Die IZ-Reihe über den Alltag der Muslime. Von Malik Özkan

Ausgabe 204

(iz). Wie macht man eigentlich Geld? Obwohl es jeder fort­laufend benutzt, ist nur den wenigsten klar, wie Geld ­geschaffen wird und wie es in Umlauf kommt. Auch die kulturgeschichtlichen Begleitumstände der Geldschöpfung sind heute eher unbekannt.

Besonders interessant sind natürlich die Verhältnisse, die dazu geführt haben, dass Menschen an sich wertloses Papier als echtes Geld akzeptieren. In Zeiten der Golddeckung des Geldes, konnte jeder Besitzer eines Papiergeldscheines immer­hin noch erwarten, dass seine Bank sein Eigentum jederzeit auch in Gold auszahlt. Das ist längst Geschichte.

Die Schaffung von Geld ist heute mit der Existenz von Banken verknüpft. Wir sind gewohnt, ausschließlich dort unser Geld abzuholen. Aber, wie ist es überhaupt dort entstanden? Hierzu muss man die Funktion der Zentralbanken und der Geschäftsbanken theoretisch unterschei­den. Die Zentralbank ist die Herrin des Verfahrens. Sie entscheidet, unter welchen Konditionen die Geschäftsbanken von ihr Geld bekommen. Die Banken schöpfen so Bar- und Bankengeld ­(wobei der häufigste Weg der Geldschöpfung auf der Gewährung von Krediten basiert), indem einfach die entstehenden Schulden Geld genannt werden. Bargeld (Münzen, Banknoten) können zunächst nur von der Zentralbank geschaffen werden, Buchgeld auf Sichtguthabenkonten (Giralgeld) aber sowohl von der Zentral­bank wie auch den Kreditinstituten.

Banken haben heute also die beinahe magische Möglichkeit, Geld „aus dem Nichts“ zu schaffen. Privatleute können das natürlich nicht. Da die Banken viel mehr Kredite verteilen oder Geld schöpfen können, als sie selbst Eigenkapital besitzen, ist das System extrem störanfäl­lig. Je mehr Geld in Umlauf kommt, desto mehr schwindet das Vertrauen der Bevölkerung in den eigentlichen Wert des Geldes.

Sie hat aber gleichzeitig keine Alter­na­tive zum staatlichen Geld, weshalb einige Theoretiker das staatliche Geld auch „Zwangsgeld“ nennen. In Krisen, wie zum Beispiel in den 1990er Jahren in Argentinien, werfen sofort auch private ­Anbieter nicht nur alternatives Geld auf den Markt, sondern sie gründen auch Märkte, auf denen diese Zahlungsmittel benutzt werden können. Obwohl dieses Geld sehr erfolgreich war, hat es die argentinische Regierung bald wieder ­verboten.

Heute produzieren entweder Druckereien immer mehr neue Papierscheine, oder aber das Geld besteht von vorneherein nur noch in elektronischer Form. Der Alptraum aller Banken ist der in Krisen jederzeit mögliche Ausnahmefall, bei dem alle Kunden gleichzeitig ihr (nicht vorhandenes) Geld ausbezahlt bekommen wollen. Dieses Horrorszenario, der „Bank-Run“, könnte in diesen Tagen jederzeit in Athen oder Madrid zur Wirklichkeit werde.

Eine radikale Form der Kritik am modernen Geld kommt schon länger von Volkswirtschaftlern, zum Beispiel von der „Österreichischen Schule“. Diese Denkrichtung geht davon aus, dass das heute übliche Geld bald seinen Wert verlieren werde, weil es eben „Fiat-Geld“, das heißt, ungedecktes Papiergeld – oder staatlich hergestelltes Falschgeld – sei.

Fakt ist: Da Papiergeld ohne große Kosten gedruckt werden kann, ist es im Gegensatz zu Edelmetallen endlos repro­duzierbar. Es ist in Verbindung mit dem Banknotenmonopol und auf dem Wege der Erklärung von Papiergeld zum gesetz­lichen Zahlungsmittel jederzeit möglich, es im Übermaß in Umlauf zu bringen.

Natürlich stellt dieses System auch eine Versuchung für Politiker dar, ihre Wahl durch ausufernde Geldgeschenke – wenn auch zum Preis von immer mehr Schulden – zu erreichen.

Die entfesselte Geldpolitik führt am Ende zu Preissteigerungen und einem Kaufkraftverlust des Geldes. Die Angst vor der Inflation ist Teil des kollektiven Bewusstseins der Deutschen. Schlimmer noch: Das neue Geld kann auch zu militärischen Abenteuern verführen. Da oft durch Staatsschulden „gedecktes“ Papier­geld in Umlauf gebracht wurde, um Kriege zu finanzieren, wurde noch bis ins 20. Jahrhundert hinein Papiergeld häufig mit einigem Misstrauen betrachtet.

Heute hat jeder Staat die Möglichkeit, viel „schlechtes Geld“ in Umlauf zu bringen. Das ist kein wirklich neues Problem. Schon früher waren Regierungen versucht, ihre Münzen durch Senkung des Edelmetallgehalts zu verschlechtern und die Bevölkerung zu zwingen diese Münzen zu akzeptieren. Im Islam ist die Kontrolle der Münzen eine der wichtigsten Funktionen jeder Regierung.

Das Greshamsche Gesetz („das schlech­te Geld verdrängt das gute“) beschreibt, welche Auswirkungen es hat, wenn Marktteilnehmer durch gesetzliche Vorschriften dazu gezwungen werden, Geld mit geringerem Wert als Zahlung für Waren und Dienstleistungen ohne Preisaufschlag gegenüber der Zahlung mit Geld von höherem Wert zu akzeptieren. Das schlechte Geld setzt sich dann durch.

