Der Polizist, der ein Salafist war! „Bewegung in der Szene“. Der Recherchebedarf wächst stetig. Von Khalil Breuer

Ausgabe 204

(IZ/Agenturen). Das war schon eine merkwürdige – man könnte auch sagen, abenteuerliche – Geschichte. Ein 31-jähriger Polizist aus Essen ist ganz zufällig als Salafist aufgefal­len und soll nun aus dem Polizeidienst entfernt werden. Der Beamte wurde suspendiert. Es sei ein Disziplinarverfah­ren mit dem Ziel eingeleitet worden, ihn aus dem Staatsdienst zu entlassen, teilte der nordrhein-westfälische Innen­minister Ralf Jäger (SPD) in Düsseldorf mit. Doch damit noch nicht ­genug.

Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) berichtete, der Beamte habe im Jahr 2009 auch für den NRW-Verfassungsschutz gearbeitet. Er sei bei einem mobilen Observationskommando eingesetzt gewesen und habe Extremisten ausspähen sollen. In Polizeikrei­sen wurde dies bestätigt.

Der Kommissar mit ausländischen Wurzeln sei in seiner Freizeit durch Aktivitäten für die radikalen „Islamisten“ aufgefallen. So habe er Info-Stände für salafistische Vereine angemeldet und sich an deren Koran-Verteilaktion beteiligt, bestätigte die Polizei.

Soweit die offizielle Geschichte. Jetzt kommen die Fragen, denn so langsam sollten in den deutschen Redaktionsstu­ben ein wenig der journalistische Ehrgeiz angefacht sein. Es drängen sich ein paar Punkte geradezu auf. Wie viele V-Leute gibt es denn in der salafitischen Szene? Hatte der durch die Koran-Verteilaktion bekannt gewordene Ibrahim Abou-Nagie eigentlich auch Kontakte zum Verfassungsschutz (wie er auf Youtube selbst behauptete)?

Ganz neu ist das strategische Interesse des Verfassungsschutzes an der Salafismus-Szene nicht. Schon in einem Artikel der FAZ vom 3.10.2010 über den Prediger Vogel wird auch die Einschät­zung des Islamwissenschaftlers Müller vom Verfassungsschutz in Stuttgart einbezogen. „Er tritt den gängigen Islam-Organisationen vors Schienbein“, wird Müller dort zitiert, denn „er ist ein spannendes Experiment, er bringt Bewegung in die Szene.“

Der baden-württembergische Verfassungsschutz hatte schon einmal mit der radikalen Szene zu tun: In Freiburg beschäftigte die Behörde von 1995-2002 einen radikalen Prediger als V-Mann; Yehia Youssif, der später die radikale, teilweise militante Ulmer Bewegung der Salafiten gründete. Bei seinem Sohn wurde zudem Sprengstoff gefunden. Die näheren Umstände der Beschäftigung des zwielichtigen V-Mannes sind bis heute ungeklärt.

Die sagenumwobene Ulmer Gemein­schaft wurde de facto zum Berührungs­punkt nicht nur der „Sauerlandgruppe“, sondern praktisch aller in Deutschland lebenden oder als solche, verdächtigten Terroristen. Der Mann flüchtete übrigens 2004 ins Ausland, ohne bis heute Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen geworden zu sein.