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Die „Monument Men“ im Nahen Osten

Ausgabe 294

Foto: NARA, gemeinfrei

(KNA). Ist Indiana Jones Ihr großes Vorbild? Die „Monument Men“ Ihre Helden? Für Kunsthistoriker und Archäologen mit Arabischkenntnissen und einer Affinität zum Militär tun sich jetzt neue Karrierechancen auf.

Wie können Soldaten erkennen, ob sie gerade hinter einem Hügel oder den kostbaren Überbleibseln eines mehrere tausend Jahre alten Tempelbezirks ihre Position einnehmen? Sie kontaktieren Spezialisten – und zwar möglichst rechtzeitig, bevor alles zu spät ist. Das Pentagon hat Ende Oktober in Zusammenarbeit mit dem Smithsonian Insti­tute, jener bedeutenden US-Forschungs- und Bildungseinrichtung mit Sitz in Washington, eine neue Reservisteneinheit vorgestellt. Ihre Aufgabe soll sein, von Krieg oder Terrorismus bedrohte Kulturgüter zu schützen, vor allem im Nahen Osten.

Das Vorbild sind ganz offensichtlich die „Monument Men“, eine Gruppe von Kunsthistorikern im Dienst der US-Armee, die sich im Zweiten Weltkrieg und kurz danach um den Schutz von Kunst- und Kulturgütern bemühten. Bald werden es Monument Men and Women sein, da in der US Army schon lange auch Frauen dienen. Im März 2020 soll die Ausbildung am Smithsonian Institute beginnen – und die rund 25 Experten danach sofort losgeschickt werden.

Corine Wegener, Direktorin der Smithsonian Cultural Rescue Initiative, und Oberst Scott DeJesse haben das Konzept für die neue ­Armeeeinheit entwickelt. Gesucht werden Reservisten, die im zivilen Leben als Museumsdirektoren, Kuratoren, Archivare, Konservatoren, Archäologen oder Kunsthistoriker arbeiten. Neuzugänge mit Fachkenntnissen sind willkommen, müssen aber in die Armee eintreten. Ihr offizieller Titel: Cultural Heritage Preservation Officers. Die besondere Aufmerksamkeit der neuen Einheit liegt auf dem Nahen Osten. Das bereits seit mehr als 10.000 Jahren besiedelte Gebiet hat für die Religionen wie für die Kultur unersetzliche Schätze hervorgebracht. Mehrere Weltkulturerbestätten sind schon durch Terroristen schwer beschädigt worden; so etwa Palmyra in Syrien oder Nimrud im Irak. Auch eine kulturunsensible Kriegsführung hat Spuren hinterlassen.

Ein Ziel daher: aus Schaden klug werden. Während des Irak-Kriegs nutzten die Invasionstruppen der USA und Polens von 2003 bis 2004 das einstige Babylon als Militärlager – und verursachten dabei massive Schäden. Auf keinen Fall wiederholen sollen sich auch die Vorgänge von 2003, als das Irakische Nationalmuseum in Bagdad geplündert wurde. Obwohl Archäologen und Mitarbeiter des Außenministeriums in Washington laute Warnungen aussprachen, schützte die US-Armee das Museum nicht.

Die neue Einheit der US Army soll eng mit ihrem britischen Gegenstück zusammenarbeiten. In Großbritannien wurde bereits im Oktober 2018 unter der Leitung von Oberstleutnant Tim Purbrick mit dem Aufbau einer Einheit zum Schutz von Kulturgut begonnen; sie trägt den Namen Cultural ­Property Protection Unit (CPPU). Purbrick sprach damals besonders Archäologen an; vor allem jene, die Arabisch sprechen.

Das Aufgabengebiet der britischen Einheit ist breit. Ihre Angehörigen sollen Kulturschätze aus den Bereichen Kunst und Archä­ologie beschützen, Plünderungen untersuchen, Schmugglerbanden das Handwerk legen und Kriegsparteien über Kulturstätten im Kampfgebiet informieren. Oder, wie es Purbrick knapp zusammenfasste: „kultur­historisch wichtige Stätten zu identifizieren, damit wir keine Bomben darauf werfen oder Panzer darauf parken“.