Der Mythos von der Bedrohung der USA durch Al-Qaida. Von Knut Mellenthin

Ausgabe 209

(junge Welt). Wie mittlerweile fast alle „vereitelten“ An­schläge dieser Grö­ßenordnung war auch der jetzt ge­meldete eine Inszenierung amerikanischer Dienststellen. Beteiligt waren daran die New Yorker Polizei und die Joint Terrorism Task Force des FBI. Der von einem Undercover-Agenten des FBI und einem Informanten angeworbene „Attentäter“ war ein 21-jähriger aus Bangladesch. Nach den Darstellungen der Behörden war Quazi Mohammad Nafis im Januar eingereist, um sich an der Southeast Missouri State University für das Fach Cybersecurity zu immatrikulieren.

Im Juli nahm die Polizei durch einen Informanten Kontakt zu Nafis auf, weil er in verschiedenen extremistischen Internetblogs aufgefallen war. Später machte sich auch der Undercover-Agent an ihn heran, indem er vorgab, mit Al-Qaida in direkter Verbin­dung zu stehen. Nafis glaubte nun, in deren Auftrag zu handeln, und soll mehrere Vorschläge für Anschlagsziele gemacht haben, worunter anfänglich auch die New Yorker Börse gewesen sein soll. Die Behörden stellten dem Möchtegern-Attentäter 25 Säcke zur Verfügung, in denen sich angeblich Sprengstoff befand sowie zusätzlich einen funktionsunfähi­gen „Zünder“.

Das hier praktizierte ­Verfahren stellt nicht etwa eine seltene Ausnahme dar, sondern ist seit dem 11. September 2001 zum Normalfall der „Terrorismus­bekämp­­­fung“ auf eigenem Boden gewor­den. Es hat in den vergangenen elf Jahren in den USA nicht einen einzigen wirklich ausgeführten Sprengstoffanschlag gegeben, der auf „islamistische“ ­Motive zurückzuführen gewesen wäre. Es ist in dieser Zeit auch kein Fall von organisiertem Terrorismus entdeckt worden. Dennoch wollen Regierung und Behörden der USA an ihrem Mythos festhalten.

In den Worten des New Yorker Polizeichefs Kelly klingt das so: „Al-Qaida-Agenten und von ihnen Inspirierte versuchen immer wieder, die Stadt New York zum Schlachtfeld zu machen.“ Nachdem es seit elf Jahren keinen einzigen erfolgreichen Anschlag gegeben habe, sei es verständlich, dass die Öffentlichkeit bequem werde. „Diese Bedrohung wird uns noch lange Zeit erhalten bleiben.“ Er muss es wissen.

Der Artikel erschien erstmals in der Tageszeitung „junge Welt“ vom 19. Oktober 2012.