Die Wahlen im Blick

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Nach Einschätzung von Grünen-Chef Cem Özdemir steuert die CDU „zurück zu ihrer vermurksten Nicht-Integrationspolitik der letzten Jahrzehnte, der wir viele der heutigen Probleme zu verdanken haben“.
Essen (KNA/dpa). Der Parteitag der CDU in Essen stand bereits ganz im Zeichen der kommenden Bundestagswahl. Mit einer Zustimmung von 89,5 Prozent erhielt Angela Merkel bei ihrer Bestätigung als Vorsitzende zwar einen Dämpfer. Nach dem „unglaublichen Jahr 2015“, wie sie es nannte, zeigte sie sich aber durchaus zufrieden mit ihrem zweitschlechtesten Ergebnis bei einer Vorstandswahl. Gleich anschließend setzte sie sich neben die CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, um Einigkeit zu demonstrieren.
CSU-Chef Horst Seehofer war diesmal nicht gekommen, um offenen Streit über die Flüchtlingspolitik zu vermeiden – wie auch Merkel dem Treffen der Schwesterpartei ferngeblieben war. Der am Mittwoch verabschiedete Leitantrag schlägt aber viele Brücken zur Verständigung. Er soll den Rahmen für das gemeinsame Parteiprogramm mit der CSU bilden. Nach Merkels Worten soll es bis zum Sommer vorliegen.
Merkel gelang es auch, den noch verbliebenen Unmut in der eigenen Partei zu besänftigen. Gleich zu Beginn ihres Rechenschaftsberichts gestand sie nicht nur „Zumutungen“ durch die Flüchtlingskrise ein, sondern betonte ausdrücklich: Eine Situation wie im Spätsommer 2015 „kann, soll und darf sich nicht wiederholen“.
Der Parteitag wiederum sprach sich für eine Verschärfung der Asylpolitik bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber aus und forderte die Einrichtung von Transitzonen zur Bearbeitung von Asylanträgen, wie sie an Flughäfen bestehen. Auf die von der CSU geforderte Obergrenze beim Flüchtlingszuzug ließ sich die CDU allerdings nicht ein.
Merkel appellierte an die Delegierten, sie zu unterstützten: „Ihr müsst mir helfen“, so die CDU-Chefin. Erstmals wird sich die Union mit der AfD einer starken rechtspopulistischen Partei erwehren müssen. Zunächst allerdings dürfte der Hauptgegner, das machten viele Redner deutlich, eine mögliche Rot-Rot-Grüne Regierung sein.
Sowohl der Leitantrag als auch zahlreiche Beiträge zeigten dabei eine deutliche Schärfung des konservativen, nationalen und rechtsstaatlichen Profils. CSU-Generalsekretär Peter Tauber bekräftigte das Bekenntnis zur „Leitkultur“ auf der Grundlage gemeinsamer Werte. Merkel appellierte an ihre Partei, sich auf den „Gründungsimpuls“ des „C“ zu besinnen.
Mit Blick auf die AfD wendet sich die CDU in ihrem Beschluss gegen Populismus, Abschottung und die Spaltung der Gesellschaft. Dem stellt sie ein Verständnis der CDU als Wertepartei auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes entgegen. Zugleich hebt der Antrag die nationale Identität hervor, „ohne Überheblichkeit und Ausgrenzung“.
Merkel stimmte ihre Partei auf den „schwersten Wahlkampf seit der Wiedervereinigung“ ein. Einen Vorgeschmack bot der überraschende und zugleich knappe Beschluss der Delegierten, den Kompromiss mit der SPD zur doppelten Staatsbürgerschaft zu kippen.
Der Parteitag forderte des weiteren eine deutliche Abgrenzung zu einem konservativen Islam. „Burka und andere Vollverschleierungen passen nicht zu unserem Land und unserer freiheitlichen Kultur“, heißt es im Beschluss; dies widerspreche dem „gesellschaftlichen Konsens“. Neben dem Verbot der Vollverschleierung wollen die Christdemokraten auch Kinderehen grundsätzlich untersagen und schärfer gegen Hassprediger vorgehen.
Zugleich setzte der Parteitag auf ein „klares Signal, die Familien in Deutschland zu stärken“, wie es CDU-Finanzstaatssekretär Michael Meister betonte. Zur Stärkung vor allem junger Familien wollen die Christdemokraten das Ehegattensplittung schrittweise um ein Familiensplitting ergänzen„ ; ein Baukindergeld soll Familien den Erwerb von Wohneigentum erleichtern. Ferner verspricht die CDU steuerliche Entlastungen – sofern sich Finanzspielräume ergeben.
Der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion Volker Kauder (CDU) war in seiner Rede bereits ganz im Wahlkampfmodus: “Wir wollen die Bundestagswahlen so gewinnen, dass niemand gegen uns regieren kann„. Die anstehenden Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein, vor allem aber im Mai in Nordrhein-Westfalen werden dafür die Bewährungsproben sein.
Kritik von Seiten der Grünen
Grünen-Chefin Simone Peter hat die Beschlüsse des CDU-Bundesparteitags zu Asyl und Integration scharf kritisiert. „Die CDU zelebriert einen Rechtsruck in der Flüchtlingspolitik“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In ihrem „Kurs der Abschottung“ schrecke die CDU auch „vor inhumanen Transitzonen“ und „Abschiebungen in Kriegsgebiete“ nicht zurück. „Der Beschluss zur Wiedereinführung der Optionspflicht bei der doppelten Staatsbürgerschaft ist hochgradig integrationsfeindlich“, kritisierte die Grünen-Chefin.
Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag) sagte Peter: «Die nachträgliche Intervention der Kanzlerin ändert am schwarzen Katalog des Schreckens nichts, den die CDU verabschiedet hat.» Der Beschluss zur Abkehr von der doppelten Staatsbürgerschaft sende die gefährliche Botschaft: „Ihr gehört nicht dazu.“ Das werde der Realität eines Einwanderungslandes Deutschland nicht gerecht und gefährde den gesellschaftlichen Frieden.
Nach Einschätzung von Grünen-Chef Cem Özdemir steuert die CDU „zurück zu ihrer vermurksten Nicht-Integrationspolitik der letzten Jahrzehnte, der wir viele der heutigen Probleme zu verdanken haben“. Es müsse aber darum gehen, aus Ausländern Inländer zu machen. „Dagegen will die CDU-Basis offenbar sehenden Auges die Fehler der Gastarbeiterzeit wiederholen“, sagte Özdemir der „Heilbronner Stimme“ und dem „Mannheimer Morgen“ (Donnerstag).