Die Bluttat von Chapel Hill: Familientragödie oder eine neue Qualität antimuslimischen Terrorismus? Gedanken von Prof. Mohammed Khallouk

(iz). Während die teilweise islamisch eingefärbte Gewalt im Vorderen Orient die Schagzeilen füllt, erschütterte die beschauliche Universitätsstadt Chapel Hill im US Bundesstaat North Carolina ein brutaler Dreifachmord. Am Nachmittag des 11. Februar 2015 gegen 17 Uhr Ortszeit wurde ein Wohnviertel plötzlich durch drei Schüsse aufgeschreckt. Opfer waren drei muslimische Studenten, ein 23 jähriger Zahnmedizinstudent, seine 2 Jahre jüngere Ehefrau und deren erst 19 Jahre alte Schwester. Beide jungen Frauen trugen Kopftücher.

Das junge syrischstämminge Ehepaar hatte erst im vergangenen Dezember geheiratet. Neben dem Studium engagierte man sich für Obdachlose vor Ort und für Opfer wie Flüchtlinge des syrischen Bürgerkrieges. Der angehende Zahnmediziner hatte sogar geplant, in die Türkei zu reisen, um unmittelbar in den Flüchtlingslagern den in Not geratenen Menschen zu helfen. So viel menschliches Mitgefühl und Sinn für Barmherzigkeit passte offensichtlich nicht in das Weltbild des 46 Jahre alten Täters, der sich auf seiner Facebook Seite als „Anti-Theist“ bezeichnete und als einzige Lösung für den mittlerweile ein gesamtes Jahrhundert währenden Nahostkonflikt die „kollektive Hinwendung zum Attheismus“ postulierte.

Medien verschließen die Augen vor islamfeindlicher Gewalt
Da sich der Täter unmittelbar nach seiner Mordtat der Polizei stellte und als Motiv einen Parkplatzstreit angab, war sein grausames Verbrechen die amerikanischen Medien kaum mehr als eine Kurzmeldung wert. Den im Falle muslimischer Gewalttäter häufig ausgesprochen leichtfertig eingesetzten Terminus „Terrorist“ suchte man beim Blick auf die wenige, über die Tat berichtende Presselandschaft fast vergeblich. Einige, vor allem lokale Zeitungen übernahmen sogar die Selbstbezichtigungen des Täters und stellten dessen vorgegebenen „Parkplatzstreit“ als gegebene Tatsache hin. Dabei galt der 46 jährige nicht nur wegen seiner Hetze im Internet gegen Religionen allgemein und den Islam und Muslime im Besonderen schon seinem langem unter den Studenten der örtlichen Universität als „Terrorist“, dem jede Gewaltanwendung zuzutrauen sei.

Offenbar unterscheidet sich die „Einäugigkeit“ in zahlreichen amerikanischen Redaktionen und Agenturen nur im Grad von jener des dreifachen Todesschützen. Muslime stehen für sie zwar nicht als Synonym für Terroristen, ein Terrorist scheint jedoch umgekehrt jemand zu sein, der islamisch legitimiert zum Mörder wird. Die Tatsache, dass Muslime in westlichen Staaten statistisch erheblich häufiger Opfer antimuslimischer Gewalt aus der Mehrheitsgesellschaft sind als selbst religiös motiviert zur Gewalt greifen, wird nicht nur in der Boulevardpresse sträflich ignoriert.

Antimuslimische Hetze schafft ein günstiges Klima für Terroristen
Terror im lexikalischen Sinne des Verbreitens von Angst und Schrecken beginnt im Übrigen nicht erst bei Mord und Totschlag, sondern bereits dort, wo das Sicherheitsempfinden von Menschen zur Disposition steht. Vor diesem Hintergrund sollten sich die unzähligen islamfeindlichen Hetzer auf Internetblogs und in sozialen Netzwerken nicht länger damit vor Strafverfolgung schützen können, eine konkrete Gewalttat gegen konkrete Personen weder verübt, noch geplant zu haben. Nicht nur entspricht ihr Ziel vielfach genau jenem des Attentäters von North Carolina, sie dienen auch als Stichwortgeber für jene Gewalttäter, die ihre Taten in diesem Umfeld gerechtfertigt wähnen.

Sie unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht von jenen aufhetzerischen Imamen, welche mit ihrer Propaganda – in Moscheen ebenso wie im Netz – dazu beitragen, IS oder Al Qaida neue Anhängerschaft zuzuführen. Mancher zu Recht als „Hassprediger“ verurteilte Geistliche mag auch nicht unmittelbar zu Gewalttaten aufgerufen haben, er muss sich jedoch vorhalten lassen, die mangelhafte Differenzierungsfähigkeit seiner Zuhörer unberücksichtigt gelassen zu haben.

Gewalt und Terror haben keine Religion
Terror und Hass sind keine Spezifika der Religion – des Islam ebenso wenig wie anderer Religionen und auch nicht des Atheismus. Sie sind Charakteristika eines Nihilismus, dessen einziges Überlebensziel darin besteht, seine konstruierten Feinde in Angst zu versetzen.

Bei dem Anschlag von Chapel Hill handelt es sich – fokussiert auf die gesellschaftlich engagierten Jungakademiker – zweifellos um eine Familientragödie. Zugleich hat ein, in den USA ebenso wie in Europa um sich greifender antimuslimischer Terrorismus damit eine neue Stufe erreicht. Wenn die Öffentlichkeit weiterhin die Augen vor dieser ebenso tragischen Realität verschließt, kann sich aus der islamfeindlichen Bewegung heraus und momentan auf Einzeltäter begrenzten Gewaltbereitschaft ein internationales Netzwerk bilden, das jenem von Al Qaida an Brutalität nicht nachsteht.

Es gilt deshalb den Anfängen zu wehren, die Bevölkerung zu sensibilisieren und in Politik und Medien ernsthafte Aufklärung über die unter uns lebenden Muslime zu betreiben. Auf diese Weise werden die Schlachtrufe der islamophoben Hassprediger bei westlichen Nichtmuslimen ebenso wenig auf Resonanz treffen wie die gewaltbereiten „Islamisten“ bei den in die demokratische Gesellschaft erfolgreich integrierten Muslimen.