Quotenkopftuch und Vorzeigemuslime

Ausgabe 236

(iz). Der Kleinverband Zentralrat der Muslime (ZMD) preschte mit der Idee einer Mahnwache vor und trat alleine als Veranstalter auf, ohne seine KRM-Partner mit ins Boot zu nehmen. Der Zentralrat nahm für sich in Anspruch, für „die Muslime“ zu sprechen, obwohl er gerade einmal 5 Prozent der Moscheegemeinden des Koordinationsrats der Muslime (KRM) vertritt.
Viele Muslime fragen sich, wie ein kleiner Verband mit kaum vorhandenen Finanzmitteln und wenig Personal diese Veranstaltung organisieren konnte, und was etwa der Beitrag des Bundesinnenministeriums war. Fakt ist, dass spätestens mit dieser Mahnwache, bei der ein gemeinsames Zeichen aller Muslime wichtig gewesen wäre, der Koordinationsrat der Muslime zu Grabe getragen wurde. Denn die großen Verbände nahmen an der Machtdemonstration eines Kleinverbandes nur Teil, weil die gesamte Staatsspitze vertreten war. Dies war ein gelungenes Mittel zur lautlosen Erpressung der Vertreter der anderen Verbände hinter den Kulissen.
Die Medienberichterstattung übernahm die Darstellung des Zentralrates, ohne sich die Frage zu stellen, wer denn überhaupt von wem vertreten wird. Kaum einer stellt die Frage, warum sämtliche Vertreter der großen Verbände zwar physisch anwesend waren, aber nicht reden durften und auch auf der Bühne nur in den hinteren Reihen, kaum sichtbar, standen.
So ähnlich ist die Abbildung von Muslimen in Talkshows. Es wird nicht danach ausgesucht, wie repräsentativ ein Muslim ist, wenn wieder eine Talkshow den Islam zum Thema hat, sondern die üblichen Verdächtigen werden uns vorgesetzt. Eine Quotenkopftuchträgerin, die gut reden kann, aber vielleicht nichts Substantielles beiträgt oder kaum zu Wort kommt, eine „liberale Vorzeigemuslima“, der Medienprofi Aiman Mazyek als Zentralratsvorsitzender und wenn es etwas schriller werden soll, bedient man sich eines salafistischen Predigers – Hauptsache plakative Figuren.
Es scheint, die Talkshowredaktionen arbeiten wie Dramaturgen an einem Schauspiel, suchen sich Schauspieler aus, die vorgegebene Rollen spielen. Nur: Diese Dauerkartenbesitzer der Talkshows repräsentieren nicht wirklich die breite Mitte der Muslime. Aber woher kommt diese Selektion, die mangelhafte Abbildung der Realität?
Einerseits ist das Spiel „Guter Muslim – Böser Muslim“ für Talkshowformate eine Quoten versprechende Angelegenheit. Ein Berliner Prediger erzählte mir einmal, dass er von einer bekannten Talkshowredaktion vor seinem Auftritt mehrmals darum gebeten wurde, doch mit einem arabischen Gewand aufzutreten. Er hat sich zwar geweigert, aber allein diese Bitte sagt viel darüber aus, worauf manch ein Redakteur Wert legt.
Diese selektive Abbildung der muslimischen Realität hat aber auch eine politische Dimension. Die Politik will – und das liegt in der Natur der Sache – einen muslimischen Partner haben, der gemütlich ist und nicht aneckt.
Die Mehrheitsverhältnisse spielen – was die Muslime angeht – in der politischen Arena kaum eine Rolle.
Eine Frage hat die Medien bisher nie wirklich interessiert: Die Schnittstelle zwischen Staat, Politik und den „talking heads“ der muslimischen Repräsentation. Und wie die Politik direkt oder indirekt in die muslimische Selbstorganisation einwirkt. Es geht um die reale Rückbindung an die Basis, um die Wirklichkeit der Repräsentation und um Deutungshoheit. Wenn diese nicht vorhanden sind, dann bleibt es nur eine Attrappe. Eine Attrappe, die der Politik und den Medien genehm ist, aber nicht denjenigen, um die es geht: die Muslime Deutschlands.