Die Distel und der Halbmond

Ausgabe 244

(EU). Als die Zentralmoschee von Glasgow in den frühen 1980ern in Auftrag gegeben wurde, erhielt der Architekt eine wichtige Anweisung: „Machen Sie es schottisch!“ Das Ganze mündete darin, dass der neue Bau sich manches von vielen öffentlichen Gebäuden in der Industriemetropole borgte: große Glasflächen, die im Inneren lange Säulen aus natürlichem Licht schaffen.

Angesichts der anstehenden Renovierung soll sie noch schottischer werden. Es gibt Pläne, das Gebäude im Stil von Charles Rennie Mackintosh, dem beliebtesten Architekten der Stadt, umzugestalten.

Im Inneren heiraten Leute im Kilt. Der Saum wird ein bisschen heruntergelassen, um den muslimischen Bekleidungsregeln für Männer zu entsprechen. Im Hintergrund laufen Dudelsäcke und in der Nähe verkauft jemand Halal-Haggis. Am anderen Ufer des Flusses Clyde befindet sich das Büro des Stadtrates, wo 2012 ein neuer Tartan [traditionelles Muster der schottischen Clans] vorgestellt wurde: Blau für das Schragen [ein heraldisches Zeichen] und grün für den Islam.

Die Beziehung zwischen schottischem Nationalismus und der muslimischen Gemeinschaft wirkt ungewöhnlich harmonisch. Sechs von zehn Schotten sind überzeugt, dass Muslime im Alltag ihres Landes integriert sind. Das ergab eine Ipsos Mori-Umfrage im Jahre 2010. Eine Erhebung, die 2011 von der schottischen Regierung in Auftrag gegeben wurde, fand heraus, dass das Schottisch-Sein ein wichtiger Teil ihrer Identität ist. „Gemeinschaft“ sind für sie die Menschen und Beziehungen vor Ort und nicht in einem anderen Teil der Welt.

Schottische Muslime haben eine größere Wirtschaftsmacht als ihre englischen Gegenüber. Viele betreiben Geschäfte und kamen hier mit Mitteln an, sich selbstständig zu machen. Viele Muslime haben ihre Wurzeln im Punjab, einem relativ wohlhabenden indischen Staat. Die meisten englischen Muslime stammen aus den ärmeren Teilen Pakistans oder Bangladeschs. Oft gingen sie in Industrien, die seitdem zusammengebrochen sind.

Theorien darüber gibt es viele: Schotten betrachten sich selbst als eine Minderheit, die von den Engländern verfolgt wurde. Der tendenziell linke schottische Nationalismus ist freundlicher gegenüber Minderheiten als der englische Konservatismus. Und ihr Bevölkerungsanteil ist geringer als im britischen Vergleich.

Aber auch die heutige Politik mag etwas damit zu tun haben. Während die Regierung in Westminster herbste Kritik an muslimischem Extremismus äußert, hält sich die Regierung in Holyrood nicht lange bei dem Thema auf. Dadurch vermeidet sie es, die lokalen Muslime zu verärgern. Nur eine verschwindend geringe Minderheit der rund 700 Leute, die angeblich nach Syrien gegangen sein sollen, kam aus Schottland. Die glückliche Beziehung mag also nicht nur ein zufälliges Ergebnis sein.

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