Die Aktivistin Nahla Osman über die syrische Widerstandsbewegung. Ein Interview von Alexander Pitz

Die syrische Opposition ist wegen der russischen Bombardements erschüttert. Die Rüsselsheimer Juristin Nahla Osman unterstützt die Widerstandskämpfer und erhebt schwere Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft.

Bonn (KNA). Die stellvertretende Vorsitzende des Aktionsbündnisses Freies Syrien, Nahla Osman (37) ist schockiert darüber, dass Russland mit Bomben in den Bürgerkrieg eingreift. Die Juristin aus Rüsselsheim unterstützt von Deutschland aus den syrischen Widerstand und steht in engem Kontakt mit den gemäßigten Oppositionstruppen der Freien Syrischen Armee (FSA). Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußert sie sich auch zur Situation der syrischen Christen.

Frage: Frau Osman, wie steht es um die Moral der syrischen Opposition?

Nahla Osman: Mittlerweile ist Resignation spürbar. In den vergangenen Wochen war es der Freien Syrischen Armee gelungen, Fortschritte im Kampf gegen die Regierungstruppen Baschar al-Assads zu erzielen. Aber nun bombardiert Russland Städte und Dörfer, die von der FSA kontrolliert werden. Heute Nacht wurde ein Vorort von Idlib angegriffen. Allein dabei gab es Dutzende Tote. Stellungen des «Islamischen Staats» gibt es in dem Gebiet überhaupt nicht.

Frage: Das heißt, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geht es gar nicht darum, den IS zu bekämpfen?

Nahla Osman: Der Krieg gegen den Terror spielt gar keine Rolle. Ihm geht es darum, seinen Verbündeten Assad zu stützen. Bislang geschah das hauptsächlich durch Geld und Waffenlieferungen. Aber jetzt gibt es auch Luftangriffe. Das Schlimme ist, dass die internationale Gemeinschaft einfach dabei zusieht. Wir fordern zum Schutz der Bevölkerung seit drei Jahren eine Flugverbotszone für Syrien. Aber da heißt es ja immer, das gehe nur mit UN-Mandat.

Frage: Wäre die Flüchtlingskrise in Europa vermeidbar gewesen, wenn der Westen in Syrien eine dauerhafte Flugverbotszone durchgesetzt hätte?

Nahla Osman: Natürlich! Ein Drittel der geflüchteten Syrer würde sofort zurückkehren, wenn es keine Gefahr aus der Luft gäbe. Und es ist immer noch nicht zu spät. Auch der verbliebenen Zivilbevölkerung in Syrien würde eine Verbotszone unmittelbar helfen, ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen.

Frage: Wir geht es ihren Mitstreitern in Syrien? Sind Sie dort immer noch gut vernetzt?

Nahla Osman: Unser Netz wird immer kleiner. Viele unserer Helfer sind inzwischen tot oder in Europa. Aber es gibt immer noch viele Kontaktpersonen vor Ort, die uns mit Informationen versorgen. Das ist im Grunde ein Wunder, denn die humanitäre Lage ist katastrophal. Es gibt keine Medizin, kein warmes Wasser, keinen Strom. Es ist furchtbar.

Frage: Der syrisch-katholische Patriarch von Antiochien hat kürzlich vor einem Sturz Assads gewarnt und das Eingreifen Russlands begrüßt. Haben Sie Verständnis für diese Haltung?

Nahla Osman: Es gibt tatsächlich einen Teil der syrischen Christen, die auf Assads Seite sind, weil er sie schützt und weitgehend in Ruhe lässt. Diese Leute haben gar keine andere Wahl, als sich offiziell so zu äußern. Insofern ist das durchaus nachvollziehbar. Die Angst vor dem Regime spielt da eine große Rolle.

Frage: Das heißt, die Christen müssen sich der syrischen Regierung gezwungenermaßen fügen?

Nahla Osman: Richtig. Natürlich gibt es auch diejenigen, die auf Assads Hilfe hoffen, weil sie schlimme Erfahrungen mit dem IS gemacht haben. Das darf man nicht verharmlosen. Aber Assad tötet mit seinen Angriffen gegen die Zivilbevölkerung weit mehr Menschen als der IS. In Deutschland gibt es deshalb auch viele syrische Christen, die dem Regime sehr kritisch gegenüberstehen und sich bewusst dagegen auflehnen. Diesen Stimmen sollte man mehr Gehör schenken.

Frage: Wie sieht Ihre Arbeit hier in Deutschland aus? Helfen Sie den ankommenden Flüchtlingen?

Nahla Osman: Ja, unser Aktionsbündnis ist vor allem in Darmstadt, Frankfurt und Umgebung aktiv. Dort versuchen wir, den Flüchtlingen so gut wie möglich zu helfen. Wir bringen ihnen Sachen, die sie dringend benötigen, oder fertigen Übersetzungen für Behörden an.

Frage: Haben Sie denn noch Hoffnung, dass sich die Lage in Syrien bessert?

Nahla Osman: Das Land ist inzwischen fast vollkommen zerstört. Darum ist von der Hoffnung nicht mehr viel übrig. Im Moment haben wir eine Menge Wut in uns. Auf das, was gerade passiert, finde ich gar keine Antworten mehr.

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