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Der Prophet Ibrahim in Mekka: ‘Id Al-Adha erinnert an grundlegende Bedeutungen

Ausgabe 198

Foto: stocktr, Adobe Stock

(iz). In wenigen Tagen ereignet sich der höchste islamische Feiertag – ‘Id Al-Adha –, der in manchen Teilen der Umma auch als ‘Id Al-Kabir bezeich­net wird. Jedes Volk, jede Gemeinschaft und jede Gesellschaft hat seine beziehungsweise ihre Feiertage. Wir haben zwei Hauptfeiertage: ‘Id Al-Adha, der Tag, an dem die Hadsch endet, und ‘Id Al-Fitr, der das Ende des Fastenmonats Ramadan markiert. Der Prophet Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, stiftete beide ­Anlässe für seine Gemeinschaft.

Der Unterschied zwischen diesen ­Tagen und jenen Anlässen, an denen wir in der Gesellschaft Anteil haben, besteht darin, dass die Feiertage des Dins der ­Erinnerung Allahs, der Dankbarkeit Ihm gegenüber und dem Verständnis ­unserer Existenz dienen. Tage wie Halloween oder das kommende Weihnachten, von denen unsere Kinder im gesellschaftlichen Strom mitgerissen werden, werden als gegeben hingenommen. Die ­meisten aber kennen deren Bedeutung(en) nicht. Untersucht man ihre Wurzeln, wird man feststellen, dass sie heidnischen ­Ursprungs sind – sie beziehen sich auf ­Geister, Fruchtbarkeit und dem Zyklus der Jahreszeiten.

Erinnerung an Ibrahim

Unsere Feier des ‘Id Al-Kabirs ist die größte Feier des Dins, weil sie seinen Höhepunkt darstellt. Sie ist eine Erinnerung an das Opfer von Saijiduna Ibrahim und die Riten der Hadsch – der Umkreisung der Kaaba (Tawaf), das Hin- und Herlaufen zwischen Saffa und Marwa (Sa’i), das Stehen auf der Ebene von ‘Arafat, das Anlegen des Ihrams, sowie das Opfern eines Tieres. Diese Riten haben eine Bedeutung, die am besten durch die Anrufung der Pilgernden selbst beschrieben wird: „Labbaik, Allahumma labbaik, labbaik, la Scharika laka, labbaik (O Allah, hier bin ich. Ich ergebe mich Deinem Willen und bin Dir gehorsam. Du hast keinen Teilhaber).“

Dies war der Ruf von Saijiduna Ibrahim und seines Sohnes Isma’il, nachdem Allah sie von der Verpflichtung entließ, Isma’il zu opfern. Das ist der Ausdruck maximalen Gehorsams und absoluter Aufrichtigkeit. Der Prophet Ibrahim war dabei, seinen Sohn zu opfern, und ­Allah entließ ihn von dieser Verpflichtung, indem er das beste Schaf opferte.

Warum hat Allah diese unfruchtbare Einöde gewählt, in der nichts wachsen kann? Saijiduna Ibrahim baute in reinem Gehorsam gegenüber Allah das erste Haus, an dem Allah angebetet wurde. Dies ist der gleiche Ort, den Millionen Muslime heute für ihre Hadsch aufsuchen. Millionen weiterer Muslime in aller Welt fasten vor dem ‘Id, wenn der Tag des Stehens auf der Ebene von ‘Arafat kommt. Jene Riten und jener Ort stehen in Beziehung zum Opfer Ibrahims und dem von ihm errichteten Haus.

Allah sagt im Qur’an: „Ibrahim war eine Gemeinschaft, Allah demütig ergeben und einer, der Anhänger des rechten Glaubens war, und er gehörte nicht zu den Götzendienern; dankbar (war er) für Seine Gnaden. Er hatte ihn erwählt und zu einem geraden Weg geleitet.“ (An-Nahl, 120)

Schaikh Waliullah von Delhi sagte über Saijiduna Ibrahim, dass die Macht seiner Zuneigung Allah gegenüber so stark war, dass er den Kurs der ­gesamten prophetischen Nachfolger bis zum Propheten Muhammad festlegte. Seine Unterwerfung unter und seine Anerkennung von Allah mit jedem Atemzug und in jedem Augenblick wird mit der Eigenschaft „Hanif“ bezeichnet. Kein Ereignis in der sozialen Welt konnte ihn von der Gegen­wart Allahs ablenken.

Schaikh Ibn Al-’Arabi erklärte ihn in seinem „Fusus Al-Hikam (Siegelsteine der Weisheit)“ den ehrenden Beinamen Ibrahims „Al-Khalil“. Oft wird dieses Wort als „enger“ oder „intimer Freund“ übersetzt. Die Wurzel des Wortes bedeu­tet so viel wie „von etwas durchtränkt“ beziehungsweise „gesättigt sein“. Sein Wesen war von der Gegenwart Allahs durchtränkt. Das ist es, woran wir uns am ‘Id Al-Kabir erinnern.

