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Die bosnische Frau

Ausgabe 252

Foto: Rob Hogeslag | Lizenz: CC BY-ND 2.0

(iz). Bei jedem Bosnienbesuch fasziniert mich eine Sache immer wieder: die Stärke und Sanftheit der bosnischen Frau. Mit einer Selbstverständlichkeit schaffen diese Damen es, das Leben so zu nehmen wie es ist. Wenn es bedeutet, dass sie Holz hacken müssen, um Brennholz für den Winter vorzubereiten, dann tun sie es. Wenn es heißt, die Kinder alleine zu erziehen, weil der Mann verstorben ist, ein Schahid ist, oder sie einfach verlassen hat, dann tun sie es.
Wenn sie für die Studienkosten gleich mehrerer Kinder alleine aufkommen müssen, dann tun sie es, denn die Bildung ist ihnen besonders wichtig. Auch wenn es bedeutet, durch viel zu harte und unterbezahlte Arbeit die eigene Gesundheit zu gefährden. Das Glück der Kinder steht an erster Stelle.
In diesem Leben hat die Diskussion um Feminismus keinen Platz. Dafür hat die bosnische Frau keine Zeit. Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, tatsächlich und ohne soziologische Argumentation ihren Alltag zu bewältigen. Und sie bewältigt ihn mit Würde. Gerade in der Großstadt lässt sich erkennen, dass die Frauen ihre Weiblichkeit durch Stil und Eleganz bewahren möchten. Möglicherweise ist die Kleidung schon vor Jahren gekauft worden, viel Geld haben die meisten schließlich nicht.
Aber die bosnische Frau wird zu Genügsamkeit erzogen und vor allem dazu, sich um Kostbares gut zu kümmern. Schließlich wurde hier eine große Zahl der Menschen mittleren Alters noch auf dem Land geboren und man kannte keinen Luxus. Dinge werden erhalten, sodass die Würde erhalten bleibt, auch in schlechten Zeiten. Ja, sie ist schick, die bosnische Frau. Ob mit oder ohne Kopftuch. Daran hält man sich hier nicht allzu sehr auf.
Sie hat aber auch vieles erlebt. Hat man das Glück, ein wohltuendes Gespräch mit ihr zu führen, wird sie gerne Ratschläge geben: „Lass‘ dich nicht veräppeln, folge einem charmanten Kerl nicht gleich blind.“ Hausmittel für gefühlt jede Krankheit hat sie auch im Repertoire, und die seelischen Ursachen für diese wird sie Dir gleich mit verraten.
Es ist eine gelassene Weisheit, auf die man trifft. Zu dieser Weisheit gehört aber auch die dunkle Seite. In ihren Augen siehst Du, wie viel sie erleiden musste. Du siehst, dass das Leben nicht leicht war für sie. Du siehst eine grausame Geschichte, die eines oder gleich mehrerer Kriege, in ihnen. Aber es ist ein Schicksal, das sie ertragen und im wahrsten Sinne des Wortes über-lebt hat. Sie steht über dem, was ihr passiert ist.
„So ist das Leben“ wird man oft von ihr hören. Selten Beschwerden und Hoffnungslosigkeit. Die bosnische Frau verkörpert Weiblichkeit in ihren schönen wie auch schmerzhaften Facetten. Das macht sie zur Heldin des Balkans, eigentlich zur Heldin Europas.