Der Persische Golf ist entscheidend für die Verhältnisse im Nahen Osten

Ausgabe 200

Man kann das amerikanisch-iranische Psychodrama, das Verlangen des Westens nach Regierungswechseln und die Herausforderungen des Arabischen Frühlings nicht verstehen ohne einen Blick auf die jahrzehntelange, fatale Verstrickung der USA in den Länder des GCC zu werfen. GCC steht für den Golfkoo­perationsrat, eine Vereinigung sechs wohlhabender Monarchien am Golf (Saudi-Arabien, Katar, Oman, Kuwait, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate). Sie wurde 1981 gegründet und avancierte schnell zum strategischen Vorhof der USA für den Einmarsch in Afghanistan 2001 und im Irak 2003. Er ist die Ausgangsbasis der Vereinigten Staaten für das neue „Große Spiel“ um Eurasien und die „Eindämmung“ des Irans.

Die 5. US-Flotte ist in Bahrain stationiert und Katar fungiert als das Hauptquartier der Zentralkommandos der US-Einheiten (CENTCOM). Das CENTCOM überwacht 27 Länder – vom Horn von Afrika bis nach Zentralasien. Das Pentagon sah die Region früher als „Bogen der Instabili­tät“. Der GCC ist wie ein US-Flugzeug­träger im Persischen Golf; vergrößert auf die Abmessungen von Raumschiff Enterprise. Im Inneren des Staatenbun­des dominiert das Haus Saud. Es verkauft sein Öl ausschließlich gegen US-Dollars, was den Petrodollars ihre Dominanz verschaffte. Im Austausch dafür profitiert es von der ­vorbehaltlosen militärischen und politischen Unterstützung der USA. Darüber hinaus konnte Riad die Organisation der Erdölexportierenden Länder (OPEC) – die größten Erdölförderer der Welt – in der Vergangenheit daran hindern, ihr Öl entsprechend eines Währungskorbs zu bewerten und zu verkaufen. Die Petro­dollar-Ströme flossen in US-amerikanischen Aktien und Staatsanleihen. Seit Jahrzehnten kreist die Weltwirtschaft um diese Ströme aus Dollars, Erdöl und Waffen. In den kommenden Jahrzehn­ten werden die GCC-Staaten für mehr als 25 Prozent der globalen Erdölförderung verantwortlich sein. Ihre Knotenpunkte der Macht sind der entschei­dende Nexus für die Projektion US-amerikanischer Macht im Nahen ­Osten und darüber hinaus.

Adam Hanieh, Professor an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London, war einer der weni­gen, die die zentrale Rolle des GCC für die imperiale Strategie erkannten. Der Arabische Frühling war de facto zu Ende, als er den Persischen Golf erreich­te. Die Bevölkerungen wurden wie in Oman durch Geld oder durch präventive Polizeioperationen ruhig gestellt. Dieser Prozess mündete in der Geburt eines neuen geopolitischen Monsters: NATO-GCC. Symbolisiert wird es durch die wichtige Rolle, welche ­einige Golfstaaten in Libyen spielten. Dazu zählten die Verteilung von Geld, Waffen, Spezialisten und – ganz wichtig – politischer Rechtmäßigkeit.

All dies könnte sich ändern: China, das seine strategische Partnerschaften zu Iran und Syrien pflegt, betrachtet die Region – im Gegensatz zum Pentagon – als einen „Bogen der Stabilität“. Chinas Premier Wen Jiabao machte bei seinem letzten Saudi-Arabien-Besuch deutlich, dass Peking ein Interesse daran hat, dass chinesische Firmen in die Häfen, Eisenbahnen und Infrastruktur des Landes investieren.

Seit 2011 exportiert Riad mehr Erdöl nach Chinas als in die USA. Dies ist Teil einer Entwicklung, in der sich die Waren- und Energieströme aus dem Persischen Golf in Richtung Asien bewegen. Früher oder später (während die USA immer weniger Waren in die GCC-Staaten exportieren) könnte Peking dem Haus Saud leise ins Ohr flüstern: „Warum verkauft ihr uns euer Öl nicht in Yuan?“