Die Symbolik der Umkreisung der ­Kaaba ist die Umkreisung der Planeten um die Sonne. Jeder einzelne hat seinen Orbit. Gleichermaßen kreisen auch die Menschen auf einer, ihnen ­angemessenen Umlaufbahn. Jeder von uns muss seinen Ort finden, an dem ihn Allah platziert hat. Dort muss er Allah anbeten und Ihn zufrieden stellen.

Seine demütige Ergebenheit zeigte sich in jedem Augenblick und ohne Kompro­miss. Der Sa’i zwischen Saffa und Marwa ist ein Akt der Barmherzigkeit so wie die verzweifelte Sorge der Mutter um ihr Kind, die bereit ist alles zu tun, um den Durst ihres Kindes zu stillen. Es war die Gnade Allahs, die Ehefrau Ibrahims mit einer Quelle zu versorgen, um ihren Durst zu stillen. Seine Gnade machte dieses öde Stück Wüste zu einem Ort, an dem sich die Stämme begegnen konnten. Sie ließen sich hier nieder und beschützten das Heiligtum von Saijiduna Ibrahim. Dank des Handels kamen Versorgung und Wohlstand nach Mekka. Die Anbetung Allahs blieb bis zum heutigen Tage.

Das Stehen auf der Ebene von ‘Arafat ist eine Vorbereitung für den Jüngsten Tag. Hier sind Wohlstand, Ruhm oder Position ohne Bedeutung. Alle sind in die gleichen, simplen Tücher gekleidet, die denen ähneln, in die wir nach unserem Tode gehüllt werden. Es ist die Begegnung mit unserem Herren durch unsere Taten, mit unserer Gottesfurcht und unseren Absichten.

Bedeutung des Opfers

Das Begehen der beiden Feiertage ist eine Manifestation von Dankbarkeit, Freude und Anerkennung der ­Geschenke Allahs.

Auf seiner letzten Hadsch, wenige Monate vor seinem Tod, hielt der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, seine Abschieds-Khutba (Ansprache). Er erwähnte dort nur sehr wenige Dinge. Dies waren Ratschläge an seine Umma – für die kommende Jahre und Jahrhunderte. Er erklärte die Zeit der Dschahilija (arab. Unwissenheit) für beendet, in der die Leute stolz auf ihren Stamm oder ihre Herkunft waren. Er sprach über die Unverletzlichkeit von ­Leben, Ehre und Eigentum. Er hielt uns Muslime dazu an, unsere Frauen gut zu behandeln. Der Prophet erinnerte seine Umma daran, den Wucher zu meiden und ihn zu verbieten. Und er bat die ­Leute zu bezeugen, dass er seine Botschaft übertragen hatte.

Eine andere Sache, von der er sprach, war: „Ich hinterlasse euch zwei Dinge, die euch – wenn ihr daran festhaltet – niemals in die Irre gehen lassen: das Buch Allahs (…) und meine Sunna.“ Mit dem „Buch Allahs“ ist auch das Studium, Erlernen und die Praktizierung des Qur’ans gemeint. „Sunna“ ist nicht, wie viele moderne Muslime meinen, ein Text.

Vor Kurzem traf ich auf einer internationalen Konferenz einen sehr feinen, intellektuellen Araber. Dieser meinte: „Der Islam ist nichts als Text (Nusus).“ Dies ist eine Position, die viele Mus­lime heute einnehmen. Demnach wäre der Din etwas, das sich auf dem Papier befindet.

Das ist nicht wahr! Islam ist diese Aufrichtigkeit, die die ganze Welt verändern kann. Das ist es, was die anderen ­Religion nicht haben, wie der Prophet ­sagte: „Ich hinterlasse euch zwei Dinge, die euch – wenn ihr daran festhaltet – niemals in die Irre gehen lassen: das Buch Allahs und meine Sunna.“ Das heißt, wenn wir ­daran festhalten, können wir nicht in die Irre gehen – in diesem Leben und im nächsten. Diese Khutba war für seine ganze Gemeinschaft. Er hielt sie vor 120.000 Leuten und sagte den Anwesen­den, dass sie diese an die anderen weiter­geben sollten. Vielleicht können die Abwesenden diese Worte besser verstehen als die Anwesenden.

„Meine Sunna“ bedeutet sein Modell, sein Charakter, seine Eigenschaften, Vorbild und Verhaltensweise. Diese Sunna und die Fitra, für die Ibrahim stand, sind unser Umkehrpunkt, an dem wir ein Vorbild finden, anhand dessen wir unse­re Geschäfte auf eine Art und Weise täti­gen können, die Allah zufrieden stellt.