Die Shanghai Organisation will eine Phase der aktiven Politik einleiten. Von Andrej Iljaschenko

Ausgabe 204

Die Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) plant wichtige Veränderungen. Dies ging aus einem Vorbereitungstreffen ihrer Außenminister hervor, die den kommenden SOZ-Gipfel am 6./7. Juni vorbereiten sollte. Das Gremium wurde in den 1990er ­Jahren geschaffen, um das Vertrauen zwischen Russland, China und den zentralasiati­schen Staaten Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan zu steigern – vorrangig auf dem militärischen Bereich. Zum Ende der 1990er rückten die SOZ-Länder enger zusammen, als die regionale Bedrohung durch die siegreichen Taliban in Afghanistan spürbar zunahm.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends erweiterte sie ihren Schwerpunkt auf die Bekämpfung des regionalen Terror­ismus und des grenzüberschreitenden Drogenhandels – aber auch bei Zusam­menarbeit auf wirtschaftlichem und humanitärem Gebiet.

Bei internationalen Fragen gilt die SOZ als mäßigendes Element und verfolgte – bisher – eine vorsichtige ­Politik. Dies hat Beobachter Schluss veranlasst, sie weder als ernsthafte politische, noch als militärische Allianz zu bewerten. Indien, Pakistan, der Iran und die ­Mongolei erhielten mittlerweile einen Beobachterstatus.

Aber die Zeiten haben sich geändert und das eurasische Bündnis mit ihnen. Die Krisen im Nahen Osten, ­inklusive der durch die Arabellion ausgelösten, die dortige Rolle westlicher Mächte sowie der Abzug von US-Truppen aus dem Irak und – noch wichtiger – aus Afghanistan erfordern eine umfangreiche Anpassung der SOZ-Strategien. Sie veranlassen die Organisation auch, ihr außenpolitisches Profil zu stärken.

Wie aus der Rede des russischen Außenministers Sergej Lawrow bei dem Außenminister-Treffen hervorgeht, werde die SOZ ab jetzt eine gemeinsame Politik für alle Mitglieder formulie­ren, sollte es in Eurasien zu Krisen kommen. „Die Lage in Afghanistan und in seinem Umfeld führt zu großer Besorg­nis. Wir sollten aktiv an allen internationalen Diskussionen über Afghanistan teilnehmen und unsere Ansichten dabei koordinieren“, sagte Moskaus Außenminister Lawrow.

Die SOZ werde offenkundig die Beschlüsse des letzten NATO-Gipfels von Chicago zu Afghanistan mit in Betracht ziehen müssen. Frühere Aussagen aus dem Moskauer Außenministerium machen klar, dass die weitere Anwesenheit von US- und NATO-Truppen in Afghanistan ganz oben auf der SOZ-Agen­da stehen werden. Moskau und Peking sprechen sich seit Langem gegen die anhaltende Präsenz ausländischer Soldaten aus. Die neuen SOZ-Positionen sollen die substanziellen Anstrengungen von Russland und China auf diesem Gebiet unterfüttern.

Der eurasischen Organisation ist daran gelegen, ihre Mitgliederzahl zu steigern. Daher rief Lawrow dazu auf, die Mitgliedsanträge Indiens und Pakistans positiv zu bescheiden. Darüber hinaus soll Afghanistan Beobachterstatus zuge­standen und die Türkei zu einem Dialogpartner gemacht werden.

Anhand aktueller Verlautbarungen ist klar, dass sich die Shanghai Organi­sation längst über regionale Probleme hinaus entwickelt. Bei dem Treffen wur­de eine gemeinsame Erklärung angenommen, in der das US-Programm zur strategischen Raketenabwehr verurteilt wurde. Wie die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti berichtete, wurde die einseitige und unbegrenzte Ausweitung des Anti-Raketensystems als Beschädigung der internationalen Sicherheit und Stabilität bezeichnet.