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Diskussion um ein Eingreifen der Bundeswehr in Syrien hält an

Foto: Berkaysnklf, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

(dpa/KNA). Nach schweren Luftangriffen der syrischen Armee und Russlands auf Idlib am Wochenende beruhigte sich die Lage in den vergangenen Tagen wieder etwas. Doch die Sorge bleibt: UN-Generalsekretär António Guterres warnte am Dienstagabend im Falle einer Großoffensive vor einem „Blutbad“.
Das „Wall Street Journal“ zitierte am Wochenende US-Regierungskreise mit der Aussage, Assad habe seinem Militär grünes Licht für den Einsatz von Chlorgas in der letzten verbliebenen Rebellenhochburg Idlib gegeben. Darauf deuteten Geheimdienstinformationen hin, hieß es in dem Bericht.
Öffentlich hielt sich die US-Regierung dazu bedeckt. Pentagon-Sprecher Robert Manning etwa reagierte ausweichend auf die Frage, ob die USA Beweise dafür hätten, dass die syrische Regierung sich auf den Einsatz von Chemiewaffen vorbereite. Man beobachte die Lage sehr genau, erklärte er lediglich. Der Generalstabschef des US-Militärs, Joseph Dunford, sagte am Samstag, das Pentagon führe mit dem Weißen Haus „routinemäßige Gespräche“ über mögliche militärische Optionen und halte Trump darüber auf dem Laufenden. Eine Entscheidung gebe es aber noch nicht.
In Moskau wird hingegen die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung gelenkt: Nach russischer Darstellung planen Islamisten mit den Rettungshelfern der Weißhelme einen Angriff „unter falscher Flagge“, um die Verantwortung dann der syrischen Regierung zuzuschieben. Aus russischer Sicht wird Assad von den USA lediglich erpresst. Trumps Vorgehen sei „eine Politik der Drohungen und Erpressung“, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow.
Das Bündnis Entwicklung Hilft hat die Bundesregierung aufgefordert, im Rahmen einer europäischen Initiative einen sofortigen Waffenstillstand in der syrischen Provinz Ildib zu unterstützen. Statt über eine Beteiligung der Bundeswehr zu debattieren, sollten die internationalen Vereinbarungen zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten durchgesetzt werden.
Den Menschen in der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens droht nach Angaben des Bündnisses eine erneute humanitäre Katastrophe. Die Großoffensive der Regierungstruppen, die Bombardierungen der syrischen sowie russischen Luftwaffe und die Kampfhandlungen von radikal-islamistischen Gruppierungen würden in Idlib ein Trümmerfeld hinterlassen, so die Einschätzung des Bündnisses.
Es spricht sich dafür aus, dass die Menschen die Region sicher und unversehrt verlassen dürfen und unter allen Umständen mit Menschlichkeit zu behandeln sind. Die Kriegsparteien dürften die Menschen in Syrien nicht für eigene Interessen missbrauchen. Zu dem Bündnis gehören medico international, Misereor und Welthungerhilfe.
Zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD ist unterdessen ein offener Streit über ein mögliches Eingreifen der Bundeswehr in den Syrien-Krieg ausgebrochen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte am Mittwoch das klare Nein von SPD-Chefin Andrea Nahles zu einer deutschen Beteiligung an einem Vergeltungsschlag beim Einsatz von Giftgas. „Einfach zu behaupten, wir könnten wegsehen, wenn irgendwo Chemiewaffen eingesetzt werden und eine internationale Konvention nicht eingehalten wird, das kann auch nicht die Antwort sein“, sagte die CDU-Vorsitzende in der Haushaltsdebatte im Bundestag. Alle Antworten der Bundesregierung würden auf Basis des Grundgesetzes und im Rahmen der parlamentarischen Verpflichtungen gegeben. „Aber von vornherein einfach Nein zu sagen, egal was auf der Welt passiert, das kann nicht die deutsche Haltung sein.“
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) äußerte sich sogar noch deutlicher als Merkel und forderte eine „glaubhafte Abschreckung“ gegen einen erneuten Einsatz von Chemiewaffen. „Es geht um nichts Geringeres als den Fortbestand einer Ächtung, die die Weltgemeinschaft als Lehre aus den unvorstellbaren Grauen des Ersten Weltkrieges aufgestellt hat“, betonte von der Leyen. „Ein weltweites Tabu, das im Großen und Ganzen über Jahrzehnte auf den Schlachtfeldern teils härtester Kriege eingehalten worden ist.“
Die UN-Konvention zum Verbot von Chemiewaffen trat 1997 in Kraft, Syrien trat 2013 bei. Trotzdem kam es seit Beginn des Krieges in dem arabischen Land immer wieder zu Giftgaseinsätzen, für die teilweise die Regierung Baschar al-Assads verantwortlich gemacht wird, teilweise aber auch die Terrororganisation Islamischer Staat (IS).
Nach Ansicht von Außenminister Heiko Maas sollte Deutschland sich nicht unter Zugzwang setzen lassen. „Wir treffen eine autonome Entscheidung, die wir entlang unserer verfassungsrechtlichen Grundlagen treffen müssen, die in Deutschland gelten ­- und natürlich auch entlang des Völkerrechts“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Nach seinen Angaben gibt es noch keine konkrete Anfrage der USA zu einer deutschen Beteiligung an einem Vergeltungsschlag. Maas hat Vorwürfe zurückgewiesen, Deutschland tue zu wenig für eine politische Lösung in Syrien. Seit Monaten spreche die Bundesregierung mit den USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien sowie mit der Türkei und Russland, sagte Maas am Mittwoch im Bundestag. Dem russischen Außenminister Sergej Lawrow werde er bei dessen Besuch am Freitag in Berlin sagen, „dass wir auch von Russland erwarten, dass es seiner Verantwortung gerecht wird, ein humanitäres Desaster in Idlib und Syrien zu verhindern“.
Unklar ist, ob eine Bundeswehr-Beteiligung rechtlich möglich wäre. Nach einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags würde sie gegen das Grundgesetz und gegen das Völkerrecht verstoßen. Im April hatte es bereits einen ersten Vergeltungsschlag der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen Stellungen von Assads Regierungstruppen nach einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz gegeben. Die Bundesregierung hatte die Luftangriffe zwar politisch unterstützt, sich aber militärisch nicht beteiligt und auch eine rechtliche Einschätzung vermieden.
Von den Oppositionsparteien stützen die AfD und die Linke die Position von SPD-Chefin Nahles. Die FDP vertritt eher die Haltung der Union. Die Grünen sind unentschieden. Parteichef Robert Habeck sprach sich am Mittwoch aber strikt gegen einen Bundeswehr-Einsatz aus. „Bisher hat kein Militäreinsatz die Lage in dem Land befriedet“, sagte er den Zeitungen der „Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft“.
Einem neuen UN-Bericht zufolge wurden bereits in den ersten sechs Monaten des Jahres durch Militäreinsätze der Regierung in mehreren Teilen des Landes über eine Million Menschen vertrieben. In den meisten der untersuchten Schlachten seien Kriegsverbrechen begangen worden. In Idlib leben laut UN etwa drei Millionen Zivilisten, die durch Kämpfe in Richtung der geschlossenen türkischen Grenze getrieben werden könnten.