Aber zurück zu unserer ursprünglichen Frage: Wie kann man Währungen erschaffen? Können wir Bürger auch Geld in Umlauf bringen? Die Antwort ist „Ja“. Es bestehen in Deutschland bereits dutzende Regionalwährungen, die meist in Form von Bezugsscheinen Zahlungsmit­tel herausgeben. Zumeist handelt es sich um bunt bedruckte Papierscheine, die Bürgerinitiativen oder Gemeinschaften in Umlauf bringen. Dieses Geld ist entweder durch einen 1:1 Umtausch mit dem Euro gedeckt, oder aber in Form von zu leistender oder gewährter Arbeits­zeit mit einem Wert versehen. Obwohl die Regionalwährungen durchaus erfolgreich sind, zeigt keine Regierung ein Interesse, diese Formen des „privaten“ Wirtschaftens auch nur annähernd so zu unterstützen wie das Bankwesen. Ob das immer so bleibt, ist ungewiss.

In letzter Zeit fordern Politiker wie der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, dass es auch auf dem Markt der Zahlungsmittel mehr freien Wettbewerb geben sollte. Für den Liberalen gehören zu einer freien Marktwirtschaft auch vielfälti­ge Formen privaten Geldes. In einem Interview auf „Telepolis“ beschreibt Schäffler die Vorteile dieser Wahlfreiheit: „Die Produktion von schlechtem Geld und die Verschlechterung von gutem Geld wird von den einzelnen Menschen aufgrund ihrer freien Wahlmöglichkeit zwischen unterscheidbaren privaten und staatlichen Währungen, also aufgrund ihrer Konsumentenfreiheit, sofort durch Abwanderung zu konkurrierenden Geldproduzenten bestraft werden, was im derzeitigen staatlichen Papiergeldmonopol nur höchst eingeschränkt und in der Regel nur für reiche Menschen möglich ist.“

Die These ist provokant. Es sind nach dieser Ansicht weniger die Parteien oder die Politiker, die das maßlose ­Anwachsen der Geldmenge stoppen werden, sondern eher der Markt selbst, die privaten Anbie­ter, die ihre alternativen Wirtschaftskreisläufe schaffen. Es geht dabei nicht nur um das kurzfristige Beseiteschaffen eines Vermögens in andere Anlagemöglichkeiten, sondern um die Schaffung ­eines anderen Geldes, das tatsächlich benutzt wird.

Da es in Sachen Geldproduktion bisher keinen echten Wettbewerb gibt, müssen private Anbieter einige Nachteile erdulden. Besonders deutlich wird dies bei der Produktion von Geld in der Form von Münzen. Gold und Silbermünzen sind gegenüber inflationärem Papiergeld beliebt, weil in ihnen seit Jahrhunderten ein eigener Wert innewohnt. Es kann nicht beliebig vermehrt werden. Diese Formen des Geldes gehören daher zu den wichtigsten Alternativen zum Papiergeld.

Echtes Münzgeld dürfen aber grundsätzlich nur Staaten in Umlauf bringen. Man erkennt diese Privilegien beim Kauf staatlicher Münzen, wie beispielsweise dem österreichische „Philharmoniker“, daran, dass man keine Mehrwertsteuer bezahlen muss.

Grundsätzlich können auch Privat­leute Münzen produzieren. Genau genommen sind diese Münzen „Medaillen“. Das heißt, sie werden wie Schmuck ­behandelt und unterliegen daher der Mehrwertsteuer. Damit sind diese Medaillen gegenüber staatlichen Münzen benachteiligt, weil sie teurer sind. Außerdem sind die Bestimmungen des Münzgesetzes und der Medaillenverordnung zu beach­ten. Natürlich darf keine private Prägung Begriffe oder Symbole staatlichen ­Geldes benutzen.

Grundsätzlich kann man seine Medaillen bei den offiziellen ­Münzanstalten oder bei privaten Anbietern in aller Welt produzieren lassen. Das Herstellungsverfahren qualitativ hochwertiger Münzen ist nicht trivial und wird nur von Experten mit entsprechendem Maschinenpark beherrscht. Bei der Produktion von traditionellen islamischen Münzen wie beispielsweise dem islamischen Dinar müssen Gewichte, Härtegrad und Reinheitsgehalt der Edelmetalle berücksichtigt werden.

Im Moment produzieren dutzende große und kleine Münzanstalten diese Münzen in unterschiedlichen ­Qualitäten. Die Muslime versuchen aber auch, gewisse Mindeststandards zu etablieren, da man minderwertigere Zahlungsmittel verhindern will.

Im globalen Wirtschaftskreislauf werden diese Sicherheitsmerkmale und Qualitätsstandards immer wichtiger, um Fälschungen auszuschließen. Das Problem für einen privaten Produzenten ist – zumindest wenn man nur kleine Mengen produzieren will -, dass diese kleinen Auflagen dann relativ teuer sind. Inzwischen stellen aber alternative Netzwerke oder auch Firmen Medaillen her – zum Beispiel als Geschenke oder als Bonuszahlun­gen für Mitarbeiter.

Die Produktionskosten der Medaillen bestehen – neben dem Gold- und Silberwert der Münzen, der natürlich täglich je nach Kurse der Metalle wechselt – aus den Herstellungskosten der Prägestöcke und den Produktionskosten an sich.

Ähnlich wie bei den Regionalwährun­gen auch sind Medaillen oder Münzen aber nur Teil einer echten ökonomischen Alternative, wenn sie auch auf dem ­realen und virtuellen Marktplatz oder in Geschäften akzeptiert werden.