Die Islamische Gemeinschaft wird durch ungelöste Uneinigkeit zerrissen. Von Linda Karadaku

Ausgabe 220

Im jungen Staat Kosovo herrscht Streit in den Gremien der Islamischen Gemein­schaft. Dabei geht es nach den ­Berichten unterschiedlicher Medien nicht nur um die Konkurrenz zweier Bewerber zum Amt des Muftis, sondern auch um Grund­fragen zur Ausrichtung der Gemeinschaft und um den Einfluss von radikalen Elementen.

(SETimes/IZ). Die für den November geplanten Wahlen zur Führung der Islamischen Gemeinschaft des Kosovo (BIK) könnten die Form eines Wettbewerbs zwischen einem Imam, der an der Macht bleiben will, und einem Gelehrten, der für seine Überzeugungen verprügelt wurde, annehmen. Dabei geht es nicht nur um die Frage der zukünftigen BIK-Führung. Einige Medien sehen darin auch eine Auseinandersetzung zwischen „extremen“ und „gemäßigten“ Elementen im Kosovo.

Mufti Naim Ternava, der im letzten Monat eine Satzungsänderung der Gemeinschaft veranlasste, damit er für eine dritte (fünfjährige) Amtszeit ­kandidieren kann, wird von Xhabir Hamiti (siehe S. 1 & 2) herausgefordert. Hamiti war bis zum 20.08. Präsident der BIK-Generalverammlung, die Ternavas Ansinnen auf eine weitere Kandidatur genehmigte, als er von seinem Posten enthoben wurde. Angeblich geschah die Entlassung, weil sich Hamiti plötzlich von diesem ­Treffen entfernt hatte. Allerdings ist diese Behauptung umstritten. Xhabir Hamiti lehnte Ternavas Satzungsänderung ab.

„Diese Radikalen oder so genannten Salafisten, die aus dem Ausland importiert wurden, haben enorme Mittel. Ihnen wurde von den Führern der BIK Platz gegeben. Und so erhielten sie die Möglichkeit, mit Hilfe verschiedener ­Individuen und Organisationen in die Gesellschaft des Kosovo einzudringen. Durch eine verdeckte Organisation übernahmen sie die Kontrolle von Moscheen und verschiedenen Jobs auf dem Gebiet des Kosovo. Jetzt ist klar, dass es ­zwischen diesen radikalen Gruppen und Naim Ternava sowie seinem Clan Verbindungen gibt“, sagt Osman Musliu, der Imam in Drenas ist.

Hamiti, der 2008 in seinem Haus von fünf Unbekannten wegen seiner ausgesprochenen Verteidigung eines traditionellen Islamverständnisses zusammengeschlagen wurde, war auch einer der sieben Gelehrten, die von der Fakultät für Islamische Studien in Prishtina ausgeschlossen wurde. Er kündigte am 9. August seine Kandidatur an. Er wolle transparent agieren und stehe für eine klare und stabile Vision. „Zuallererst will ich den rechtlichen Status der Islamischen Gemeinschaft Kosovo sicherstellen, da es sich dabei momentan um eine Phantom-Organisation handelt, deren Ange­stellte gar nicht registriert sind“, sagte Hamiti vor Reportern. Er fügte hinzu, dass der Staat Brücken zur Gemeinschaft bauen sollte – auch bezüglich ihres Status und ihrer Finanzen. Die staatliche Finanzierung der BIK sei besser, als keine Kontrolle über ihre Einnahmen zu haben.

Mufti Naim Ternava äußerte sich nicht zu den jüngsten Entwicklungen. Sein Berater, Vedat Sahiti, sagte gegenüber SETimes, dass es verfrüht sei, über mögliche Kandidaten für das Amt des Muftis zu spekulieren. „Offiziell ist bis heute niemand ein Kandidat, mit Ausnahme jener, die ihren Willen dazu erklärt haben. Aber dies macht sie nicht notwendigerweise zu Kandidaten, solan­ge sie nicht von den Foren und Einrich­tungen der BIK vorgeschlagen wurden“, sagte er SETimes.

Der Rat des Kosovo zum Schutz von Menschenrechten und Freiheiten erklärte in einer Protestnote, dass Hamiti und seine Unterstützer die Opfer von Drohungen und Gewalt seien. „Indem sie nicht handelte und sich nicht von Drohungen und Reden einiger Imame distanzierte, die nichts mit Religion zu tun haben, ist die BIK ihrer Aufgabe als oberste Institution für religiöse Fragen im Kosovo nicht gerecht geworden.“

Die Bewegung für Islamische Einheit (LISBA) [eine mutmaßlich salafistische Bewegung, die eine politische Partei anstrebt. Anm.d.Red.] erklärte, dass sie eine Führung der BIK durch Hamiti nicht zulassen werde. „Wir versichern den muslimischen Gläubigen des Kosovos und (…) Xhabir Hamiti, dass dies vollkommen unannehmbar ist. Und [wir] werden [ihm] um keinen Preis erlauben, an die Spitze der Islamischen Gemeinschaft des Kosovo zu gelangen, da dies die einzige islamische, religiöse Institution des Kosovo ist“, verlautbarte die Organisati­on in einer Erklärung.

Osman Musliu berichtet, dass es Imame innerhalb der Islamischen Gemeinschaft gibt, die an einer Beilegung der Situation interessiert seien. Aber dies gehe nicht ohne den Beschluss eines Gesetzes über Religion im Parlament des Landes. „Wir sind an einem Punkt, an dem wir eine transparente Führung brauchen, die langfristige Ziele hat“, meint Musliu. „Aber ich möchte erneut betonen, dass – trotz dieser radikalen Bewegungen – die überwältigende Mehrheit der Imame und Gläubigen im Kosovo an den islamischen Lehren und der Kultur festhalten, die seit Jahrhunderten unser Erbe ist.“