Die Muslime als Zielgruppe

Ausgabe 250

Foto: Hendrik Rauch | SPD

(iz). Da die deutschen Meldeämter und Statistiken Muslime nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit, sondern unter der Rubrik „Verschiedene“ aufnehmen, beruhen Zahlenangaben über die Zahl ihrer Angehörigen nur auf Schätzungen.
Aktuellere Prognosen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und des Zentralinstituts Islam-Archiv in Deutschland aus dem Jahr 2009 gehen von 4,25 Millionen Muslimen in der Bundesrepublik aus. Die Deutsche Islamkonferenz dagegen beziffert die Zahl der Muslime in Deutschland auf 3,8 bis 4,3 Millionen.
Wie viele von den geschätzten etwa zwei Millionen eingebürgerten Muslimen das Wahlalter erreicht haben und wie viele von ihnen tatsächlich zur Wahlurne gehen, darüber gibt es keine gesicherten Daten. Die Politologin Jytte Klausen vermutet, dass es mehr als eine halbe Million muslimische Wähler in Deutschland gibt.
Das Statistische Bundesamt schätzte die Wahlberechtigten unter den deutschen Muslimen im Jahr 2009 vorsichtig auf 750.000. Nimmt man diese Zahl als Basiswert, dann machen deutsche Muslime bei einer Gesamtmenge von 61,8 Millionen Wahlberechtigten (2013) in Deutschland bescheidene 1,78 Prozent aus. Nicht so großzügige Berechnungen kalkulieren ihren Anteil bei 0,7 bis 1,1 Prozent.
Dennoch umwerben bundesdeutsche Parteien muslimische Bevölkerungsanteile und erkennen sie als nicht zu unterschätzende potentielle Wähler an. Besonders dann, wenn, wie bei vielen Wahlen der jüngeren Vergangenheit, nur wenige Stimmen die Entscheidung über Erfolg, Koalitionen, Regierungsbildungen oder den Einzug in ein Parlament ausmachen können.
Die politischen Parteien in Deutschland nehmen die Muslime durchaus ernst und vertreten bis auf die AfD offizielle Positionen in Bezug auf den Islam und die Muslime in Deutschland. Dies zeigt sich auch daran, dass nahezu alle Parteien einen direkten Ansprechpartner oder einen Beauftragten für Religionsgemeinschaften haben. Das Themenfeld findet überdies Erwähnung in den Parteitags- und Programmbeschlüssen.
Des Weiteren engagieren sich muslimische Parteimitglieder und Mandatsträger in speziellen Plattformen und Arbeitsgemeinschaften in ihren jeweiligen Parteien oder parteinahen Stiftungen. Kontakte und Kooperationen mit islamischen Organisationen oder muslimischen Multiplikatoren sind ebenfalls – wenn auch meist nur sporadisch – vorhanden.
Die deutschen Parteien sind sich bewusst, dass sie mit Hilfe der Wahlstimmen von den deutschen Muslimen Urnengänge für sich entscheiden, Koalitionen eingehen oder etwa, was derzeit besonders für die Freien Demokraten  gilt, die Fünf-Prozent-Hürde überwinden können. Muslimische Formationen haben in Deutschland im Moment noch keine Chance, was auch daran liegen mag, dass Politikerinnen und Politiker mit islamischer Identität weitestgehend einen Platz in einer der großen Parteien finden können.
Ob dies auch langfristig bestehen bleibt, wird sich zeigen und liegt auch daran, wie sich die deutschen Parteien in Zukunft gegenüber dem Islam und den Muslimen in Deutschland positionieren. Menschen mit muslimischer Identität können in jeder politischen Partei eine Heimat finden. Sie können dabei behilflich sein, den Horizont bestimmter Parteien positiv mitzugestalten und zu erweitern. Die deutsche Politik braucht noch mehr engagierte Muslime, die unser Land mitformen und verbessern.