Die Rohingya – ein Volk flüchtet

Ausgabe 270

Foto Anrup Titu, IPS News

(iz). 2017 war für viele unserer Mitmenschen ein gefährliches Jahr. Die größte Bedrohung kam in Form von Wassermassen und Hungersnöten. Aber auch Flucht vor Gewalt und Verfolgung erschien in 2017 Hunderttausenden die für sie einzig erkennbare Lösung. Wieder aufgeflammte Gewaltübergriffe gegen Rohingya in Myanmar haben zu neuen Flüchtlingsströmen mit Bangladesch als Zufluchtsort geführt, bis die Grenze geschlossen wurde.
Myanmar ist beinahe doppelt so groß wie Deutschland und liegt eingeschlossen zwischen Bangladesch, Indien, China, Laos und Thailand, mit Zugang zum Golf von Bengalen. Die meisten seiner Einwohner bekennen sich zum Buddhismus. Die Gruppe der Rohingya, wie sie sich selbst nennen, sind mehrheitlich Muslime – unter ­ihnen gibt es aber auch eine kleine hinduistische Minderheit. Seit Generationen leben sie im ehemaligen Burma, ohne Staatsbürgerschaft oder Bürgerrechte. Dort will man sie nicht. Bis heute sind sie immer noch Unterdrückung, Verfolgung und Gefahr ausgesetzt, die vergangenen Wochen waren einmal wieder eine traurige Bestätigung dafür. Die Geschichte der Rohingya ist nicht einmalig auf der Welt, wie ihnen geht es auch anderen Völkern und Volksgruppen. Doch das Ausmaß der Gewalt gegen sie und die Stille von Seiten vieler Regierungen, inklusive der eigenen burmesischen, machen die Rohingya zu einem der gefährdetsten Völker dieser Zeit.
Augenzeugen berichten von Vergewaltigungen, Morden und Zerstörung. Unpassende Bilder gingen als Zeugnis dessen um die Welt, dabei sind es nicht nur Medien, die diese Fotos in Umlauf bringen, auch die breite Masse der Privatpersonen. Doch ein Unrecht lässt sich nicht bekämpfen, indem man Aufnahmen verkohlter­ Leichen verbreitet.
Im August 2017 war es zu einem neuen Gewaltausbruch gegen Rohingya gekommen, in dessen Folge sie zu Hunderttausenden an die Grenze zu Bangladesch geflüchtet sind. Die Grenze passieren dürfen sie nicht, offiziell bleibt den Flüchtlingen der Weg ins Nachbarland derzeit versperrt. Einzelpersonen und kleine Gruppen schaffen es hin und wieder, über die Grenze zu kommen. Die Polizeibeamten lassen sie gewähren. Aber die meisten Flüchtlinge bleiben in der Schwebe zwischen zwei Ländern. In ihre Dörfer zurückkehren können sie auch nicht – viele sind niedergebrannt und die, die noch stehen, nicht zu erreichen, denn das burmesische Militär hat Nachrichtenberichten zufolge Landminen am Grenzstreifen ausgelegt, um die Geflüchteten an einer möglichen Rückkehr zu hindern. Selbst, wenn es ihnen gelänge, zurückzukehren – welche­ Zukunft hätten sie?
Auf dem Stück Land zwischen Bangladesch und Myanmar, das offiziell weder zu dem einen noch zum anderen Land gehört, harren Zehntausende Rohingya völlig erschöpft aus und warten auf Hilfe. Kinder werden dort oder auf dem Weg dorthin geboren. Andere haben sich in Booten über das Meer gerettet und in Cox’s Bazar angelegt, einige Kilometer von bereits bestehenden Flüchtlingslagern entfernt, wo schon mehrere Zehntausend Rohingya zum Teil seit Ende 2016, zum Teil aber noch länger als Flüchtlinge leben. Sie sind dort hauptsächlich in zwei provisorischen Flüchtlingslagern untergekommen: Kutupalong und Balukhali, beides keine Orte, an denen ein Mensch leben sollte, wobei Balukhali den etwas besseren Ruf genießt. Die Unterkünfte sind zusammengezimmert aus Bambus, Schlamm und Plastik. Das hält keinem Sturm Stand. Und als im Mai 2017 Zyklon Mora auf den Strand von Cox’s Bazar traf, brachen die Unterstände wie erwartet zusammen. Die Flüchtlinge blieben mit nichts zurück. Mora zog als Sturm weiter über Land, um auch dort zu verheeren und zu verwüsten.
Die hygienische Situation sowohl in den Flüchtlingslagern als auch im sogenannten Niemandsland zwischen Bangladesch und Myanmar ist katas­trophal, an der Grenze noch schlimmer als am Meer. Es fehlt an fast allem: eine medizinische Grundversorgung ist nicht und kann nicht gewährleistet werden. Sauberes Trinkwasser gibt es kaum, es besteht die Gefahr eines Choleraausbruches. Es fehlt an Lebensmitteln und vernünftigen Unterkünften. Schulunterricht für Kinder und Jugendliche ist kaum möglich. Es fehlt an Kleidung; vor allem Kleinkinder benötigen sie.
Muslimehelfen ist mit seinen Partnern seit Ende 2016 in Bangladesch für die Rohingya aktiv. Es wurden und werden Lebensmittel ausgegeben, Kleidung wurde verteilt. Viel mehr geht derzeit nicht. Auch Anwohner und Rohingya, die schon längere Zeit in Bangladesch leben, helfen, wo sie können. Doch die Not ist immer noch sehr groß und der Bedarf an allem, was für uns hier selbstverständlich ist, nicht gedeckt. Wir schöpfen alle Möglichkeiten aus, die uns zur Verfügung stehen. Auch mit Ihren Spenden können wir einen Beitrag leisten. Möge Allah Sie dafür belohnen.