Debattenkultur! ­Debatte? Kultur?

Ausgabe 206

(iz). Wiederholt eine Person, sie sei nicht zu dick, oder betont eine Gruppe standardmäßig, sie sei „liberal“ oder „freisinnig“, dann ist die Vermutung angebracht, dass hier eher das Gegenteil verdeckt, als dass eine Wirklichkeit bestätigt werden soll. „Taten sagen mehr als Worte“, lautet ein deutsche Sprichwort und entspricht vergleichbaren muslimischen Wahrheiten. Anstatt einen Anspruch zu proklamieren, beweist man ihn am besten durch die eigene Wirklichkeit.
Ein aktuelles Beispiel hierfür ist innerhalb der muslimischen Gemeinschaft die von einigen regelmäßig vorgebrachte Forderung nach mehr „muslimischer Debattenkultur“. Wie bei den meisten anderen Behaup­tungen gewinnt in der Regel derjenige, der sie als erster in die Runde wirft oder schreit – niemals als Aufruf zur Selbstverwirklichung. Um aber durchschlagend zu sein, muss sich diese nicht nur an die anderen richten, sie muss auch einen gehörigen Schuss Vorwurf enthal­ten. Das heißt, aus der Forderung nach mehr „Debattenkultur“ unter uns Muslimen wird oft der Vorwurf, der Andere verfügt nicht ausreichend über sie.
Vor mehr als zweieinhalb Monaten trafen auf dem Zukunftsforum Islam die Vertreter eines, nach eigenem Bekunden „liberalen“ ­Islam auf in ihren Augen „konservative“ und stritten (auch unter Beteiligung der IZ-Redak­tion) unter der Ägide der einladenden Orga­nisatoren (der Bundeszentral für politische Bildung/BpB) um die Realität der beiden ­Begriffe. Nicht, dass der kurze Zeitrahmen gereicht hätte, eine befriedigende Klärung ­herbeizuführen.
Frappierend dabei ist, dass eine der beiden Fraktionen, die die Forderung nach einer offenen Debatte mit sich führt, am Ende der Diskussion so unzufrieden mit ihr war, dass sie sich seitdem hinter den Kulissen über Teilnehmer und Verlauf beschwerte. Das bestimmende Leitmotiv ist – wie in so vielen kindischen Streitigkeiten – das der “beleidigten Leberwurst”. Jüngst wurde der Streit hinter den Kulissen noch gesteigert, nachdem sich ein Hintergrundartikel kritisch mit den theologischen Fundamenten eines angeblich „libe­ralen Islam“ auseinandersetzte. Nun soll niemand glauben, es handle sich bei solchen Debatten und aggressiven Forderungen um bloß ideologische Fragen. Wie die grüne Roadmap andeutet, ist dem vermeintlich „liberalen“ ­Islam noch eine Rolle zugedacht. Und mancher munkelt, dass der Erlanger Lehrstuhl gezielt mit Liberalen besetzt werden soll.