den USA dominierte „Krieg gegen den Terror“ führt in den betroffenen Ländern zu schweren Schäden. Von Linus Atarah & Ashfaq Yusufzai

Ausgabe 203

(IPS). Dass einige Staaten, ihre Sicher­heitsorgane und das Militärbündnis NATO seit mehr als einem Jahrzehnt grenzübergreifend und jenseits rechtlicher Beschränkungen mutmaßliche Terroristen angreifen, ist nicht nur eine alltägliche Realität, sondern wird nur selten hinterfragt. Im Bundestag wird die Verlängerung des so genannten „Bundeswehrmandats“ für den „Einsatz“ in Afghanistan seit Jahren ohne viel Federlesen von den entscheidenden ­Fraktionen durchgewunken.

Von Afghanistan und dem pakistanischen Grenzgebiet, über Zentralasien bis zum Horn von Afrika und den nordwestafrikanischen Trockenzonen – längst sind diese Gebiete zur Zone rechtsfreier Interventionen und Angriffe geworden. Und zwar egal, ob dies den nationalen Regierungen passt oder nicht. Die Folgen dieser „extralegalen Tötungen“ – gerade nahm sich die US-Regierung das Recht heraus, im Jemen mutmaßliche Terroristen mit Hilfe von Drohnen zu eliminieren – betreffen nicht nur eine immer de-humanisierte US-Soldateska.

Es sind vorrangig die betroffenen Gesellschaften und ihre Menschen selbst, die ­direkt oder indirekt unter den Folgen des scheinbar nicht enden wollenden Antiterrorkampfes zu leiden haben. So belau­fen sich die volkswirtschaftlichen Kosten, die Pakistan – der Noch-Verbündete der USA – seit Jahren für die Operationen von US-Truppen und der eigenen Streitkräfte gegen mutmaßliche „Terroristen“ bezahlen muss, auf Mil­liardensummen im zweistelligen Dollarbereich. Und das, obwohl die Folgen der Flutkatastrophe längst noch nicht behoben wurden.

Neben den materiellen Kosten, sind es vor allem humanitäre Folgen, die der Antiterrorkrieg fordert. In den Stammes­gebieten entlang der Nordwestgrenze ­Pakistans, wo sich in den vergangenen Jahren die Armee und die „Taliban Pakis­tans“ blutige Gefechte lieferten und wo US-Einheiten seit Jahren mit Drohnenangriffen intervenieren, wurden in Folge tausende Frauen traumatisiert. „Der andauernde Krieg hat bei der Mehrheit der Menschen in den Stammesgebieten (FATA) zu psychologischen Problemen geführt, insbesondere unter den Frauen“, berichtet Prof. Syed Muhammad Sultan am Khyber-Lehrkrankenhaus in Peschawar. Von den 15.000 Menschen, die im letzten Jahr von Psychiatern behandelt wurden, waren 9.833 Frauen. „Viele Frauen haben Angehörige oder Freunde verloren – durch die pakistanische Armee oder durch die Kämpfer der Taliban.“

Im letzten Jahr berichtete die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass 451.377 Menschen (darunter 345.899 Frauen) in den FATA-Gebieten unter psychischen Problemen litten. Laut Dr. Jamal Shah suchen Ärzte bei jedem Patienten mittlerweile nach Anzeichen von seelischen Problemen, während sie Menschen in den Stammesgebieten behandeln. Viele leiden wegen des Verlusts von Angehörigen und Eigentum unter Depressionen. „Unsere Leute sind zwischen Armee und den Taliban eingekeilt. Dies hat das Leben der normalen Menschen zum Elend werden lassen“, sagte ­Saleema Bibi, die im Konflikt ihren Ehemann und zwei Söhne verloren hat.

Der Kampf mit dem nebulösen ­Terror hat auch am Horn von Afrika, namentlich in Somalia, zu gravierenden Ergebnissen geführt. Und das, obwohl die ­Region seit Jahren unter verheerenden Dürre- und Hungerkatastrophen leidet. Bei der letzten im Jahre 2011 wurden die radikalen Al-Shabaab-Milizen verantwortlich gemacht. Aber nach Ansicht des US-amerikanischen Politikwissenschaftlers Ken Menkhaus spielen die Antiterrorgesetze der USA eine ebenso entschei­dende Rolle dabei, dass die betroffenen Hungeropfer nicht ausreichend durch Nothilfe erreicht wurden.

Viele humanitäre hätten ihre Lebensmittelhilfe nicht nur nach Repressalien durch die Al-Shabaab eingestellt, ­sondern ebenso aus Furcht, sie könnten den US Patriot Act verletzen. Da diese radikalen Kämpfer wegen ihrer Affinität als somalische Zelle von Al-Qaida gelten, befürchteten die internationalen Helfer, dass man ihnen nach Lebensmittellieferungen in Gebiete, die von Al-Shabaab kontrolliert wurden, Unterstützung von Terroristen vorwerfen könnte. Aus diesem Grund zogen sich viele Humanitäre aus den entsprechenden Regionen Somalias zurück.