Der Hass auf Frauen

Ausgabe 276

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(KNA). In Indien haben in den vergangenen Wochen erneut Fälle von Vergewaltigungen und Verbrennungen der Opfer für Entsetzen gesorgt. Im Bundesstaat Madhya Pradesch wurde ein 16-jähriges Mädchen zunächst vergewaltigt und anschließend bei lebendigem Leib angezündet, wie die örtliche Polizei mitteilte. Wenige Tage zuvor hatten sich im Bundesstaat Jharkhand zwei ähnliche Fälle ereignet. Ein ebenfalls 16 Jahre altes Mädchen war nach einer Gruppenvergewaltigung in ihrem Elternhaus verbrannt worden. Eine 17-Jährige im Ort Pakur wurde von einem Mann aus der Nachbarschaft vergewaltigt und dann angezündet. Eines der beiden Opfer starb, das andere schwebt in Lebensgefahr.
Die brutalen Taten erhöhen den Druck auf die indische Regierung, sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen entschiedener zu bekämpfen. Bereits Wochen zuvor war es landesweit zu Protesten gekommen, nachdem im April die Vergewaltigung und Ermordung eines achtjährigen muslimischen Mädchens im Bundesstaat Jammu und Kaschmir bekannt geworden war. Der Fall hatte die Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften verstärkt – die mutmaßlichen Täter waren Hindus – und eine politische Dimension erreicht, nachdem Politiker der hindu-nationalistischen Partei BJP gegen die Festnahme der Täter protestierten. In Jammu und Kaschmir ist die BJP Mitglied einer Regierungskoalition.
Angesichts der anhaltenden Proteste ordnete die Regierung im April die Einführung der Todesstrafe für Vergewaltiger von Kindern unter zwölf Jahren an. Präsident Kovind verurteilte das Verbrechen an der Achtjährigen als „Schande“. „Es liegt in unserer Verantwortung, sicherzustellen, dass keinem Mädchen und keiner Frau so etwas geschieh.t“ Verhaltener äußerte sich angesichts der jüngsten Vorfälle in Madhya Pradesch Innenminister Bhupendra Singh. „Perversionen und Pornografie“ seien die Ursachen für den Anstieg „solcher Vorfälle“, zitierten Medien den Minister.
Unterdessen mehren sich die Forderungen nach einem konsequenten Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt. Kritiker mahnen, Schritte wie die Einführung der Todesstrafe könnten die Ursachen der Brutalität nicht beheben. Sollte die Regierung ernsthaft gegen Gewalt an Frauen und Kindern vorgehen wollen, müsse „sie die harte Aufgabe der Reform des Strafrechtssystems angehen und sicherstellen, dass Täter nicht durch politische Patronage vor der Strafverfolgung geschützt werden“, sagte unlängst die Indienexpertin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Meenakshi Ganguly.
Bereits im April hatte der Dachverband der protestantischen Kirchen von Ministerpräsident Narendra Modi ein „Ende der Kultur der Vergewaltigung, sexuellen Gewalt gegen Mädchen, Kinder und Frauen“ ­gefordert. Die Regierung lasse es zu, dass auf den „Körpern der Frauen und Mädchen“ ein „Krieg des Hasses, der religiösen und kommunalen Intoleranz“ ausgetragen werde, hieß es.
Richter am Verfassungsgericht zeigten sich Anfang Mai schockiert angesichts der Zahl stockender Gerichtsverfahren zur Ahndung sexueller Verbrechen an Kindern. Die Einsetzung von Sondergerichten solle das Problem beheben, hieß es. Vor Kurzem ordnete das Verfassungsgericht zudem die Verlegung des Prozesses gegen die mutmaßlichen Vergewaltiger des achtjährigen Mädchens in einen anderen Bundesstaat an. Der Anwalt der Opferfamilie reagierte erleichtert. Damit stiegen die Chancen, dass die Täter nicht straflos davonkämen.
Indien zählt zu den Ländern mit der höchsten Zahl von Vergewaltigungsfällen weltweit. 2016 wurden nach Polizeiangaben 38.947 Vergewaltigungsfälle angezeigt. 6.091 Opfer waren den Angaben zufolge zwischen 12 und 16 Jahre alt, 1.596 zwischen sechs und zwölf, und 570 jünger als sechs Jahre alt. In drei Bundesstaaten werden Vergewaltigungen seit Dezember mit der Todesstrafe geahndet.