, , ,

„Die meisten kommen für das Verwöhnpaket“

Ausgabe 269

Foto: Autor

(iz). Seit einigen Jahren sieht man sie immer öfter: Barbiere. Aus der modernen US-amerikanischen Popkultur kennt man den Barbershop, zum Beispiel durch die gleichnamige Filmreihe der Hip-Hop-Legende Ice Cube. Hinter dem Namen steckt nicht nur eine Variante des Friseursalons, sondern eine ganz eigene Kultur. Wer zum Barbier geht, bekommt nicht nur einen Haarschnitt. Das Handwerk spezialisiert sich mitunter gezielt auch auf das wahrscheinlich urmännlichste Erkennungsmerkmal, den Bart.
Die Barbierkunst ist deshalb ein Job von Männern für Männer. Einer dieser Haarkünstler ist Tarik Ari. Beheimatet ist er in seinem mittlerweile eigenen Salon „Der Barber“ in Siegburg. Die meisten Tage in der Woche sind die Termine in dem Laden in der Innenstadt restlos ausgebucht. Im detailreich eingerichteten Geschäft dominieren Brauntöne. Es liegen angenehme Düfte in der Luft, die ihren Ursprung in den unzähligen Flaschen und Dosen haben. Für jeden Hauttypen, für jeden Haarstil, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Tarik Ari ist kein Unbekannter in der Szene. Auch mein Stammfriseur Serkan vom Sroxors Barberclub kennt den aus Troisdorf stammenden Tarik. Nicht nur in Deutschland tourt er auf Fachmessen, sein Talent führt ihn des Öfteren auch ins Ausland.
Überall, wo es Bärte gibt, sorgt das Handwerk der Barbiere derzeit für einen großen Rummel. Dabei ist das vermeintlich moderne Phänomen eine alte Tradition, über die es schon vor der Zeit der Ägypter Überlieferungen gibt. Das Wort kommt von der lateinischen Bezeichnung für Bart. Als Berufsbild wurde der Barbier im frühen Mittelalter in Frankreich kultiviert. Während die Ausübung über Jahrhunderte hinweg als wenig ehrenhaft galt, erlebte der Job durch Einwanderer aus Nordafrika, Anatolien und Arabien in Europa eine neue Ära.
Heute gibt es weltweit Messen wie die Top Hair in Düsseldorf, die sich Barbieren widmet. Dort ist auch Ari einer der angesehensten Friseure auf der Bühne. Sein Können bescherte ihm mittlerweile Aufträge von bekannten Brachenvertretern wie 1o1 Barbers, für die er andere ausbildet. Er erlebte den Hype um die Berufsspezialisierung mit. Als angehender Friseur galt seine Vorstellung, ein reiner Männerfriseur zu werden, als brotlose Kunst, reflektiert Tarik. Sein Ausbilder riet ihm zunächst davon ab und änderte erst seine Meinung, als er den 27-jährigen auf einer der Bühnen erlebte und das öffentliche Interesse offensichtlich wurde.
Tariks Kundschaft besteht größtenteils aus jungen Männern, die auf ihr Äußeres acht geben wollen. Wer kommt, bringt Zeit mit. Der etwas höhere Preis für das Gesamtpaket wirkt in Anbetracht der mühevollen Schritte gerechtfertigt. Hier wird nicht nur geschnitten und geföhnt. Tarik arbeitet mit Geduld und Blick fürs Detail. Bevor er sich an das Kürzen oder Informbringen der Haare setzt, bereitet er das Gesicht mit verschiedenen Kompressen vor. Als Mann bekommt man einen Eindruck davon, was man unter Wellness verstehen kann. Tarik weiß, was zu tun ist. Wenige Blicke und er hat ein Bild vor Augen, wie es am Ende aussehen soll. Man lehnt sich zurück und lässt ihn machen. „Die meisten kommen ohnehin für das Verwöhnpaket und die Unterhaltung“, so der Troisdorfer.
Dass Stars wie Brad Pitt in den letzten Jahren Bärte auch vor der Leinwand wieder in Mode brachten, sieht er als einen der Auslöser für die neuerliche Faszination für die Gesichtsbehaarung und ihre Pflege. Auch die Rapszene habe viel dazu beigetragen, dass Männer sich wieder gezielt Bärte stehen lassen, meint Tarik.
Als Barbier ist er weniger damit beschäftigt, Bärte zu rasieren, als Bärte in Form zu bringen. Auch wenn er natürlich gleichzeitig auch normaler Friseur ist, fehlen dennoch Elemente des klassischen Friseursalons. So gibt es in seinem Salon beispielsweise kein Färben.
Tarik stammt aus einer Familie von Barbieren. In seinem Fall auch begrifflich. Seine Eltern stammen aus Konya, wo der Beruf des Friseurs im Türkischen traditionell „Berber“ heißt. Auch wenn das neue Berufsbild einen globalen Charakter hat, sieht er die Wurzeln seines Handwerks eher im türkischen Vorbild.
Diese sehr spezielle, gründliche Form der Pflege verortet er traditionell zudem im muslimischen Glaubensritus. Für Tarik ist sein Beruf nicht nur das Modifizieren von Gesichts- und Kopfbehaarung. Er selbst spricht hauptsächlich von Sauberkeit. Im Endeffekt ginge es darum, einen Gentlemankult zu pflegen.
Ist Tarik fertig, fühlt man sich wie neu geboren. Man duftet wie eine Obstplantage, glänzt wie ein Diamant und sieht aus wie gezeichnet.