Die IZ-Blogger: „Ai Weiwei“, was seh’ ich da?

Ausgabe 227

(iz). Man stelle sich folgendes vor: Der Bremer Murat Kurnaz, der fünf Jahre ohne Anklage auf Guantanamo Bay festgehalten wurde, wird Künstler. Er lässt seine Kunst walten und stellt seine ehemalige Zelle nach. Anschließend verkündet er, dass diese Ausstellung in Peking zu sehen sein wird – er selbst könne nicht auf seine Ausstellung, denn dies sei Teil seiner Kunst.

Präsident Obama, der geschäftlich nach Deutschland (Berlin) reist und dort mit Chinas Präsident Xi und Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen kommt, schließt in diesem Rahmen neue Wirtschaftsverträge ab. Gleichzeitig ermahnt Präsident Xi Obama und Merkel, „Die Menschenrechte sind universell und überall auf der Welt würden diese gelten. Willkürliche Verhaftungen von Menschen mit phänotypisch muslimischem aussehen, sind zu verurteilen und dürfen nicht mehr passieren.“

Und…verstanden?

Ai Weiwei’s Ausstellung „Evidence“, zu Deutsch „Beweis“, wird vom 03.04.- bis 07.07.2014 in Berlin zu sehen sein. Ai Weiwei sah 81 Tage lang eine chinesische Zelle von innen. Eine Strafe für Kritik an Chinas Führung. 81 Tage für eine berechtigte Kritik. Anschließend schrie die Welt auf: „Wie kann China so einen Mann einsperren?“ „Meinungsfreiheit ist ein Menschenrecht.“ und stellte die rhetorische Frage: „Können wir mit diesem China noch Handel treiben?“.

Murat Kurnaz
…ist kein Künstler. Er kritisierte Deutschland nicht und zur USA hatte er auch keine Beziehung. Sein Aussehen, sein Reiseverhalten und sein Umgang waren genug, um ihn fünf Jahre auf Guantanamo zu verbannen. Er wurde von den Amerikanern verschleppt – fünf Jahre Guantanamo Bay – und erlitt in Haft physische und psychische Misshandlungen.

Kurnaz wartet bis heute auf gerichtliche Vergeltung. Ihm wurde von unserer deutschen Regierung Unrecht angetan, als sie ihn 2002 nicht heimkehren ließ. Auch die Vorwürfe gegen eine Bundeswehr Eliteeinheit, die von Kurnaz beschuldigt wird ihn misshandelt zu haben, konnte 2008 nicht vom damaligen Untersuchungsausschuss zurückgewiesen werden.

Menschenrechte
Sie sind Fluch und Segen zugleich. Ein Segen für „westliche Bürger“ und ein Fluch für den Rest. Denn es ist eindeutig. „Der Westen“ hat die Menschenrechte in Geiselhaft genommen. Immer wenn es in einem Land was „öliges“, „karätiges“ oder „interessantes“ zu holen gibt, werden die Menschenrechte vorgeschoben. Die Menschenrechte dienen quasi als Schlüssel – so gewährt man sich selbst und unter moralisch einwandfreiem Alibi, Einlass. Es ist Zeit dies zu realisieren.

„…was sehe ich da?“
Deutschland hat in Murat Kurnaz längst seinen eigenen „Ai Weiwei“. Denn aus seiner Sicht, sind Deutschland und die USA die Länder, die ihn Unrecht antaten und die es gilt zu kritisieren. Bereits in der Zeit, in der Kurnaz Medial noch präsenter war, hielten ihn die Deutschen dennoch für schuldig – stereotypen sei Dank. Es ist an der Zeit, die Augen zu öffnen. Eine Kritik und ein Verweis auf die universellen Menschenrechte wird nur da getätigt, wo man selbst (Märkte) „erobern“ will, wo man selbst „öliges“, „karätiges“ und „interessantes“ haben will.