Die schwere Zeit der Belagerung

Ausgabe 263

Foto: Lt. Stacey Wyzkowski | Lizenz: Public Domain

„Die Grenzen dieser Berge und Hügel um Sarajevo waren für uns unten die Grenzen des Universums.“ (Nihad Kresevljakovic)

Heute, am 05. April wiederholt sich zum 27. Mal der Jahrestag der Schüsse auf zwei friedliche Demonstranten in Sarajevo. Die beiden Menschen sollten die ersten Todesopfer dessen werden, was später zur 1.425 Tage währenden Belagerung der bosnischen Hauptstadt durch bosnisch-serbische Truppen – unter den Augen der Weltöffentlichkeit – werden sollte.

Mehr als 500 Jahre lang waren die Hügel, welche die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas umgeben, der Ort für angenehme Spaziergänge, Familienpicknicks sowie atemberaubende Blicke hinab auf die berühmte Altstadt. All das verflog vor einem viertel Jahrhundert mit dem Beginn einer 44-monatigen Belagerung der bosnischen Metropole. Dabei starben mehr als 11.500 Menschen inmitten von Granatenbeschuss, durch Scharfschützen und eine beinahe vollständige Blockade durch Einheiten der bosnischen Serben auf genau jenen Hügelspitzen, wo die Kinder nur zwei Tage zuvor spielten.

„Das war unser Lieblingsort“, berichtet Dino Mustafic, ein 47-jähriger Regisseur, der die längste Belagerung der modernen Kriegsgeschichte überlebte und Sarajevo immer noch sein Zuhaus nennt. „Und plötzlich, während des Krieges, wurde er zum Symbol für den Tod und das Böse. Hier waren die Feuerlinien, von denen aus die Stadt ungehindert beschossen werden konnte.“ Vor Beginn des Einschlusses der Stadt, der ein Jahr länger dauerte als die Belagerung Leningrads durch Nazitruppen im Zweiten Weltkrieg, war Sarajevo ein Mikrokosmos des ganzen Landes: eine Mischung aus orthodoxen Serben, katholischen Kroaten sowie bosnischen Muslimen und Juden.

Ohne frisches Wasser, Energie oder Lebensmittel ertrugen Mustafic und Zehntausende seiner Mitbürger beinahe vier Jahre des täglichen Beschusses durch schwere Geschütze und Scharfschützen aus einstmals idyllischen Hügeln der Nachbarschaft.

Der frühere bosnisch-serbische Befehlshaber Stanislav Galic musste sich für seinen Anteil an der 1.425-tägigen Belagerung verantworten. Galic gab die enorme Gewalt der militärischen Handlungen zu, die er leitete. „Für einen Bürger von Sarajevo gab es keinen Schutz vor den Angriffen. Er war nicht sicher, weder zu Hause, in Schulen noch in Krankenhäusern“, sagte er vor seinem Prozess vor dem Internationalen Strafgericht für Ex-Jugoslawien in Den Haag. 2003 verurteilten ihn die Richter zu 20 Jahren Gefängnis für seine Beteiligung an der brutalen Belagerung Sarajevos. (A. Crosby & M.Arnautovic)